Von London nach Japan
Der Einstieg im Tower of London gehört allerdings nicht zu den Stärken des Spiels. Der Abschnitt wirkt dramaturgisch unausgegoren und fängt nahezu grotesk an, als man sich als halbnackter Gefangener mit Tritten und Schlägen gegen eine poröse Mauer aus seiner Zelle befreit. Danach erledigt man mit den erbeuteten Waffen eine Wache nach der anderen und macht trotz möglicher Gegnerfixierung erste Bekanntschaft mit der nicht immer optimalen Kameraperspektive. Aufgrund der weißen Mähne samt Zopf fühlt man sich unweigerlich an den Hexer erinnert - nur dass man ganz gewöhnliche blaue Augen hat. Aber der Held samt seiner Herkunft und Motive wird in der ersten Stunde kaum charakterisiert, so dass die Identifikation noch schwer fällt.
Man hat in der Charakterentwicklung sowie Ausrüstung zig Möglichkeiten, seinen Helden zu optimieren.
Nioh entführt in das Japan des späten 16. Jahrhunderts, in die kriegerische Zeit vor der Schlacht von Sekigahara, in der Tokugawa Ieyasu zum Shogun ernannt wurde, das zerstrittene Land einte und die Edo-Periode einläutete. Man spielt offiziell den englischen Seefahrer William Adams (1564 - 1620), der als erster westlicher Samurai gilt und auch als "Miura Anjin" bekannt ist. Noch bekannter ist seine Biographie dank Richard Chamberlain, der ihn als "John Blackthorne" in den 80er Jahren in der Fernsehserie Shogun verkörperte.
Schutzgeist in Nöten
Team Ninja strickt jedoch eine alternative Geschichte um diesen Mann, verwebt ihn mit einer äußeren Bedrohung, die dem alten Japan aus Europa schaden will. In England hat man scheinbar ein großes Interesse daran, dass die blutigen Kriege der Samurai nicht aufhören, denn nur so
Man begegnet u.a. nach Hauptaufträgen meist einigen Charakteren, die Missionen parat haben.
kann man das magische "Amrita" ernten und für seine Zwecke missbrauchen. Schließlich soll dieses Element Kräfte entfesseln können, die im eigenen Krieg gegen Spanien nützlich sein könnten. Aber durch die vielen Toten wird auch das Gleichgewicht zwischen den mythischen Kräften in Japan gestört, so dass Dämonen ("Yokai") aller Art in die Welt der Lebenden eindringen. Das ist die durchaus interessante pseudohistorische Grundlage für das über 70 Stunden folgende Fantasy-Abenteuer.
Und selbst wenn der Einstieg oberflächlich wirkt, zeigt sich hier schon ein folkloristisches Leitmotiv: Man bekommt Hilfe von einem weiblichen Schutzgeist. Auf seiner Flucht aus dem Tower gibt sie nützliche Hinweise und man erfährt zum ersten Mal in einem kleinen Bosskampf gegen einen diabolischen Kapuzenmann was es heißt, seine Waffe über diesen Schutzgeist zu beleben und ihre zerstörerische Macht einzusetzen. Doch die charmante Elfe wird gefangen genommen und nach Japan entführt - also muss man natürlich hinterher segeln, die mystische Maid aus ihre Not befreien und das ferne Land befrieden. Könnte man an dieser Stelle noch versucht sein zu gähnen, weil das weder erzählerisch noch spielerisch besonders packt und die Bosse viel zu leicht fallen, zeigt sich an der Küste Japans das wahre, unheimlich vielfältige Gesicht von Nioh.