Test: Sakura Wars: So Long, my Love (Adventure)

von Benjamin Schmädig



Sakura Wars: So Long, my Love
Entwickler:
Publisher: Tecmo Koei
Release:
kein Termin
09.04.2010
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ab 77,77€
Spielinfo Bilder  
»Weil wir dich nicht leiden können, darfst du nicht an unserer Seite kämpfen. Du darfst aber gerne unser Hausmeister sein.« Wie würdet ihr wohl reagieren, wenn euch drei zickige Mädels derart abservieren? Immerhin seid ihr gerade aus Tokio gekommen, um als Mitglied einer Spezialeinheit zu dienen! Na, ihr würdet es selbstverständlich dem jungen Hausmeister-Helden Shinjiro Taiga gleich tun, der beim Durchbrennen einer Sicherung begeistert brüllt: »Yes, endlich kann ich beweisen, dass ich ein echter Mann bin!« Nicht wahr?

Fernöstliche Tiefschläge

Ein paar Minuten lang war ich als Freund des naiven japanischen Kalauers richtig angetan: Strahlelippen bis an die Ohrläppchen, groooße Rehäuglein und alberne Sprüche bis zum Abwinken - yippie! Dachte ich. Denn nach einer Stunde bemerkte ich, dass sich meine eigenen Mundwinkel seit 60 Minuten wie in Blei gegossenes Platin verhielten. Was war passiert? Passiert war das völlig witzlose Aneinanderreihen zwanghafter Japanoklamotten, bei denen höchstens der Hardcore-Fan einer Dating Sim müde lächelt. Kein Wunder! Denn Sakura Wars ist genau das: eine Dating Sim mit etwas Taktikkampf und belanglosen Flirts.

Wenn Shinjiro Taiga im New York der 20er Jahre ankommt, um sich einer in haushohen Robotern kämpfenden Eliteeinheit anzuschließen, findet er dort - logisch! - fast nur Mädchen vor. Die können ihn ja erst gar nicht leiden. Dann tut er ihnen aber richtig dolle Gefallen. Und dann können sie ihn richtig gut leiden. Nein, wirklich: Um mehr geht es nicht. Es gibt zwar eine böse Zaubergöre samt unheilvollem Gefolge, aber die ist nur ein Vorwand für diese Entschuldigung einer guten Geschichte. Richtig entnervt hat mich die Anwältin Cheiron, die bei jeder noch so ungelegenen Gelegenheit irgendwas von »Aber das Gesetz will es so!« brüllt. Himmel noch mal! Das ständig um sich ballernde Cowboy-Mädel Rosarita ist keinen Deut besser - zumal mir das sich ständig wiederholende Gefiedel
Dieses Mädel ist nicht nur Fan von Samurais, niedlich und bald schon Shinjiros beste Freundin - sondern auch eine wandelnde Klischeekiste.
in ihrem Kapitel besonders auf die Ketten ging.

Ungewolltes Stillleben

Hier passiert ja sonst nichts! Vor wenigen Hintergrundbildern pappt das Spiel eine Reihe noch weniger Charakterzeichnungen zu ebenfalls wenigen Musikstücken aneinander. Wäre alles nicht so schlimm, wenn das quietschige Artdesign trifft den richtigen Ton zwischen überbordender fernöstlicher Leichtigkeit und einem erschreckend verklärten Amerika-Patriotismus treffen würde. Tut es aber nicht. Wenn sich der Times Square öffnet, damit eine gigantische blaurote Armbrust ein Luftschiff gen Himmel schießen kann, fehlt leider jedwedes Augenzwinkern: statt ironischer Überzeichnung hagelt es bierernste Peinlichkeiten. »Zum Glück« sind solche Trickfilmszenen selten; meist glotzt man auf starre Frauengesichter. Das geht mal zehn, mal 30 Minuten so, dann ist das Kapitel rum und Shinjiro baggert um die Freundschaft der nächsten Dame. Animationen beschränken sich auf Augenklimpern, »Handlungsabläufe« werden durch blecherne Geräusche dargestellt - ein Comic zum Durchklicken ist spannender.

Gut, es gibt durchaus was zu tun. Z.B. habe ich oft die Wahl zwischen mehreren Antworten - was Shinjiros Verhältnis zu den anwesenden Gesprächspartnern verbessern oder verschlechtern kann. Gelegentlich kann ich sogar die Lautstärke oder die Dringlichkeit meiner Antwort bestimmen. Hossa! Eine Art japanisches Mass Effect, etwa?

Hahaha!

Nein, jetzt mal im Ernst: Mit dem Aufbau individueller Beziehungen oder gar moralischen Entscheidungen hat das hier nichts zu tun. Es geht ausschließlich darum, die eine richtige Antwort zu finden, um auch ja die Freundschaft auszubauen. Beziehungspunkte sammelt Shinjiro auch, indem er kleine Minispiele meistert - einmal musste ich ein paar Basebälle schlagen, indem ich rechtzeitig die richtigen Bewegungen auf Analogstick und Digikreuz ausführe. Nett, wirklich! Aber letztlich belanglos.

