Special: Dead Space 2 (Shooter)

von Benjamin Schmädig



Dead Space 2 (Shooter) von Electronic Arts
Disharmonie des Scheußlichen
Entwickler:
Publisher: Electronic Arts
Release:
24.02.2011
04.02.2011
20.10.2011
Spielinfo Bilder Videos
Eigentlich ist es erstaunlich: Ausgerechnet im Genre des futuristischen Horrors hält sich das klassische Orchester ausgesprochen hartnäckig - der moderne Soundtrack fasst hier kaum Fuß. Umso bemerkenswerter, dass man aus vielen galaktischen Gruselgeschichten selbst heute noch Jerry Goldsmiths 30-jähriges »Alien« heraushört. Die Dead Space-Serie nimmt sich da nicht aus - Teil zwei zitiert den Klang des Giger-Albtraums sogar ausgesprochen ungeniert!

Dead Alien

Auf den ersten Blick ist kaum zu erklären, warum sich die Entwickler ausgerechnet Jason Graves als Komponisten aussuchten. Mit Blazing Angels , Star Trek: Legacy , zweimal Silent Hunter oder Wheelman hatte sich der Brite zwar einen Namen gemacht, seine gewöhnlichen Melodien hallten aber nicht lange nach. Doch Graves vertonte
noch ein weiteres Spiel - eins, das ebenfalls mit Außerirdischen zu tun hatte. Blacksite: Area 51  hieß der Titel, dem er einen typischen Alien-Sound verlieh. Schon damals beschrieb seine Musik das Verstörende hinter der grausamen Schönheit, die Goldsmith einst in dem außerirdischen Killer sah und vereinte es mit dem polternden Chaos, das im Science Fiction-Horror spätestens seit Elliot Goldenthals Alien 3 für Spannung steht.

Für Dead Space vertiefte Graves die Verbindung zwischen Grusel und Terror. Und natürlich liegt es nahe, dass er diesen Stil in der ersten großen Fortsetzung weiterführt. Graves wird seinem Stil allerdings im Guten wie im Schlechten untreu, weil er mehr denn je Goldenthals Vorbild zitiert. Die kurzen disharmonischen Takte könnten ebenso aus Alien 3 stammen wie die Instrumentalisierung über Bläser, Streicher - selbst die hohen, gegen den Rest des Orchesters gebürsteten Anschläge des Klaviers sind eine vertraute Konstante. Mal versteckt er das Grauen im scheinbar Wunderschönen, kurz darauf zittert und tobt das wütende Orchester. Oft treiben schnelle, sehr kurz gestrichene oder geblasene Instrumente in knappen Wiederholungen disharmonische Melodien an. Immer wieder fallen die Instrumente in ihren eigenen Rhythmus ein, unterbrechen den Lauf der Musik. Das Orchester gerät ins Stolpern, fängt sich wieder und erzeugt so einen Aufruhr, der das Unbehagen im Angesicht der Angst treffend beschreibt. Kopie hin oder her: Mit Dead Space 2 wächst Graves über sich selbst hinaus. Die filigrane Brillanz des »Originals« erreicht er natürlich nie. Gleich im ersten Titel, »Welcome to the Sprawl«, scheppert das Klavier recht unbeholfen im Vordergrund. Goldenthal missbraucht das Orchester mit sanften Händen - Graves tut ihm weh. Der Spielekomponist wiederholt sich zudem; über die Dauer des Albums droht seine kraftvolle Musik sogar beinahe auszubluten.

Der menschliche Horror

Er komponiert allerdings herausragende Höhepunkte, die dem geschundenen Protagonisten Isaac sensible Atempausen spenden. Dessen Thema ist seine große Stärke, denn anders als im Vorgänger arrangiert Graves nicht offensichtlich, sondern hält sich gekonnt zurück. Cellos stimmen die traurige Melodie zunächst an, Violinen begleiten sie fast unscheinbar. Bässe nehmen die Musik auf, halten inne, die Streicher beginnen leise zu zittern -

Grundlage unserer Besprechung

... ist die zum kostenpflichtigen Download erhältliche Version. Diese unterscheidet sich gravierend von dem Soundtrack, welcher der Dead Space 2 Collector's Edition beiliegt.

