Special: Myst (Adventure)

von Jörg Luibl



Myst (Adventure) von Midway
Der rätselhafte Monolith
Entwickler:
Publisher: Midway
Release:
30.11.2007
1993
13.10.2006
Jetzt kaufen
ab 10,00€
Spielinfo Bilder  
Es gibt ja diese langen Listen an Spielen, die man unbedingt kennen oder am besten selbst erlebt haben sollte - sie wollen so eine Art Kanon der digitalen Unterhaltung abbilden. Und fast immer ist ein Klassiker aus dem Jahr 1993 dabei, der das Genre der Adventures atmosphärisch bereichern und sich millionenfach verkaufen konnte. Was war so besonders an Myst, das von Cyan entwickelt wurde?

Ein fremdartiger Monolith

Wenn man verstehen möchte, wie und warum Myst anno 1993 derart gewirkt hat, hilft vielleicht ein Blick auf andere Spiele dieser Zeit. Ein Jahr zuvor erschienen u.a. Alone in the Dark, Black Crypt, Dune, Flashback, Final Fantasy V, The Lost Vikings, Ultima Underworld und Wolfenstein 3D. Das mit der Grafikpracht in der dritten Dimension, vor allem der Siegeszug der Ego-Shooter, wurde gerade erst eingeläutet. In dieser Ära dominierten neben der immer vielfältigeren Action und Rollenspielen eher klassische Point&Click-Adventures im Stile eines Indiana Jones and the Fate of Atlantis oder Monkey Island 2: Le Chuck's Revenge.

Der Start des Spiels auf dem Amiga.
Der Start des Spiels auf dem Amiga - sofern man ein CD-Rom-Laufwerk sein Eigen nennen durfte.
Dagegen wirkte Myst wie ein fremdartiger Monolith aus einer anderen Welt. Zum einen bewegte man keinen Helden seitwärts durch eine Kulisse, sondern erkundete lediglich Standbilder in der Ego-Sicht. Was heute sehr gewöhnlich anmutet, war damals gerade in diesem Genre etwas Neues, von dem auch das Mittendringefühl profitierte. Denn zum anderen war man umgeben von Apparaten und Konstrukten, die für ein monumentales Flair sorgten. Aufgrund der Einsamkeit und Rätselhaftigkeit auf der Insel wurde die Immersion noch verstärkt. Hier fühlte man sich wirklich wie ein Entdecker.

Ein Urahn reduzierten Spieldesigns

Die Geschichte um das namengebende Buch Myst, das einen im Stile der Unendlichen Geschichte von Michael Ende in seine Welt hinein zog, wirkte zudem wie ein ernster Kontrapunkt im Vergleich zu den sonst eher humoristischen Adventures. Außerdem beschränkte sich das gewaltfreie Abenteuer rund um den "The Stranger" genannten Helden auf das Wesentliche, es gab keinerlei Feinde und nur sehr wenige Charaktere, dazu nur dezente Menüs und einfache Interaktionen. So wurde Myst nicht nur zum Vorläufer für reduziertes Spieldesign, sondern war aufgrund seiner simplen Steuerung natürlich auch für "neue" Spieler interessant.

Rätselhafte Apparate auf einer einsamen Insel.
Rätselhafte Apparate auf einer einsamen Insel.
In komplett statischen, aber beeindruckend gerenderten Kulissen versuchte man per Point&Click die Rätsel des jeweiligen Schauplatzes zu lösen, ohne wie sonst üblich in einem Inventar diverse Gegenstände anzusammeln oder gar zu kombinieren. Statt den Bildschirm nach Beute abzusuchen oder Dialoge zu meistern, musste man lediglich die mechanischen Probleme bewältigen, indem man Schalter, Zahnräder & Co anklickte, um teils in mehreren Phasen komplexe Apparate in Gang zu bringen. Heute könnte man die Faszination vielleicht mit den ersten haptischen Rätseln in The Room vergleichen, vielleicht sogar mit VR - genauso frisch fühlte sich Myst damals auf den ersten Systemen mit CD-ROM-Technologie an.

