R? X? Egal!
Auf den ersten Blick hat sich in Hotline Miami 2 (HM2) nichts im Vergleich zum Vorgänger getan. Die 16-Bit-Pixelkunst erinnert nach wie vor an die ersten GTA-Teile und wird wie gehabt konsequent genutzt, um die comichafte, aber kompromisslose Gewalt ins Zentrum zu rücken. Mechanisch sucht man Neuerungen anfangs ebenfalls vergebens: Man nutzt Türen, um dahinter postierte Gegner kurzzeitig zu Boden zu schicken, wo man sie mit einem Finisher aus dem Verkehr zieht - sofern man nicht von deren Kumpanen bemerkt wird. Man kann Kontrahenten markieren, so dass man sie immer im Visier hat - Sichtlinien müssen natürlich beachtet werden, auch wenn die Knarre hier und da mal durch die Wand clippt. Man kann die fallen gelassenen oder herumliegenden Waffen nutzen und im Zweifelsfall auch als Projektil gegen den Schädel der Feinde schmettern. Ergebnis: Sie fallen zu Boden. Finisher. Finito. Der Nächste bitte. Je abwechslungsreicher, schneller und effektiver man sich durch die clever designten Levels pflügt, umso mehr Punkte gibt es in der Endabrechnung der großzügigen 25 Abschnitte.
An der stylischen Pixel-Kulisse lässt sich nicht ablesen, welchen Teil man vor sich hat. In diesem Bereich hat sich wenig getan.
Und natürlich wird die R-Taste bzw. X auf PlayStation-Systemen wieder zum besten Freund werden. Denn wie man es von Teil 1 kennt, ist der im weitesten Sinne als Twinstick-Ballerei/Action-Puzzler-Mix zu kennzeichnende Ausflug in das Gangstermilieu von Miami gegen Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre mit seinem Trial&Error-Ansatz ein Spiel, das fordert. Teilweise bis zum Frust. Und manchmal sogar noch einen Schritt weiter. Der ohnehin schon knackige Schwierigkeitsgrad, der einem kaum Fehler verzeiht, wurde nochmals gestrafft. Allerdings nicht dadurch, dass die Gegner intelligenter agieren - ganz im Gegenteil. Man kann ihr Intelligenz-Defizit auch ausnutzen, indem man sie durch laute Geräusche anlockt und einen nach dem anderen erledigt, wenn sie z.B. wie an der Schnur gezogen durch eine offene Tür laufen. Doch die feindlichen Gruppen haben nicht nur numerisch zugelegt, um einem das Leben schwer zu machen. Sie laufen auch mittlerweile nicht mehr stur auf ihren vorgegebenen Wegen. Von dieser Kategorie gibt es zwar immer noch genug, doch man findet auch viele Kontrahenten, die zufällig auf den großen, häufig mehrstufigen Karten patrouillieren und die einen immer wieder aus einer unvorhergesehenen Richtung unter Beschuss nehmen. Und man darf sich auf durchgeknallte Bosse freuen, deren Ableben immer wieder ganz besonders aufwändig zelebriert wird.
Hart, aber fair
Trotz interessanter Story bleibt die Inszenierung spröde.
Dennoch gelingt Dennaton das Kunststück, dass Hotline Miami 2 trotz aller Frustmomente, in denen man geneigt ist, die Kontrollgeräte quer durch den Raum zu feuern, fair bleibt. Das Spiel ist nicht schuld daran, wenn die Gegner einen durch die Scheiben ins Visier nehmen. Es kann auch nichts dafür, wenn man im Eifer des Gefechts das Magazin leert und für den nächsten anrückenden Feind keine Munition mehr hat. Es liegt nicht am Spiel, wenn man nicht das Anvisieren nutzt, in einem Moment hektischer Panik die Maus (oder den Stick) verreißt und damit den geleerten Schießprügel zielsicher am Kontrahenten vorbei schmeißt. Auch wenn man mit einem Messer oder einem Baseball-Schläger zur Schießerei kommt und danach in einer Lache grellen Pixelblutes verendet, kann man die Schuld nur bei sich selbst suchen. Wer das Kläffen ignoriert und plötzlich einen Dobermann an der Kehle hat, darf auch nur sich verfluchen - um dann die Zähne zusammenzubeißen, R zu drücken und einen erneuten Anlauf zu unternehmen. Und noch einen. Und noch einen. Noch. Einen. Weiteren. Verdammt. Bis man es geschafft hat. Mitunter mit etwas Glück. Aber dennoch mit der Gewissheit, dass einen Gedächtnis und Reflexe nicht im Stich gelassen haben. Sehr schön.