Da gefiel es mir schon besser, eine Art Gerichtsverhandlung gegen die Anwältin zu führen. Um die zu bestehen, musste ich nämlich durch das in kleine Areale unterteilte Manhattan stiefeln, um Beweise aufzutreiben.
Gesetz ist Gesetz! Cheiron kennt kein Erbarmen - schon gar nicht zugunsten des guten Stils.
An den eingleisigen Straßenzügen gibt es immerhin zahlreiche Lokalitäten wie eine Kirche, ein Hotel oder Parks, an denen Shinjiro auch meist jemanden trifft, der ein paar Worte mit ihm wechselt. Weil die Zeit beim freien Erkunden meist drängt, muss ich dabei gezielt die richtigen Orte besuchen - in diesem Fall um starke Beweise und etwas über Cheirons emotionalen Hintergrund herauszufinden. Gar nicht schlecht! Nicht zuletzt kann ich ja auch Fotos machen, weil mir gute Bilder Sympathiepunkte oder wie hier wichtige Dialogoptionen für die Verhandlung einbringen. Nur kommt irgendwann eben die Stunde des Gerichts: Die Lage scheint verzweifelt, dann erweicht Shinjiro Cheirons Herz, binnen weniger Sekunden wendet sich das Blatt - Schmalz, Tränen, Pathos, Hilfe!

Nichts gegen Dating Sims, wirklich. Ganz im Gegenteil sog... Ehrlich gesagt: doch! Ich habe etwas gegen Dating Sims. Ich habe etwas dagegen, wenn sie aus stupidem Durchklicken plattitüder Dialogfenster bestehen, bei denen abgesehen vom Hin- und Herschalten des Charakterbildes minutenlang nichts passiert. Das ist kein Ersatz für rote Fäden oder sinnvolle Charakterentwicklung. Das ist in meinen Augen einfach kein vollwertiges Videospiel. Gut, faktisch ist es das natürlich - genau so wie man interaktive Bildschirmschoner dazu zählen könnte...        

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Kommentare

Savrals schrieb am
Ich kann durchaus verstehen, dass man das Spiel nicht mag. Nach langem hin und her hab ich mir es nun doch mal angesehen.
Ich habe mir vorher mehrere Online Video Reviews angesehen, um ganz sicher zu gehen, dass es nicht der totale Mist ist.
Aber nun muss ich gestehen: Ich find es gut. Sicherlich ist es es ein total abgedrehtes Japano Spiel, aber wenn man es als solches von vorn herein sieht, kann man mit diesem Spiel warm werden.
Ich verlange jetzt nicht dass sich jeder der das Spiel anschauen wird diese Sichtweise annimmt, aber man sollte sicherlich bedenken, dass die Spielkultur in Japan eine ganz andere ist und dieses Spiel darauf ausgelegt ist.
Im großen und Ganzen ist das Spiel in Ordnung, wobei ich die PS2 Fassung empfehlen kann, da dort eine DVD mit der Original Ton Fassung beiliegt. In meinen Ohren die bessere Wahl.
Ich verstehe aber auch, dass man das Spiel nicht leiden kann.
Squallie schrieb am
Oh man, alle internationalen Magazine geben Sakura Taisen V Höchstwertungen aber 4Players muss natürlich wieder mal dagegenschießen :lol:
- einige sehr lange Abstände zwischen Speicherpunkten
Hallo ? Man kann jederzeit nen Zwischensave anlegen, welcher auch nicht gelöscht wird. Das ist auch während der Kämpfe möglich.
Wulgaru schrieb am
Pyoro-2 hat geschrieben: ²raven
Jo, 20er Jahre NYC plus 'ne Art Steampunk ist in der Tat speziell :ugly:
Das ist doch in den letzten Jahren ein totales Mainstreamgenre bei Mangas und Animes. Steamboy, Chrno Crusade und so weiter und so fort.
Pyoro-2 schrieb am
Ich hab drüber nachgedacht, drüber gepennt, und nochmal drüber nachgedacht, und Jörg, ich werd aus deinem post immernoch nicht schlau :? Also jedenfalls Punkt 2. Punkt 1 - ok, keiner von euch mag solche games. Das kann ja sein, kann ich nicht beurteilen ;)
Aber 2. ..."weil es eine schlechte Dating Sim ist." Ich persönlich geh davon aus, dass das Kursiv-setzen von "schlecht" hier etwa so wie eine akkustische Betonung gemeint ist; nur seh ich dann schon hier den Widerspruch zu eurer Wertungsphilosophie - jetzt ist das schlecht bewertete game plötzlich schlecht, eine quasi objektive Aussage, wo es doch sonst heißt, dass es eben aus Sicht des Redakteurs gewertet wird, "unabhängig" (Stichwort:subjektiv) davon, ob das game gut oder nicht ist, hauptsache es macht ihm Spaß - oder halt nicht. Wenn er jetzt bekennender nicht-dating-Sim Freund ist - und so steht's nunmal im Test - dann wäre es nach eurer bisherigen Philosophie doch nur konsequent, wenn er das game deswegen schlecht bewertet. Da kann man dann auch wenig gegen argumentieren, ist halt sein Geschmack bzw. das Gegenteil davon (man kann allerdings darüber diskutieren, ob so ein Test dann sinnvoll ist). Aber wenn hier jetzt behauptet wird, dass game sei tatsächlich für sich schlecht, dann wird's imo nur noch kritischer, als der Test eh schon ist (ich seh zB. kein Wort davon, dass das Ding zu großem Anteil parodierend auf dating sims gemeint ist (stattdessen les ich das exakte Gegenteil :? ), auch keins zu den multiplen Enden, nichts zum "Schweren" Schwierigkeitsgrad, auch nichts zum post-game; kritsiert werden Dinge wie der ADV Stil des storytellings - ähm, das halt 'n ADV. Ich werf Fifa auch nicht vor, zu viel Fußball zu beinhalten - und für ADV ist sogar ziemlich viel Bewegung drin ^^...überlange Klammer /Ende). Mal abgesehen davon, dass das zumindest für mich die Frage aufwirft, was dann bitte eine gute "gameplay" Dating-Sim ist...Brave Soul? Das hat deutlich mehr gameplay jedenfalls. Und jetzt sagt nicht die GB/PS2...
schrieb am