So finden sich ganze 13 Stücke nur auf der dem Spiel beiliegenden Fassung, neun sind hingegen Download-exklusiv. Eine Verkaufspolitik, die Musikfreunde mehr traktiert als belohnt!
erst jetzt schwillt sich das Orchester behutsam an. Ein sehr guter Einstieg, den Graves  später variieren und entwickeln wird; »Canonical Aside« und das abschließende »Lacrimosa« seien genannt. Er verlässt sich fast ausschließlich auf den erdigen Ton von Cellos und Bässen - die Seele des Protagonisten wird so viel plastischer als im Vorgänger.

Die zweite Stärke des Briten ist sein Spannungsaufbau. Auch hier ist das unbehagliche Krabbeln eines Aliens, das in jeder Ecke lauern könnte, nicht immer unmittelbar greifbar. »Say Hello to My Litte Friends« etwa beschreibt das langsame Heranrücken einer Gefahr recht einförmig, so dass Spannung nicht im Unerwarteten droht, sondern durch die Lautstärke des Orchesters angezeigt wird. Auf der anderen Seite komponiert Graves aber Stücke wie »I Only have Eyes for You« oder das großartige »The Cassini Towers«. Der abwartende Rhythmus und die unvorhersehbare Entwicklung des ersten verbreitet einen wunderbar unbequemen Gemütszustand. Im zweiten lässt er sich hingegen viel Zeit, um mit befremdlichem Glockenspiel, flüsternden Stimmen, gezerrten Geräuschen und einem aggressiven Klavier ein gewaltiges Unheil anzukündigen. Solche außergewöhnlichen Momente sowie der behutsame, wehmütige Ausklang von Isaacs Leidensweg in den zwei abschließenden Stücken machen Dead Space 2 zu einem der stärksten Horror-Soundtracks in der Geschichte der Videospiele.

Graves ist kein kompositorischer Feinmotoriker. In lauten Momenten lässt er das Orchester wüten, anstatt bedacht mit den Instrumenten zu spielen und er wiederholt sich oft. Auch weil Dead Space 2 in jedem Atemzug seine Wurzeln in der Alien 3-Musik Goldenthals preisgibt, fehlt ihm deshalb die Eigenständigkeit ganz großer Werke. Allerdings beherrscht Graves das Spiel mit dem Horror inzwischen so gut, dass seine Musik prägend für den Terror in Videospielen ist. Sie wandelt selbstsicher zwischen  menschlichem Schicksal und grässlichen Offenbarungen. Gefühlvoll blickt Graves ohne überflüssiges Brimborium in das Herz des Protagonisten. Unvorhersehbar variiert er Instrumentengruppen und Rhythmen, lauernden Grusel und erschreckenden Albtraum. Die laute Disharmonie des Scheußlichen beherrscht er ebenso wie die stille Schönheit der Seele. Ein Meisterwerk ist Dead Space 2 noch nicht - womöglich aber der Beginn von etwas Großem.

Einschätzung: sehr gut

Kommentare

Shiro. schrieb am
Muss ich jetzt doppelt Geld hinlegen?! Erst für die Collector und dann noch mal bei iTunes?! Was soll das, EA?
4P|Benjamin schrieb am
Auf dem CE-Soundtrack sind insgesamt 18 Stücke drauf, 13 davon nur auf der CE und nicht auf der außerhalb veröffentlichten Fassung.
Ben
keldana schrieb am
Hmmm ... also bei amazon.de hat der Soundtrack 14 Stücke, wenn auf der CD in der Collectors aber 13 drauf sind, warum sind dann 9 Stück Download-exklusiv ???
schrieb am