Das Beste aus zwei Welten?
Wie in
Silence: The Whispered World 2 rätselt der Spieler inmitten einer 3D-Kulisse, auf die aber große detailreiche Zeichnungen projiziert werden. Die verwendete Technik soll einen fließenden Comic-Stil ermöglichen – ohne die optischen Brüche, die in Cel-Shading-Kulissen entstehen. Hier werden nicht viele kleine Texturen auf Polygone gelegt, die nicht immer ideal zueinander passen. Stattdessen wird eine große Zeichnung über das räumliche Drahtgitter gelegt und so lange „zurechtgezurrt“, bis das Ergebnis aus allen Blickwinkeln ansprechend aussieht. Im Gegenzug sind nur kleine Kameraschwenks möglich, doch das Ergebnis sah bei der ersten Präsentation schon ansehnlich aus – sogar feine Pinselstriche sind zu erkennen. Ganz so leuchtend und farbenfroh wie in The Whispered World 2 wirken die Hintergründe zwar nicht, das würde allerdings auch nicht zur ernsteren Krimi-Atmosphäre passen. Im Gegensatz zum Fantasy-Abenteuer laufen hier aber leider nur zweidimensionale Figuren umher. Geleitet wird die Entwicklung übrigens von Kevin Mentz, der bereits der DSA-Serie zwei ruhige Rätselspiele bescherte (Satinavs Ketten und Memoria).
Die Geschichte versetzt den Spieler ins Jahr 1871: Nach einer Weltausstellung verfällt die einst dafür genutzte Hälfte der fiktiven Stadt immer mehr, während der obere Teil der englischen Klassengesellschaft es sich auf der anderen Seite gut gehen lässt. Auch die zwei spielbaren Protagonistinnen sind sehr unterschiedlich: Das Spiel beginnt mit der 20 Jahre jungen verängstigten Adelaide Spektor, welche von ihrem Vater im Stich gelassen wurde und in den Trümmern des Ausstellungsgeländes einen Unterschlupf gefunden hat. Den Sinn für kriminalistische Ermittlungen hat sie aber von ihrem Vater Karol geerbt. Er war in der Stadt bis zum Verschwinden als berühmter Detektiv tätig.
Zwei wie Feuer und Wasser
Fast wie gezeichnet und doch in 3D...
Als sie Zeuge eines Mordes an einem alten Freund ihres Vaters wird, versteht sie das Unglück als Chance, Karol wiederzufinden und ihren alten gut situierten Platz in der Gesellschaft zurückzuerlangen. Um dem Mörder auf die Schliche zu kommen, muss sie wohl oder übel mit Emily zusammenarbeiten. Sie stellt das krasse Gegenteil zu ihrer Persönlichkeit dar: Die zweifache Mörderin agiert als rechte Hand eines skrupellosen Gangsterbosses. Zusammen befehligen sie die „Colony“, die größte Gang der Stadt, welche die Bewohner regelmäßig in Angst und Schrecken versetzt. Für noch mehr Aufruhr sorgt natürlich die Mordserie: Nacheinander werden mehrere Wissenschaftler des Geheimbundes „The Devil’s Men“ umgebracht. Die Opfer hatten offenbar auch keine weiße Weste: Den Gerüchten nach veranstalteten sie mit Hilfe der Alchemie eine Reihe unheimlicher Experimente.
Der Steampunk-Einschlag soll sich übrigens nur sehr dezent im Design des Spiels bemerkbar machen – es stehen nicht an allen Ecken und Enden monströse Dampfmaschinen oder dergleichen herum. Um das Design der Charaktere kümmert sich Simone Kesterton, die auch viele Figuren in Deponia entworfen hat.
Knifflige Entscheidungen
...die Kulissen nutzen die gleiche Grafik-Engine wie Silence: The Whispered World 2.
Ähnlich wie
1954: Alcatraz (Wertung: 63%) legt das Spiel seinen Fokus auf verschiedene Entscheidungen und Abzweigungen, welche schließlich in einem von zwei alternativen Abschlüssen münden. Immer wieder muss sich der Spieler entscheiden, welcher Protagonistin er helfen möchte. Der Vorteil für eine der beiden bedeutet fast immer auch einen Nachteil für die andere: So kann man z.B. gewaltsam mit einem Brecheisen eine Kellertür aufbrechen oder stattdessen einen der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Dietriche benutzen. Das Brecheisen spart zwar Ressourcen, Einbruchsspuren könnten aber für Verdachtsmomente sorgen.
Wenn Adelaide später den Tatort mit Inspektor Gottman untersucht, kann sie einen Hinweis auf Emily verschwinden lassen, was die Beziehung zur Polizei verbessert. Im Gegenzug muss sie aber auf eine nützliche Schlussfolgerung vom Inspektor verzichten, welcher ihr bei der Suche nach den Mördern auf die Sprünge geholfen hätte. Das Inventar soll in etwa mittelgroß ausfallen. Die Entwickler wollen den Schwierigkeitsgrad offenbar eher niedrig ansetzen: Statt zu viele Kombinationen zuzulassen, gibt das Inventar-System Hinweise auf sinnvolle Verbindungen.