Vorschau: The Last of Us Part 2 (Action-Adventure)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: Sony
Release:
19.06.2020
19.01.2024
Erhältlich: Digital (PSN), Einzelhandel
Spielinfo Bilder Videos
Von der Gejagten zur Jägerin

Ellie muss ähnlich wie ein Sam Fisher oder Solid Snake geduldig sein, abwarten und sich eine Taktik überlegen, während ihre Häscher manchmal nur wenige Meter entfernt sind. Aber die 19-jährige ist keine leichte Beute, sie kann den Spieß umdrehen: Sie hat schon so viel erlebt, so viel Schreckliches gesehen und ist mittlerweile nicht nur vom Teenager zur toughen Erwachsenen gereift, sondern auch mit vielen Waffen trainiert, die sie alle modifizieren kann; hinzu kommen Fähigkeiten wie Überleben, Tarnung oder Präzision, die man im Laufe des Spiels in linearen Talentbäumen weiter entwickeln kann. Auch wenn sie schmächtig wirkt, ist sie sehr agil, kann über L1 flink im Nahkampf ausweichen und was noch viel wichtiger ist: Sie hat selbst einen Killerinstinkt entwickelt. Und sie kennt im Kampf keine Skrupel.

Aus dem Liegen heraus kann Ellie noch feuern.
Aus dem Liegen heraus kann Ellie noch feuern.
Man fühlt sich fast wie im Dschungel eines Metal Gear Solid, wenn man im Unterholz lauert, Patrouillen beobachtet und mit Flaschenwürfen oder Rauchbomben für Ablenkung sorgt, wenn man selbst mit dem Bogen schießt oder Sprengfallen legt - die Kulisse erreicht dabei allerhöchstes Niveau, was Spiegelungen, Verwehungen, Nässe, Rauch oder andere Partikelelffekte angeht. Und wer die Pferde in Red Dead Redemption 2 cool fand, sollte sich diese Rösser mal genauer ansehen - die wirken nochmal realistischer. Man kann übrigens einen von fünf Schwierigkeitsgraden jederzeit festlegen und sogar einzelne Bereiche wie Gegner oder Tarnung noch kniffliger gestalten; mehr dazu im Test, aber "normal" wirkt jetzt anspruchvoller.

Denn selbst wenn Ellie als Killermaschine natürlich stark überzeichnet wird, muss sie unheimlich aufpassen, im Idealfall mit einem Wurf ins Gesicht erstmal Feinde irritieren, besser noch leise töten und im Zweifel einfach fliehen oder umgehen. Es gibt zudem einige sehr gelungene Horror-Momente, vor allem in den labyrinthischen Gebäuden, in denen man die Beine auch deshalb gerne in die Hand nimmt, weil da groteske Kreaturen im Dunkeln lauern, die einem trotz Schrotflinte und Molotow-Cocktail so richtig Angst einjagen können. Der Regie gelingt es nicht nur, die Spannung über subtile Reize von der bizarren Schmiererei an der Wand über seltsame Geräusche langsam aufzubauen. Sie sorgt auch immer für wichtige Ruhephasen, in denen man deutlich akrobatischer als im ersten Teil die angenehm verwinkelten Schauplätze erkunden, kleinere physikalische oder mathematische Rätsel lösen und Geheimnisse entdecken kann.

Die Fratze der Gewalt

Im Nahkampf geht es zur Sache: Aber Ellie kann per L1 flink ausweichen.
Im Nahkampf geht es zur Sache: Aber Ellie kann per L1 flink ausweichen.
Aber so elegant man auch schleichen und täuschen kann: Die Fratze der Gewalt lässt nicht lange auf sich warten. Wenn sich Ellie von hinten nähert und auf Knopfdruck töten will, sieht man keinen sauberen Schnitt, sondern ein Anspringen, Niederringen und Abstechen, das all die Anstrengung hinter dem Töten visualisiert. Naughty Dog hält die Kamera voll drauf: Egal ob sich Hunde im Gesicht verbeißen, Verbrannte kreischen, Angeschossene wimmern oder Köpfe nach einem Tritt platzen. Auch der Nahkampf erreicht eine Intensität, die an Condemned erinnert. All das wird erbarmunglos dargestellt, unterstreicht die gnadenlose Realität in einem apokalyptischen Amerika und dürfte bei einigen Spielern für Unwohlsein sorgen - genau das ist das Ziel der Regie.