Interaktiver Rätselroman

Was muss man hier lösen?
Was muss man hier lösen?
Myst hatte auch reichlich Herrenhaus-, sogar etwas Gruselflair und letztlich genug erzählerische Substanz, um sich wie ein interaktiver Roman des 19. Jahrhunderts anzufühlen - kein Wunder, dass dem Release drei Novellen folgten: The Book of Atrus (1995), The Book of Ti'ana (1996), The Book of D'ni (1997). Zudem war das visuelle Spektrum beeindruckend, zumal man ja auch durch die Zeit reiste: Man erkundete Wälder, Tempel, Türme, Keller; man war sowohl in der Landschaft als auch in fein modellierten Räumen unterwegs. All das sorgte für enorme Schauwerte und faszinierte weltweit: Lange hielt die PC-Version den Rekord für das meistverkaufte Spiel – bis es 2002 von den Sims abgelöst wurde.

Die beiden Entwickler Rand K. und Robyn Miller hätten diesen Erfolg vermutlich nicht für möglich gehalten, als sie das Abenteuer auf ihren Macs mit der "Stratavision Software" konzipierten - selbst den Soundtrack mit 26 (!) Stücken in sechs Themen steuerten sie selbst bei. Ihr Grafiker Chuck Carter blieb der Branche übrigens viele Jahre als Künstler erhalten, war mit seinen 3D-Grafiken und Artworks u.a. am Nachfolger Riven, aber auch an diversen Command & Conquers, Nox sowie an Marvel Ultimate Alliance 2 und 2019 noch an ZED beteiligt.

Schweres Erbe

Auch in der Steinzeit war man unterwegs.
Auch in der Steinzeit war man unterwegs.
Die fantastischen Verkaufszahlen sorgten natürlich dafür, dass sich aus der Premiere eine Serie entwickelte, zu der bis heute etwas über 25 Nachfolger, Ableger und Kollektionen gehören - wobei es offiziell nur fünf Teile gab, die 2005 ihren Abschluss fanden. Mit RealMyst im Jahr 2000 und dessen späterer „Masterpiece Edition“ gab es schon gelungene moderne Interpretation, die übrigens auch auf Switch erhältlich sind. Allerdings verblasste der Glanz und auch die Anziehungskraft mit den Jahren, bis es 2007 zum bugverseuchten Tiefpunkt auf dem DS mit einem Negativrekord kam: Myst wurde auf Nintendos Handheld mit 1% abgestraft. Aber mittlerweile gibt es auch für knapp 30 Euro ein solides VR-Abenteuer als Remake über die Unreal Engine.

Wer es klassischer mag, kann aber auch einen modernen Nachfolger im Geiste spielen, der 2016 sogar von den Cyan Studios höchstpersönlich entwickelt wurde: Obduction. In diesem über Kickstarter finanzierten Spiel für PC, VR und Konsolen führen sie ihren Klassiker überzeugend fort. Dazu unser Fazit aus dem Test: "Obduction ist aufgrund fehlender Hilfen und Hotspots vor allem für Veteranen ein empfehlenswertes Adventure, das an die Tradition von Myst anknüpft und diese nicht nur erzählerisch moderner interpretiert. Die Stärken aktueller Storytelling-Abenteuer treffen auf klassische Tugenden und moderne Technik. Man erkundet eine offene Spielwelt mit ansehnlicher Kulisse und experimentiert mit Maschinen, Konstrukten, Lasern, Schaltern & Co."
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Kommentare

