Eine Klasse unter Sekiro
Denn trotz dieser lobenswerten Elemente wirkt die Welt mit ihren künstlichen hüfthohen Grenzen, die der Held nicht überklettern darf, deutlich statischer als jene in Sekiro, in der man über den Greifhaken natürlich eine ganz andere vertikale Dynamik spürte, besser integrierte Schleichelemente in der Landschaft nutzen konnte und in der es mehr sowie größere Patrouillen gab, deren Wege man auskundschaften konnte. Hier verharren viele Feinde an bestimmten Plätzen, aber dennoch ist es schön, dass man auch diese umgehen kann, zumal gerade all jene, die Ninja-Fähigkeiten entwickeln, auch lautlos und unbemerkt vorgehen können. Es gibt kleine Verhaltensfehler, dass z.B. manche Feinde an Leitern verharren, sich dumm ins Feuer begeben oder Yokai unbedrängt in die Tiefe hüpfen, so dass man sich aus der Höhe auf sie stürzen kann.
Auf einer Japankarte wählt ihr die nächste Mission.
Auch die Technik muss Federn lassen: Zwar ist es lobenswert, dass man auf der PlayStation 4 Pro selbst mitten im Spiel zwischen einem Actionmodus für eine höhere Bildrate bei 60fps sowie hübscherer Kulisse bei 30fps wählen kann - auch eine dynamisch wechselnde Variante ist aktivierbar. Aber selbst im Actionmodus läuft es nicht immer ganz sauber und auch im Grafikmodus hat die Engine ihre Probleme mit hässlichen Flackerschatten sowie einigen Texturen; manche Ecken in Dörfern oder bei Herrenhäusern wirken sogar fade. Die Sichtweite ist in Ordnung, es gibt einige idyllische Ausblicke, vor allem die Ausrüstung einiger einzigartiger Waffen und Panzer sieht sehr gut und das Monsterdesign sowie die Verwandlungen sehen sogar klasse aus. Aber so richtig beeindruckend wirkt die Landschaft nicht - da hat man auf der PS4 schon Besseres gesehen.
Zu viel Beute, überflüssiger Schmied
Wo bin ich? Manche Yokai verschlingen einen mit Haut und Harren...
Die große Stärke von Nioh 2 ist einerseits die Freiheit in der Charakterentwicklung, andererseits diese Fülle an Waffengattungen und Manövern. Auch das Experimentieren mit den Seelensteinen für die Yokai-Fähigkeiten macht richtig Laune. Und was ich bisher gar nicht erwähnt hatte: Das weitere Verbessern von Ki-Regeneration, Heilrate sowie zig Yokai-Fähigkeiten durch das Investieren von Punkten, die man für zwei getrennt berechnete Ränge im Kampf gegen Menschen (Ungyo) sowie Dämonen (Angyo) erhält. Dabei geht es zwar meist nur darum, eine gewisse Anzahl an Feinden auf spezielle Art erledigt zu haben, aber so verbessert man ebenfalls permanent einige wichtige Werte!
Die Komplexität oder das Freischalten über zig Aktionen ist nicht das Problem. Allerdings hat es Team Ninja bei der Beute erneut maßlos übertrieben, denn es kommt zu einem ständigen Tausch: Man findet so viele Klingen, Rüstungen, Gegenstände, Zutaten & Co, dass das Inventar fast im Minutentakt mit neuem Kram in vier Seltenheitsstufen von Weiß bis Lila gefüllt wird und man letztlich weit scrollen muss, um den Überblick zu behalten. Zwar gibt es komfortable Sortier- und Vergleichsoptionen, außerdem freut man sich natürlich darüber, dass man so viel davon an Schreinen gegen göttlichen Reis und den wiederum gegen sehr nützliche Dinge tauschen kann - also: der spielinterne Wirtschaftskreislauf funktioniert. Motivierend sind auch seltene Sets, die je nach Anzahl der getragenen Teile (Fuß, Hüfte, Körper, Arme, Kopf) besondere Boni freischalten.
Die Haltungen tief, mittel und hoch sind immer noch wichtig.