Noch sind viele Fragen offen, auch die Wirkung der Gewalt im Kontext der Story kann erst final eingeordnet werden.
Noch sind viele Fragen offen, auch die Wirkung der Gewalt im Kontext der Story kann erst final eingeordnet werden.
Mit seinen zombiesk Infizierten, seinen grässlich mutierten Kreaturen und skrupellosen Menschen teilt dieses Abenteuer die brutale DNA mit TV-Serien wie The Walking Dead von Robert Kirkman. In The Last of Us wurde man Zeuge, wie die Zivilisation versank und ein Pilz die meisten Menschen tötete oder in Mutanten verwandelte. In diesem Nachfolger geht es zwar an der Oberfläche schlicht um Rache: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Aber darunter geht es darum, was aus der Menschheit geworden ist: Gibt es so etwas wie Gut und Böse überhaupt noch? Oder sind nicht alle gleich brutal? Rechtfertigt der Zweck alle Mittel? Es gibt reichlich leise Töne und einige klasse Momente zum Reflektieren über diese Gewalt. Dazu tragen markant dargestellte Charaktere und glaubwürdige Beziehungen bei, die weit weg von üblichen Klischee-Figuren für eine authentische Atmosphäre sorgen.
 

AUSBLICK



Das war nur ein kleiner Einblick in The Last of Us Part 2. Dabei habe ich mich nicht nur aufgrund des Embargos auf die situative Spannung konzentriert. Bei all den Diskussionen um die Leaks, die Politik oder die Gewalt ist ein wenig untergegangen, dass hinter diesem Endzeit-Abenteuer eine sehr gute Spielmechanik steckt, die sowohl Elemente aus Shootern als auch Stealth-Action und Survival-Horror vereint. Ich habe aufgrund der dichten Inszenierung und aufmerksamen Gegner-KI jedenfalls einige der spannendsten sowie taktisch coolsten Situationen der letzten Jahre erlebt - und die Hunde heben den Anspruch nochmal an. Naughty Dog hat zudem das Leveldesign und die Akrobatik erweitert, so dass man deutlich mehr Optionen in der Erkundung hat, die sich flüssiger anfühlt. Natürlich sind noch sehr viele Fragen offen, was das Verhalten der Koop-Partner, die Fraktionen, Beziehungen, Crafting, Talentbäume & Co betrifft. Auch Story, Gewalt und Botschaft lassen sich noch nicht final einschätzen. Zudem gibt es einige Kritikpunkte hinsichtlich Sammelei, Waffenabnutzung, Rätselmechanik sowie Figurenverhalten. Aber dieses Spiel macht so vieles so gut, über das ich noch nicht sprechen konnte, dass es nach jetzigem Stand nur darum gehen wird, welchen Award es einheimst. Jeder, der den ersten Teil genossen hat, dürfte voll auf seine Kosten kommen. Und die Kulisse? Könnte vermutlich bei Sonys Next-Gen-Präsentation am Donnerstag dabei sein: Naughty Dog liefert nochmal technische Extraklasse auf der PlayStation 4!

