Special: Game Studies (Sonstiges)

von Jörg Luibl



Game Studies
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"Game Studies - eine Einführung."

Ein Gastbeitrag von Danny Kringiel


"Game Studies"? Kann ich jetzt schon studieren, wie ich es durch effizienteres Dodging und Rocket Jumps in der Weltrangliste ganz nach oben schaffe? Oder erklären mir Professoren, was es mit der "VolksverDoomung" durch das "Erfurter Spiel" auf sich hat? Nicht ganz. Eine FAQ-Liste.

Game Studies? Hat das was mit Informatik zu tun? Oder mit den Gefahren des Computerspiels?

Ob nun unter dem Namen Game Studies, Video Game Studies, Computer Game Studies oder auch Video Game Theory: gemeint ist mit all diesen Titeln eine geistes- und sozialwissenschaftlich orientierte Auseinandersetzung mit Computer- und Videospielen. Anders als in der Informatik stehen hier Fragen der Funktionalität des Programmcodes nicht im Vordergrund - man betrachtet die Spiele auf der Oberflächenebene dessen, was aus den Boxen kommt und auf dem Monitor zu sehen ist. Und anders als in der Wirkungsforschung geht es den Game Studies auch nicht darum, ganz bestimmte Wirkungen von Computerspielen in Versuchen nachzuweisen. Stattdessen beschäftigt man sich hier mit Fragen danach, wie Computerspiele eigentlich funktionieren, was sie sind, wie sie sich weiterentwickeln könnten und in welcher Beziehung sie zu anderen kulturellen Phänomenen stehen. Auch sind die Game Studies eine wesentlich jüngere wissenschaftliche Disziplin als Informatik und Wirkungsforschung - erst 2001 rief der Computerspielforscher Espen Aarseth das "Year One" der Game Studies aus.

Mit welchen Fragen beschäftigen sich die Game Studies im Einzelnen?

Um diese Frage zu beantworten, muss man versuchen, die Game Studies etwas genauer zu untergliedern. Denn Interesse für digitale Spiele haben Forscher aller möglichen Fachbereiche entwickelt: Literaturwissenschaftler, Medienwissenschaftler, Soziologen, Erziehungswissenschaftler usw. usf. Und sie alle bringen Fragen der Disziplinen, aus denen sie stammen, mit in die Debatte hinein. Andere versuchen wiederum, eine vollkommen neue Herangehensweise zur Erforschung von Computerspielen zu entwickeln, die sich nicht aus älteren Wissenschaften ableiten lässt. Bereits in den wenigen Jahren ihres Bestehens ist so in den Game Studies eine große Vielfalt an Positionen entstanden.

Narratologisch orientierte Spieleforscher versuchen vor allem zu hinterfragen, wie Computerspiele Geschichten erzählen. Oft werden zur Untersuchung dieser Erzählprinzipien Verfahren aus der Sprachwissenschaft übertragen, insbesondere aus dem russischen Formalismus und dem französischen Strukturalismus, die versuchten, formelhafte Grundstrukturen des Erzählens zu finden.

Auch Forscher mit filmwissenschaftlichem Background interessieren sich für das Computerspiel vor allem in seiner Rolle als erzählendes Medium. Allerdings untersucht man die Darstellungsmittel von Games hier eher durch den Vergleich mit Mitteln des Films: etwa den Einsatz von Kameraperspektiven, Einstellungsgrößen, Kamerabewegungen, Schnittfolgen, Bild-Ton-Beziehungen etc.

Einen weiteren Vergleich mit einem älteren Medium stellt der Ansatz des Cyberdramas an. Man versucht hier in erster Linie, das Computerspiel durch Vergleiche mit Darstellungsmitteln des Theaters besser zu verstehen und Vorschläge dazu zu machen, wie man den Gamer als virtuellen Darsteller einer Rolle tiefer in das digitale Schauspiel einbinden, seine "Agency" steigern kann. Die Tendenzen einiger Vertreter des Cyberdramas, sich mehr mit wünschenswerten Zukunftsperspektiven des Game Designs als mit dem Design gegenwärtig erhältlicher Spiele zu beschäftigen, ist häufig dafür angegriffen worden, allzu "prophetisch" sein zu wollen - insbesondere aus den Reihen der Ludologen (siehe nächster Absatz).

