Prächtiges Abenteuer
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Flucht vor dem Feuer: Die Burg brennt ab und Nathan muss über morsches Holz schnell raus! |
Vor allem, weil es nach der Suche im dunklen Museum hinaus auf in die grellen Gassen von Cartagena geht, in der Blumen und Stoffe, Obsthändler und Passanten für bunte Farbtupfer sorgen. Nicht nur das Interieur, auch die Architektur und die Abschnitte unter freiem Himmel wissen mit ihren liebevoll designten Kleinigkeiten zu begeistern. Doch als man als kleiner Junge dem mysteriösen Sully folgt, ahnt man noch nichts von der Pracht, die einen über 22 Kapitel noch in Frankreichs verwunschenen Wäldern, Syriens düsteren Festungen und vor allem Afrikas sonnenheißer Wüste erwartet - freut euch auf vermeintlich schnöden Sand, der allerdings noch nie so körnig visualisiert wurde. In dieser frühen Verfolgungsszene lernt man die Schleichelemente kennen, denn Nathan kann wie gehabt auf Knopfdruck Deckung suchen und innerhalb dieser geduckt weiter pirschen. Aber er kann noch mehr.
Später ist diese subtile Herangehensweise überaus nützlich, wenn man frühe Schussgefechte vermeiden will: Man kann Feinde bei der leisen Annäherung von hinten oder aus der Deckung heraus direkt ausknocken, indem man sie in Abgründe zieht oder umgehend bewusstlos schlägt. Falls man eine Etage höher lauert, gibt es sogar an Batman erinnernde Takedowns – Nathan springt inklusive direktem Knockout auf seinen Gegner. Ganz so ausgefeilt wie in klassischen Schleichabenteuern ist das alles natürlich nicht, zumal Wachen bewusstlose Kollegen entdecken, die man leider nicht wegzerren kann. Aber wer es darauf anlegt, kann ganze Areale ohne einen Schuss säubern; eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorgänger. Obwohl Naughty Dog auch bei den erstklassigen Animationen des Helden nochmal zugelegt hat, wirken manche Bewegungen etwas zu störrisch – da wedelt Nathan bei einfachen Schwenks schon mal mit den Armen, hopst übertrieben nervös oder bleibt plump hinter seinen Kollegen hängen.
Indiana Jones lässt grüßen
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Willkommen auf dem Schiffsfriedhof: Hier muss Nathan gegen schwer bewaffnete Gangster kämpfen und darf erstmals tauchen.
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Im ersten Drittel des Abenteuers freut man sich bereits über die ein oder andere Wendung und wird richtig neugierig gemacht: Warum brauchte Sir Francis Drake satte sechs Monate von England bis Indochina? Welchen Auftrag führte er für die Königin aus? Hat er einen Zwischenstopp in Afrika gemacht? Was hat es mit dieser Dechiffriermaschine auf sich? Und was hat Lawrence von Arabien mit alle dem zu tun? Die Story punktet mit ihrem Indiana Jones-Flair, interessanten Hintergründen zu Nathans Vergangenheit und hervorragenden Zwischensequenzen, die mit ihren knackigen Dialogen bei unheimlich natürlicher Mimik und Gestik nahtlos in Spielgrafik übergehen. Sie gefällt mir besser als im Vorgänger, auch weil über den neuen Charakter Charlie mehr Bewegung in die Gespräche kommt. Wer kinoreife Unterhaltung sucht, wird hier in nahezu jeder perfekt abgestimmten Szene fündig.
Natürlich werden eher Popcorngreifer als Oskarsucher mit all den Bösewicht-Klischees, der Gentleman-Komik und typischen Wendungen bedient, aber die Geschichte unterhält. Das einzige Manko: Es gibt einige plumpe Überleitungen von Schauplatz zu Schauplatz – gerade war man noch zu viert in Frankreich, plötzlich ist man zu zweit in Syrien unterwegs. Gerade sucht man noch nach einem uralten Eingang und nach einer Verfolgungsjagd heißt es lapidar: „Wir sind direkt in den Geheimgang gestolpert!“ Etwas seltsam mutet auch an, dass der rüstige, aber doch schon ergraute Sullivan dem jungen Nathan immer so agil über Abgründe und Steilwände hinterher hüpft. Schön ist inhaltlich, dass seine Freundschaft zum Helden näher beleuchtet wird. Und die deutsche Lokalisierung ist (bis auf die eine oder andere Frauenstimme) klasse, überzeugt sowohl mit ihren markanten Sprechern als auch sauber übersetzten Texten. Wer es internationaler mag, wechselt auf eine der anderen knapp einen Dutzend Sprachen von Englisch bis Spanisch oder Italienisch.