Aber die Ausschüttungsrate erinnert an Diablo, man grast quasi ständig Beute ab und wechselt seine Waffen. Dabei war für die Samurai dieses eine Schwert heilig! Das hatte man ein Leben lang - und weiter vererbt. Nicht falsch verstehen: Das ist natürlich kein Kritikpunkt am Abenteuer an sich, zumal man die Anzeige der Beute in den Optionen auch auf Seltenheitsstufen reduzieren kann, aber es soll dieser absurden Durchflutung auch mal den Spiegel vorhalten. Selbst in Sekiro wechsle ich ja die Klingen, aber nur nicht so oft. Und als ich endlich den Schmied freigeschaltet hatte, wirkte das - im Gegensatz zur Soulsreihe mit ihrem besseren Veredlungsprinzip - alles irgendwie überflüssig: Obwohl ich da theoretisch ganz neue Klingen und Rüstungen in allen Seltenheitsgraden erstellen, dazu alte kombinieren und stärken kann, brauchte ich das nicht wirklich. Warum? Weil ich zu dem Zeitpunkt schon mächtige Waffen mit maximaler Vertrautheit hatte, mit denen ich sehr gut zurechtkam - bis es irgendwo und irgendwann die nächsten coolen Klingen gab.
Man darf ja auch nicht vergessen, dass man im Kampf gegen die roten Seelengeister recht früh starke lila Klingen sowie Helme etc. erbeuten kann. Zwar sind diese Gegner sehr garstig, weil sie auch kontern, sich heilen und einen umgehend nach der Beschwörung verfolgen, aber letztlich kann man sie doch recht einfach besiegen, wenn ihr Level nicht all zu weit über dem eigenen liegt. Hinzu kommen irgendwann die legendären, teils verfluchten Yokai-Waffen, die nicht nur Vertrautheit entwickeln, sondern die man quasi mit Macht aufladen kann, bis sie glühen - man erhält sie fast parallel zur Freischaltung des Schmieds, so dass seine Dienste überflüssig erscheinen. Wer braucht Meister der Anfertigung, wenn es so viele Waren gibt?
Kooperatives Gemetzel
An Schreinen kann man sich heilen, aufsteigen und tauschen.
Schon in Nioh konnte man kooperativ zu zweit online spielen, was allerdings zu einem recht leichten Gemetzel ausartete und nicht besonders spannend war. Diesmal bietet Team Ninja zwei Modi, in denen man auch zu dritt losziehen kann, wobei man mehr und stärkeren Feinden begegnen soll, was ich aber nicht immer nachvollziehen konnte. Dafür müsst ihr übrigens in eurer Hütte sein, die ihr nicht direkt aus dem Hauptmenü, sondern nur nach erfolgreich abgeschlossenen Missionen auf der Karte betreten könnt, ebenso wie übrigens das Dojo für Tutorialkämpfe oder Galerien zum Betrachten der Yokai.
Alle Werte haben multiple Auswirkungen.
Über die Torii-Pforte öffnen sich die beiden Online-Modi "Expeditionen" und "Zufallsbegegnungen", wobei ihr Letztere erst freischalten müsst. Ihr könnt in den Expeditionen entweder über eine Schnellsuche beitreten oder selbst einen Raum erstellen, dabei die Mission aussuchen (muss vom Host freigeschaltet sein) und zwei Fremde oder Freunde samt Passwort für privates Spiel einzuladen. Das funktioniert auch komfortabel.
Neu ist eine blaue Helfen-Anzeige, die für das gesamte Team quasi eine begrenzte Wiederbelebungsenergie darstellt und die bei jedem Tod sinkt. Man kann sich bei genug Energie selbst auferstehen lassen oder, was besser für das Auffüllen der Anzeige ist, von einem Freund an Ort und Stelle geheilt werden. Sehr sinnvoll ist übrigens, dass alle eigene Beute sammeln und dass es auf dem Weg zum Boss kein Game Over für alle gibt, wenn einer stirbt - so kann auch der letzte Überlebende des Trios für alle den Sieg einfahren.