"Ludology" wird oft auch als Sammelbegriff für die Game Studies an sich gebraucht. Genau genommen verbirgt sich aber hinter diesem Titel, den der Computerspielforscher und -Entwickler Gonzalo Frasca 2001 erfand, ein Ansatz, der versucht, Computerspiele nur als Computerspiele zu verstehen, sprich: Nicht als neue Art von Literatur, Film, Drama usw. Die Ludology wirft Ansätzen, die Computerspiele lediglich als neue Formen älterer Kulturphänomene ansehen, einen Theorieimperialismus vor: Der Forschungsgegenstand werde so alten Sichtweisen unterworfen, die nicht in der Lage seien, seine spezifischen Eigenheiten angemessen zu erkennen.

Historische Forschungsansätze zum Computerspiel sind noch in der Minderheit. Zwar gibt es mittlerweile eine Reihe nicht-wissenschaftlicher Veröffentlichungen zur Geschichte des Bildschirmspiels, doch nicht zuletzt aufgrund der Kürze der bisherigen Computerspielgeschichte mag es momentan für an Games interessierte Geschichtswissenschaftler schwierig sein, fundierte und weitreichende Aussagen über Traditionslinien, Entwicklungssprünge und historische Krisen des digitalen Spiels zu treffen.

Erziehungswissenschaftliche Ansätze versuchen zu verstehen, wie Games als Lernsysteme funktionieren. Beispielsweise wird untersucht, ob sich in unterschiedlichen Spielen unterschiedliche zentrale Lernprinzipien finden lassen, auf welche Weisen NPCs als Tutoren eingesetzt werden, wie Lernkurven aufgebaut sind, wie Spiele das Können und Vorwissen ihrer Spieler erfassen und darauf aufbauen oder wie Computerspiele die dem Spieler gegebenen Lernhilfen verschleiern, damit diese ein Gefühl der Selbständigkeit behalten.

Wieder andere Forscher versuchen, den Aufbau von Computerspielen im Hinblick auf ihren Einsatz von virtueller Architektur zu verstehen. Es wird beispielsweise betrachtet, wie bestimmte Orte oder Gegenstände dem Spieler Hinweise zu der kommenden Spielsituation oder der von ihm zu leistenden Aufgaben liefern. Auch ist hier von Interesse, auf welche Weise die Gestaltung der Spiel-Räumlichkeiten zu der Erzählung beiträgt, die Regeln mitbestimmt oder die Handlungsmöglichkeiten des Spielers erweitert bzw. einschränkt.

Game Studies-Ansätze vor dem Hintergrund der Gender Studies untersuchen, wie bestimmte Geschlechterrollenvorstellungen in Bildschirmspielen dargestellt werden, wo Games beispielsweise stereotype Rollenklischees zementieren, aber auch, wo sie es dem Spieler ermöglichen, die klassische Geschlechterteilung zu sprengen -etwa durch "Gender-Switching" (also die Wahl eines vom biologischen Geschlecht abweichenden virtuellen Geschlechts) im MMORPG.

Ideologiekritische Ansätze hinterfragen, welche Vorstellungen von gesellschaftlichen Realitäten in Computerspielen vermittelt werden, wie also beispielsweise Wertvorstellungen bezüglich des Gefühlslebens und des wirtschaftlichen Status' der Menschen einer Gesellschaft in Spielen wie The Sims oder Black & White modelliert werden.

Damit sind viele, aber längst nicht alle grundlegenden Perspektiven innerhalb der Game Studies umrissen. Da das Forschungsfeld, wie bereits erwähnt, gerade erst entstanden ist und sich weiter ordnet und ausdifferenziert, ist es schwer, einen verbindlichen Überblick zu schaffen und jetzt schon auszuweisen, welche Positionen zukünftig von zentraler Bedeutung für die Computerspielforschung sein werden. Auch sollte erwähnt werden, dass sich bei weitem nicht alle Forscher nur einer der hier angeführten Positionen zuordnen lassen. Viele der Ansätze stehen in einem regen Austausch zueinander, und mit wachsender Vernetzung der Forschergemeinschaft wird dieser Austausch wahrscheinlich noch stärker werden.

Computerspiele gibt es schon seit Jahrzehnten. Wieso entwickeln sich die Game Studies dann erst jetzt?

