Passion statt Pflicht
Das ist übrigens mein voller Ernst: Der taktische Anspruch, die extreme Spannung und die unmittelbare Zugänglichkeit dieses übertakteten Herzschrittmachers gehören zum Besten, was dem Shooter – ganz gleich, ob online oder offline – je passiert ist! Ich sehe Siege auf einer Stufe mit den wegweisenden Erstausgaben von
Doom,
Quake,
Half-Life oder
Battlefield.
Manchmal ärgert es mich deshalb, dass ich diesem Ausnahmetitel nicht eine Wertung oberhalb der 90-er Marke verpasst habe. Wenn ich an Weihnachten 2015 zurückdenke und das ständige Rätselraten darüber, ob ein Ladebildschirm gerade seiner Pflicht nachkommt oder längst in irgendein Datenloch gefallen ist, fällt mir zwar wieder ein, dass ein Onlinespiel gerade in Sachen Netzwerk einfach hätte besser funktionieren müssen. Wenn ich sehe, wie sich Siege seitdem verändert hat, weiß ich allerdings auch, dass es inzwischen Höchstnoten einsacken würde.
Rainbow Six Siege ist das erste Spiel unter der Leitung von Xavier Marquis. In Montreal haben wir uns über die Entstehung des einzigartigen Shooters mit dem Spielemacher unterhalten. Er sollte der Serie einen neuen Anstrich verpassen und vefolgte dabei ein klares Konzept.
Und das verdankt es nicht nur einer pflichtbewussten Fehlerkorrektur. Das verdankt es der Leidenschaft seiner Entwickler, die es von Beginn an als lebendiges, sich ständig veränderndes Projekt wahrgenommen und durch sinnvolle Neuerungen immer weiter verbessert haben. Denn Xavier Marquis wollte einen kompetitiven Shooter erschaffen, der seine Spieler vor immer neue Herausforderungen stellt – er wollte das Spiel erschaffen, das er selbst spielen wollte.
Vom Fan zu Fan
Klingt nach abgedroschener Floskel, ich weiß. Doch ich würde sie nicht hervorkramen, hätte ich Marquis nicht als jemanden kennengelernt, der im Gegensatz zum Großteil seiner Kollegen nicht das einstudierte Marketing-Sprech der PR-Maschinerie zitiert. Sein gefühlt übergroßes T-Shirt hat mit dem kalkulierten Understatement eines
Phil Spencer nichts gemein und anstatt auf markigen Slogans zu balancieren, antwortet er wie ein Fan, der ebenso ruhig wie begeistert von seinem Lieblingsspiel schwärmt.
Und wovon ist Marquis, der vor seiner Zeit als Spieleregisseur als Grafiker an
Fahrenheit,
Killzone: Liberation und
Ghost Recon: Future Soldier gearbeitet hat, so überzeugt? Es ist das Konzept einer Belagerung (Engl.: Siege), dem sich der frisch gebackene Creative Director von Beginn an so sicher war, dass sein anfangs 25 Mann schmales Team gerade mal zwei Monate brauchte, um einen funktionierenden Prototypen zu erstellen.
Mit dem
mittelalterlichen Stich eines Rammbocks vor den verschlossenen Toren einer Befestigungsmauer hatte der leitende Entwickler allen Beteiligten vor dem Start noch das Prinzip beschrieben: Ein Team hat sich verschanzt, während das andere versucht diese Verteidigung zu durchbrechen. Vermutlich lag es an seiner Entschlossenheit und dem schnellen Beweis, dass die Idee auch aufgeht, dass Ubisoft grünes Licht gab.