Vom Bett zur Belagerung
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Für ein Techtelmechtel ist der Hexer immer zu haben - und sie werden für ein Videospiel hervorragend inszeniert. |
Ein Kerker, ein Verhör, danach gespielte Rückblicke?
The Witcher 2 fängt fast genauso an wie
Dragon Age II: Der Hexer wird für irgendetwas Rätselhaftes von einem Mann namens Vernon Roche angeklagt und muss sich in Ketten gelegt rechtfertigen, bevor ich das Erzählte spielen kann. Aber im Gegensatz zu BioWare nutzt CD Project RED diesen dramaturgischen Kniff nur für den Prolog, denn ab dem ersten Akt spielt man nicht mehr die Vergangenheit, sondern die Gegenwart des Hexers. Und im Gegensatz zu den Kanadiern inszenieren die Polen den erinnerten Einstieg ausgezeichnet.
Gerade lag ich noch neben einer rothaarigen Schönheit, strich sanft über ihre Hüfte und dachte mir: So eine schwierige Szene gleich zu Beginn? Aber der Morgen danach wirkt alles andere als videospielbillig – und die Frau auf dem Bett schon gar nicht: Triss Merigold ist eine etwas mehr als vertraute und überaus reizvolle Magierin. Jetzt spaziere ich als ihr Liebhaber und vernarbter Hexer durch ein Heerlager, an Soldaten und Zelten vorbei. Die Burg des abtrünnigen Lords La Valette wird gerade belagert, riesige Triboke knarzen und Männer exerzieren in voller Rüstung – das sieht alles richtig gut, lebendig und authentisch aus.
In Diensten des Königs
Ich bin Geralt von Rivia, stehe in Diensten von König Foltest und soll umgehend zu ihm kommen, wie mir ein idiotischer Spanner von Soldat vorhin mitteilte. Gehe ich direkt hin oder schnappe ich noch eine Nebenquest auf? Unterwegs fragt mich z.B. jemand, ob ich nicht ein seltsames Medaillon untersuchen könnte. Das bleibt mir überlassen. Allerdings hat die Annahme dieses Auftrags später Konsequenzen – wie so vieles in diesem Abenteuer voller Entscheidungen. Davon ahne ich noch nichts und schaue mich weiter um, sammle hier ein Kraut ein oder spreche da Soldaten an.
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Zu Beginn ist man mit König Foltest unterwegs - klasse Charakterdesign, klasse Sprecher. |
Im Englischen fühlt man sich dank schauspielerisch überzeugender Sprecher, schottischer Akzente und altertümlicher Redewendungen umgehend im Mittelalter. Ich bin gespannt, ob man das auch in der deutschen Lokalisierung meistert. Nicht jeder lässt sich auf ein Schwätzchen ein, aber wenn, dann sind die Gespräche derb, direkt, manchmal sarkastisch, wenn auch nicht so verschachtelt wie in
Dragon Age: Origins. Wenn man nach dem Heerlager in die erste Stadt kommt, darf man sich auf mehr brisanten Gesprächsstoff, verschrobene Charaktere sowie hervorragend inszenierte Quests und Dispute freuen. Wie setzt man sich für zu Tode Verurteilte ein, die schon fast am Strick hängen? Wählt man Volkes Stimme oder singenden Stahl?
Die Entwickler verzichten übrigens darauf, dem Spieler die Tragweite seiner Antworten über farbige Markierungen abzunehmen – man muss schon genau lesen. Schön ist auch, dass das Dialogsystem ab und zu à la
Alpha Protocol mit Zeitdruck für die Antwort oder der Möglichkeit, direkt Gewalt auszuüben, für Spannung sorgt. Aber Vorsicht: Wer einfach zuschlägt, kann auch schnell das Game Over sehen. Auch diese tödliche Konsequenz gehört zu den Stärken des Abenteuers.