Grenzen der Freiheit
Entscheidender ist, dass schnell die Grenzen innerhalb der Illusion klar werden: Vor allem die ersten Gebiete bestehen aus erschreckend engen Korridoren. Das hat auch Auswirkungen bei einem Alarm: Wenn man von drei Feinden durch einen floralen Flur mit starren Grenzen gehetzt wird, kann man sich kaum noch verstecken. Dabei ist man in der Wildnis, nicht in einem Gebäude! Obwohl sich ausgehöhlte Bäume anbieten würden, hat man keine Chance, seine Verfolger abzuschütteln. Was tun? Man muss entweder alle Gegner eliminieren oder im Kugelhagel aus dem kompletten Abschnitt rausrennen. Und die KI ist zwar oft, aber nicht immer so konsequent, dass sie euch dorthin verfolgt. Das heißt, dass ihr mit etwas Glück einfach bei vollem Alarm durch Gebiete hetzen könnt, um nach dem Nachladen unbehelligt im nächsten weiter zu machen - das ist ärgerlich und unrealistisch.
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Tarbung ist alles: Selbst die deutsche Flagge könnt ihr euch ins Gesicht schminken. Download: Trailer #4, Camouflage (28,3 MB) |
Dabei wäre es überzeugender gewesen, wenn man erstmal über eine gewisse Strecke irgendwo ins Unterholz spurtet, um dann hinter einem Baumstumpf oder in einem Tümpel Schutz zu suchen. Das funktioniert aber nur in der Weite des Raums, den MGS3 leider zu selten bietet. Es gibt zwar auch größere Gebiete, ausgedehnte Camps samt Vorfeld und Höhlensysteme, die den Vorgänger in Sachen Umfang klar übertrumpfen, aber kein homogenes Ganzes. Keinen grünen Moloch, in den man entfliehen könnte.
Sehr ernüchternd ist auch, dass Snake viele kleine Hügel nicht erklimmen kann: Unsichtbare Levelgrenzen hindern ihn daran, Anhöhen hinauf zu robben. Das ist auch deshalb schade, weil man dadurch selten Höhenvorteile zwecks besserer Übersicht ausspielen kann. Auch das Hinaufziehen an Böschungen oder das Erklettern von Bäumen ist nur an bestimmten, dafür vorgesehenen Stellen möglich - dadurch wirkt alles sehr konstruiert, und trotz der famosen Naturdarstellung fast künstlich. Wenn das in Rollenspielen nicht geht, nehme ich das gerne in Kauf. Hier platzt leider die Seifenblase von der weitläufigen Survival-Simulation.
Steuerung mit alten Macken
Wer die Metal Gear-Reihe gespielt hat, wird die altbekannte Steuerung vorfinden. Aber ist die auch heute noch gut? Ich finde sie höchstens befriedigend, weil sie viel störrisches Frustpotenzial bietet: Snake reagiert immer noch zu empfindlich auf die Anweisungen mit dem Analogstick. Man hat nicht das Gefühl, dass man ihn sauber von Deckung zu Deckung lotsen kann, dass man ohne Probleme aus ihr heraus schießen kann - irgendwie hakt es immer. Hinzu kommt die sehr störrische Kamera, die manchmal trotz weitem Winkel nur den Fels, aber nicht eure Spielfigur zeigt. In unserem Video sehr schön nach 2:34 Minuten zu sehen:
Gameplay, Teil 1 (4P-exkl.). Manchmal weigert sich die Kamera, von der Grashalmfrontalsicht in eine übersichtliche Überkopfperspektive zu schwenken - das hätte man besser lösen müssen.
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Revolver-Ocelot in jungen Jahren: Ein Heißsporn, der noch viel lernen muss. |
Es gibt weitere Wünsche, die offen bleiben: Warum muss Snake an einem Abgrund erst aufstehen, um sich dann an ihm zwecks Hangeltour herabzulassen? Warum bleibt er manchmal kriechend in Ecken hängen? Warum bleibt er nach der Vorwärtsrolle nicht in der Hocke, sondern steht? Und warum rollt er sich nach einem Sprung von einem Baum nicht am Boden ab? Das sind vielleicht alles nur Feinheiten, aber in der Kombination sorgen sie dafür, dass Snakes Bewegungsabläufe nicht ganz befriedigen. Hier habe ich im Jahr 2005 mehr erwartet.
Tradition mag verpflichten, die Fans mögen sich daran gewöhnt haben, aber für mich ist es unverständlich, warum Konami nicht nachgebessert hat. Mittlerweile hat sich auch im Stealth-Action-Bereich einiges getan und Konkurrent Sam Fisher steuert sich wesentlich intuitiver und punktgenauer. Beim Ubisoft-Agenten habe ich viel eher das Gefühl der vollen Bewegungskontrolle. Bis Snakes Rhythmus in Fleisch und Blut übergeht, vergeht zudem sehr viel Zeit. Einsteiger sollten sich vor der Kampagne in den witzigen Minispielen auf Affenjagd begeben, um damit vertraut zu werden - siehe Video:
Snake meets Ape Escape (4P-exkl.) (Laufzeit: 2:06 Min.). Aber hätte man nicht auch einen Trainingsparcours anbieten können? Die Steuerung ist nicht schlecht, aber sie ist weit weg von intuitivem Komfort.