Das Ganze ist eine einfache Rechenaufgabe: Videospiele sind erst in den 70ern mit Konsolen wie dem Atari VCS 2600 zu einem wirklichen Massenphänomen geworden. Und erst in den 80ern entwickelte sich die Komplexität der virtuellen Spiele allmählich über den Grad der simplen frühen Arcade-Attraktionen hinaus, die hauptsächlich gemacht wurden, um den in den Spielhallen Herumstreunenden für ein schnelles Spiel ein paar Münzen aus der Tasche zu locken. Bedingt durch das nötige Studium, die Doktorarbeit und weitere Forschungstätigkeiten schafft es kaum jemand unterhalb eines Alters von 30 Jahren, eine Position in der Welt der Wissenschaft zu bekleiden, der man Gehör schenkt. Jene erste Zockergeneration, die mit Pac-Man, Myst und Mario großgeworden ist, hat erst in den letzten Jahren solche Positionen erreicht. Auch bei älteren Medien - etwa dem Film - sind derartige Verzögerungseffekte der Verwissenschaftlichung eines neuen Phänomens aufgetreten.

Kann ich Game Studies studieren? Wo?

Wie gesagt ist dieses Forschungsfeld noch ausgesprochen jung. Noch hat sich kein zentrales Curriculum ausgebildet, das international oder auch nur national verbindlich an den Universitäten umgesetzt wird. Immer mehr Unis richten aber Studiengänge oder -Module ein, die sich mit Fragen der Game Studies beschäftigen. Seit 2003 kann man etwa an der Northumbria University in Newcastle-upon-Tyne einen Abschluss als Master of Arts in Computer Game Studies machen. Im gleichen Jahr wurde auch an der IT-Universität in Kopenhagen ein Zentrum für Computerspielforschung eingerichtet. Im finnischen Tampere ist es möglich, sich im Studienmodul "Digital Games Research and Design" mit Fragen der Game Studies auseinander zu setzen und das MIT in Cambridge (Massachusetts) ist der in den USA bekannteste Studienort für Game Studies-relevante Fragestellungen.

Wer nicht gleich auswandern will, hat es da etwas schwerer. Aber auch an deutschen Hochschulen beansprucht das Studium des digitalen Spiels allmählich eigene Nischen. Beispiele wären etwa das Forschungszentrum "Virtuelle Welten" der FH Köln, das zunehmend über Wirkungsfragen hinausblickt, oder auch die Arbeitsgruppe für graphische und interaktive Methoden für Computerspiele der Magdeburger Universität, die sich zwar eher dem praktischen Game-Design zuwendet, aber dabei Fragestellungen der Informatik und der Geisteswissenschaften gleichermaßen integriert und mit dem Magdeburger Fachbereich für Medienpädagogik zusammenarbeitet. Medienpädagogische und Medienwissenschaftliche Fachbereiche an vielen Universitäten haben begonnen, sich dem Computerspiel zuzuwenden, aber einen eigenständigen Fachbereich Game Studies findet man noch an keiner deutschen Hochschule.

Ich würde gerne mehr über Game Studies erfahren. Welche Texte verschaffen mir einen ersten Überblick?

Konrad Lischka: Spielplatz Computer. Kultur, Geschichte und Ästhetik des Computerspiels. Heidelberg: Verlag Heinz Heise, 2002.

Kein wissenschaftlicher Text, aber geeignet als eine sehr klar lesbare erste Einführung in einige für die Game Studies relevante Fragestellungen und Überlegungen.

Noah Wardrip-Fruin u. Pat Harrigan (Hrsg.): First Person. New Media as Story, Performance, and Game. Cambridge, Mass. : MIT Press, 2004.

Hier stellen verschiedene Forscher ihre sehr unterschiedlichen Ansätze zum Thema Game Studies vor. An jeden Artikel schließen sich Kommentare und Kritiken anderer Forscher zu dem besprochenen Thema an.

Mark J.P. Wolf u. Bernard Perron (Hrsg.): The Video Game Theory Reader. New York: Routledge, 2003.

Ein weiterer Sammelband, der verschiedene Vertreter der Game Studies zu Wort kommen lässt und mit einer kurzen geschichtlichen Übersicht über Videospielkonsolen der letzten 30 Jahre abschließt.

www.dichtung-digital.com

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Vom Spiel zur Uni? Aber sicher!
Online-Journal mit Bezug zur Hypertext- aber auch zur Computerspieltheorie. Enthält Artikel in deutscher, englischer oder französischer Sprache.

www.gamestudies.org

Englischsprachiges Webjournal zur Computerspielforschung.

www.playability.de

Deutschsprachiges Online-Magazin zu den Game Studies.
         

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