Einschätzung: sehr gut / Fit4Hit

Kommentare

Herschfeldt schrieb am
Soll heute oder morgen der Test erscheinen?
Ich für meinen Teil habe es eben vorbestellt für 59 ? frei Bau. Freue mich drauf. Kaum zu glauben dass der erste Teil von 2013 ist?! Finde den immer noch modern. Ich glaube wegen dem Remaster habe ich mir die PS4 geholt.
TheoFleury schrieb am
Rosu hat geschrieben: ?05.06.2020 17:26 Nachtrag zu meinem Link über die Folgen von der Entwicklung realistischer Gewalt auf Mitarbeiter in Studios:
Gab ein Interview mit Druckmann auf Eurogamer. Auf die Frage ob Naughty Dog in irgendeiner Form Unterstützung für die Mitarbeiter angeboten haben die sich Material von exzessiver Gewalt etc. anschauen mussten um es nach Druckmanns Anspruch zu replizieren hat er geantwortet
There's other people that might be affected by it. And what we've done with this game for the team is to say, look, if there's any content you feel uncomfortable working on with it for a short period of time, a prolonged period of time, there's plenty to do in this game, right? There's plenty of other things to work on that aren't those things. Let's give you the tasks and make you comfortable. At the end of the day we want people that are passionate about what you're doing. That's when they do their best work. If something ever makes them feel uncomfortable, or they're not into it, they're not going to do their best work. We want to craft the best game possible.
Keine Erwähnung von z.B. Psychologen die das Team begleiten. Absolut inakzeptabel mMn wenn das wirklich so ist. Und wenn sie einen haben, hätte man das sicherlich erwähnt bei einer solchen Frage. Mal sehen ob da noch Aussagen dazu kommen, ansonsten bestätigt das leider das Bild was ich von Druckmann bisher habe... Auch die Erwähnung von "passionate" im Kontext von Animatoren die realistisches Aufschlitzen darstellen ist sehr...
Das ist auch so ein Thema was eine Gewerkschaft für Spieleentwickler bei Studios forcieren könnte.

Wieso muss ich gerade an Clockwork Orange denken? :D Ähm :mrgreen:
Die Mitarbeiter wurden wahrscheinlich gezwungen sich gewalttätige Videos anzusehen gegen ihren Willen. Gegenseitig haben sie sich begrapscht und sie sind alle unterbezahlt und es gab nur 30 Minuten Mittagspause. Aber Händewaschen war erlaubt!
Diese Gewalt und Unterdrückung am Arbeitsplatz. Besser wäre es in...
VincentValentine schrieb am
Markhelm hat geschrieben: ?06.06.2020 10:05 Wer sucht es nicht, das Salz in der Suppe bei ND-Spielen.
Als Driveby Troll kannst du dich natürlich sofort angesprochen fühlen
VincentValentine schrieb am
Spoiler
Show
Der Chris hat geschrieben: ?06.06.2020 09:36
VincentValentine hat geschrieben: ?06.06.2020 00:03 wirkt auf mich eher als würdest das Salz in der Suppe suche nur um die These des ach so bösen Druckmans zu unterstreichen
Auf mich wirkt es ja so, als würdest du einfach mal pauschal diese Themen wegdiskutieren wollen, weil es dir nicht in den Kram passt. Denn so eine richtig sinnvolle Aussage mit Themenbezug triffst du da nicht. Du stellst nur die Behauptung in den Raum, dass andere das Salz in der Suppe suchen würden, weil dir die These nicht so richtig gefällt. Ist irgendwie etwas dünn.
Ne absolut nicht - mit der Thematik Crunch oder den Einflüssen von Gewaltdarstellung auf die Entwickler habe ich kein Problem. Eher mit der seit Wochen betriebenen Hexenjagd gegen Druckmann als Gesicht des Crunches, der forcierten Diversität oder Lügen. Vlt habe ich ihn missverstanden, aber auf mich wirkte es als wolle er seine Aussagen wieder so darstellen um eben jene Darstellung seiner Person noch mal zu unterstreichen.
Wenn das der Fall ist, dann entschuldige ich mich auch und war wohl voreingenommen

VincentValentine hat geschrieben: ?06.06.2020 00:03 Er sagt ja selbst, dass es Leute im Team gibt, die das ganz klar unterscheiden können bei der Entwicklung, während diejenigen die das anders aufnehmen und sich unwohl fühlen die Möglichkeit bekommen haben an anderen Bereichen zu arbeiten.
Wer so ein bisschen die Arbeitsbedingungen in der Branche verfolgt hat, dem fällt durchaus schwer zu glauben, dass man irgendwo großartig eine Wahl hätte. Und gerade Naughty Dog geht ja mal ganz vorne weg, was die Arbeitsbedingungen angeht. Also tut mir leid, wenn ich solche Schutzbehauptungen als völlig wertlos bis geradezu lachhaft einstufe. Klar, die Leute haben eine ganz tolle Wahl...immer und die ganze Zeit und vor allem können sie dann auch gerne kündigen und ihre Klamotten packen gehen.
Natürlich hast du keine großartige Wahl - da die Crunch Kultur in der gesamten Industrie...
schrieb am