Ein spielbares Buch?
Beim ersten Anspielen machten sich vor allem zwei Dinge bemerkbar: Im Vergleich zu Daedalics älteren Titeln herrscht ein deutlich ernsterer, erwachsenerer Ton vor und auch spielerisch ist der Titel ein weiterer Schritt weg von vertrackten Rätseln und den klassischen Adventure-Wurzeln des Unternehmens. Die Säulen der Erde wird bewusst als interaktiver Roman betitelt und soll in drei Teilen veröffentlicht werden. Da der Ausgang der Geschichte nicht angetastet wird, hangelt sich die spielbare Geschichte am Handlungsfaden des Vorbilds entlang und lässt dem Spieler nur bei Details Wahlfreiheiten, die z.B. über das Schicksal von Nebenfiguren entscheiden.
Als Ausgestoßene haben es Jack und Ellen nicht leicht.
In einer Zeit blutiger Auseinandersetzungen zwischen Adel, Klerus und einfachem Volk träumt Philip, der junge Prior der fiktiven englischen Stadt Kingsbridge, davon, eine Kathedrale zu errichten. Zusammen mit dem Baumeister Tom Builder, dessen Stiefsohn Jack und der gebildeten Grafentochter Aliena muss sich das Trio gegen allerlei Widerstände behaupten. Die Regie lässt den Spieler abwechselnd in die Rollen der drei Protagonisten sowie zwei weiterer Charaktere schlüpfen. Das angespielte zweite Kapitel startet mit dem „Outlaw“ Jack und macht gleich klar, in welch prekärer Lage er mit seiner Mutter Ellen im verschneiten Wald haust. Ähnlich wie Aloy in
Horizon: Zero Dawn hat auch Jack so gut wie keinen Kontakt zur übrigen Bevölkerung.
Entscheidungen über Einzelschicksale
Seine Mutter hat ihm allerdings das Lesen und diverse Überlebenstechniken wie die Jagd beigebracht. Eines Tages stoßen die beiden im Wald auf eine vergrabene Leiche sowie einen Mönch, der ein ausgesetztes Baby mitnimmt. Da Ausgestoßene als vogelfrei gelten, machen sich Jack und Ellen lieber nicht bemerkbar. Kurz danach kommt es allerdings zur Konfrontation mit einem Grüppchen Fremder, das Jack vorwirft, das Baby verschleppt oder getötet zu haben.
In dieser Szene wird ihm sein geliebtes Buch geraubt.
Obwohl ich in den Dialogen einen komplett anderen Pfad wählte als in den von Daedalic zur Verfügung gestellten Szenen (ich präsentierte mich als zivilisiert und belesen statt wild zu knurren oder zu drohen), nahm die Situation einen ähnlichen Ausgang. Allzu stark scheinen sich die Abzweigungen also nicht zu unterscheiden. Das Baby wurde offenbar angesichts der Hungersnot ausgesetzt und die Gruppe tut sich schließlich zusammen, um sich auf die Suche nach dem geistlichen Entführer bzw. Retter zu begeben. Eine meiner (unterlassenen) Aktionen sorgte übrigens für einen kleinen Unterschied im Handlungsverlauf: Im Gegensatz zu einem anderen Journalisten siegte bei mir die Neugier, als ich das Babygeschrei aus dem Wald hörte. Ich machte mich gleich auf den Weg, statt mich zuerst um das Räuchern eines erlegten Tiers zu kümmern. Als ich zurückkehrte, fand die Gruppe bei mir also nur noch verdorbenes Fleisch vor.