HellToKitty schrieb am
ClassicGamer76 hat geschrieben: ?17.03.2021 16:38
Vino hat geschrieben: ?17.03.2021 16:33 Cyberia war grafisch der Oberhammer und eines der Spiele, bei denen wir uns damals dachten "kann die Grafik NOCH besser werden?!" :D
Das Gefühl hatte ich, als ich bei einer Messe damals Ultima Underworld auf einem PC laufen gesehen habe, zum ersten Mal, das hat mich ernsthaft geflashed. Kommst vom Amiga, mit wirklich hübschen Spielen dabei, aber dann SOWAS ! Das war vom Gefühl wie ein Quantensprung und ein PC musste her. Leider haben viele "laienhaft" wirkende 3D Spiele mir das 3D dann verwässert. Man bin ich froh, dass die 3D Grafik heut zu Tage so gut aussieht und die Spiele des Öfteren auch liefern was sie versprechen, keine Diskussion jetzt über Cyberpunk bitte ;-)
Kann ich nachvollziehen. Ich war erstmal so was von raus als die dritte Dimension Einzug in die Spielewelt erhalten hat. Ich konnte nie verstehen wie jetzt so was hässliches wie Virtua Fighter der nächste Schritt sein sollte. Wenn ich an die PS1 denke und das Texture Warping wird mir immer noch blümerant. Dann lieber nackte Polygone. Mein "kann die Grafik NOCH besser werden?!" Spiel war damals Strike Commander. Spoiler: ja, sie kann. Aber diese "realiatische" low-res Pixelgrafik hat immer noch was ästhetisch ansprechendes für mich.
-svega- schrieb am
Gab es zu Myst nicht auch einen Online-Ableger, der aber gefloppt ist?
ClassicGamer76 schrieb am
Vino hat geschrieben: ?17.03.2021 16:33 Cyberia war grafisch der Oberhammer und eines der Spiele, bei denen wir uns damals dachten "kann die Grafik NOCH besser werden?!" :D
Das Gefühl hatte ich, als ich bei einer Messe damals Ultima Underworld auf einem PC laufen gesehen habe, zum ersten Mal, das hat mich ernsthaft geflashed. Kommst vom Amiga, mit wirklich hübschen Spielen dabei, aber dann SOWAS ! Das war vom Gefühl wie ein Quantensprung und ein PC musste her. Leider haben viele "laienhaft" wirkende 3D Spiele mir das 3D dann verwässert. Man bin ich froh, dass die 3D Grafik heut zu Tage so gut aussieht und die Spiele des Öfteren auch liefern was sie versprechen, keine Diskussion jetzt über Cyberpunk bitte ;-)
Vino schrieb am
Cytasis hat geschrieben: ?17.03.2021 14:26
ClassicGamer76 hat geschrieben: ?17.03.2021 14:11
Cytasis hat geschrieben: ?17.03.2021 14:05 cyberia anyone?
Du meinst Syberia? Richtig geil die ersten, beiden Teile. Den 2. gibt es gerade gratis bei Indiegala https://freebies.indiegala.com/syberia-ii Aber mit Myst hat die Spielereihe nichts gemeinsam, außer vielleicht tolle Grafik.

Meine das hier, war schon episch damals wenn ich mich daran zurück erinner. Der vater eines Freundes hatte einen sehr teuren PC wo das lief :D.
Wird aber oft mit "Syberia" verwechselt
Cyberia war grafisch der Oberhammer und eines der Spiele, bei denen wir uns damals dachten "kann die Grafik NOCH besser werden?!" :D
ClassicGamer76 schrieb am
Todesglubsch hat geschrieben: ?17.03.2021 15:53
ClassicGamer76 hat geschrieben: ?17.03.2021 11:54 Kann sich jemand an FAUST: Die sieben Spiele der Seele erinnern. Das war gut.
Gut ist relativ, aber die Cryo-Produktionen hat man ja eh gehasst oder geliebt - nichts dazwischen.
Das ist 100% so mit Cryo, ich bin auch nur über einen Grabbeltisch oder so an Faust gekommen, aber da hat es klick gemacht, womöglich würde ich es Heute nicht mal mehr mit dem Pöter angucken, selbst nicht bei einem Remake. Wenn ich mir die Screens so angucke, naja, man hatte ja früher nüschts... wenn man überlegt, Dune 1 war auch von Cryo und das fand ich auch richtig gut... aber die späteren 3D Blender auf Schienen haben mich wie gesagt sonst nie angesprochen von Cryo, mir fehlte bei den Spielen die Seele, die ein echtes Adventure ausstrahlte.
schrieb am