Gute offene Welt?
Und das wird alles sehr schick inszeniert. Allerdings ist mir vor allem im ersten Bosskampf aufgefallen, dass es zwischen dem Drücken der "Ausweich"-Taste und der Umsetzung der Bewegung häufig eine Verzögerung gab, die in zu vielen Momenten zu Lebensenergie-Verlust und sogar einigen Bildschirmtoden führte. Ob dies jetzt evtl. an der aufgebauten Technik lag und bei den 4K-Bildschirmen der Spielemodus inaktiv war oder ob dies ein Designproblem ist, bleibt noch unklar und wird sich mit der Testversion klären. Doch auch mit diesem kleinen Manko war Kingpin irgendwann erledigt und man wurde auf die offene Welt losgelassen. Und die sieht mit ihrem virtuellen New York City, in dem man allerdings auch den Avengers-Tower findet, größtenteils fantastisch aus. Die Straßen sind ansprechend belebt, die Passanten reagieren auf einen und es gibt eine Menge zu tun, wobei es einem natürlich offen steht, ob man jetzt Nebenaufgaben folgt oder die Haupterzählung fortsetzt. Ein kleines negatives Detail: Während Zwischensequenzen und Hauptfiguren komplett und so überzeugend lokalisiert sind, wie man es aus den letzten First-Party-Titeln von Sony kennt, schreien einem viele Passanten englische Aufmunterungen zu – doch das kann sich natürlich in der endgültigen Version noch ändern und wäre selbst in dieser Verfassung auch kein Wertungsbeinbruch.
Die offene Welt von New York City lädt mit zahlreichen Nebenaktivitäten zum Erforschen ein.
Denn viel wichtiger: Auch wenn es auf Dauer ein wenig nervt, die Polizeisender der acht Bezirke nach und nach freizuschalten, indem man ihre Frequenz wie bei Batmans Abhörgadget einstellt, ist diese Aufgabe sinnvoll und plausibel in die offene Spielwelt eingebettet. Auch die anderen Sekundär- bzw. Tertiäraufgaben scheinen ordentlich integriert zu sein. Ob es so überzeugend wie in Arkham City sein wird, in der viele der Rätsel und Nebenmissionen mit einem eigenen kleinen Storybogen verknüpft waren, wird sich allerdings erst im Test zeigen. Doch wenn man hier Sehenswürdigkeiten fotografiert oder „alte“ Rucksäcke von Peter sucht, die er im Lauf der letzten acht Jahre in Verstecken zurückgelassen hat, hinterlassen diese für offene Welten typischen Aufträge einen deutlich besseren Eindruck als z.B. in Ubisofts Ghost Recon Wildlands, wo alles unzusammenhängend, geradezu willkürlich wirkte. Im Vorfeld der Spielesession zeigte Insomniac eine Karte, auf der viele weitere Aktivitäten angezeigt wurden, die man nach und nach freischaltet. Zur ungefähren Spielzeit wollte man übrigens keine Aussagen machen.
Abwechslung ist Trumpf
Zwar nutzt man hauptsächlich die duale Dynamik bei schwingender (bzw. kletternder) Erforschung der Spielwelt sowie den Kämpfen, um das Tempo zwischen schön inszenierten Zwischensequenzen zu bestimmen. Doch wie beim Dunklen Ritter von Rocksteady wird man immer wieder auf Mechaniken stoßen, die für Abwechslung sorgen sollen. Dies kann durch das Schlüpfen in eine andere Figur passieren – in den etwa zweieinhalb Stunden der Anfangsphase durfte man in einem Abschnitt auch mit Mary Jane unterwegs sein. Aber auch wenn man mit Spidey bzw. Peter steuert, hat Insomniac auf Variation geachtet. Als Zivilist in seinem Wissenschaftler-Job darf man sich z.B. an intelligenten Puzzles versuchen. Dass diese auch Auswirkung auf den übrigen Spielverlauf haben, versteht sich fast von selbst – und sei es nur durch die Gewährung von Erfahrungspunkten, die akkumuliert zum Figurenaufstieg führen. Und auf Spider-Man warten u.a. Schleichsequenzen à la Batman, in der man mitunter überhaupt nicht gesehen werden darf, da ansonsten z.B. eine Geisel getötet wird. In solchen
Die Übergänge zwischen Cutscenes und Spiel sind fließend.
Situationen muss man die Übermacht der Gegner dezimieren, ohne aufzufallen – was letztlich dazu führt, dass man seine Umgebung noch genauer beobachtet, um sich hier oder dort zu verstecken oder Objekte zu manipulieren, damit die nicht ganz sattelfest wirkende KI abgelenkt wird.
An Gegner-Variation scheint es ebenfalls nicht zu mangeln. Sowohl bei den Hauptmissionen als auch bei der „zufälligen“ Verbrechensbekämpfung in der Stadt wurde Spider-Man mit einer ansprechenden Anzahl an Feinden konfrontiert, deren Angriffs- und vor allem Verteidigungs-Verhalten ständige Anpassungen und Nutzung von Spezialfähigkeiten erfordert. Zudem warten mit den bereits im E3-Trailer gezeigten Sinister Six mindestens ein halbes Dutzend Bosse, die es auf Spidey abgesehen haben. Und spätestens hier dürften alle Fäden zusammenlaufen: Levelaufstiege, neue Fähigkeiten, das Sammeln von Gegenständen in der offenen Welt als Basis für die umfangreichen Upgrade-Systeme, die über 20 Anzüge (darunter auch Noir oder Scarlet Spider) und nicht zuletzt die mit Aufgaben sowie Missionen üppig gefüllten acht Distrikte, in denen man sich zum Superhelden aufschwingen kann. Wenn Insomniac bei der Definition einer eigenen, alles zusammen fügenden Story-Identität ebenso sorgfältig gearbeitet hat, wie bei der Kreation des neuen spieleexklusiven Spinnenanzugs, hat Spider-Man große Chancen, Batman als Vorzeige-Superheld abzulösen.