Der Junge aus Narita
Ich konnte leider nicht in Erfahrung bringen, wer oder was bei der Namensgebung des spanischen Indieteams Studio Koba Pate stand. Den georgischen Volkshelden und das äthiopische Volumenmaß schließe ich ebenso aus wie die untergegangene Maya-Stadt auf der Halbinsel Yucatan - vielleicht war es doch einfach nur der wohlklingende japanische Familienname Koba. Das finde ich zumindest naheliegend, borgt sich doch das Erstlingswerk Narito Boy ebenfalls etwas aus dem Japanischen: Die Stadt Narita liegt unweit von Tokio und ist vor allem wegen des Flughafens Tokio-Narita vielen Menschen ein Begriff. Dort ist dann auch die tragische Hintergrundgeschichte von Narita Boy angesiedelt: Die dreht sich um die Kindheit des Programmierers Lionel Pearl Nakamura, Sohn eines westlichen Geschäftsmannes und einer japanischen Mutter, - und wird in gut einem Dutzend, nach und nach freigespielter Rückblick-Episoden ruhig aber eindringlich erzählt.
Lord_VHS ist einer der ersten Zwischenbosse im Spiel - weicht seiner Videokassetten-Keule aus, dann habt ihr relativ leichtes Spiel.
Vordergründig geht es in Narita Boy aber um einen pixeligen Springinsfeld, einen Neonritter mit Technoschwert, der das digitale Königreich vor den Stallion-Monstern, rot-schwarz glühende Schadsoftware, bewahren muss. Die vielen mittels Textboxen ablaufenden Dialoge sparen nicht mit vollmundig klingenden, aber meist doch recht inhaltslosen Phrasen, Namen und Geschichten. Am besten, man liest nur oberflächlich mit und zerbricht sich nicht zu sehr den Kopf über Transzendenzen und die Dreifaltigkeit des Trichroma, während man die „Kaverne des Fruchtwassers“ und die „Königlichen Ställe“ erforscht, beim „Alpha-Tesserakt“ vorbeischaut oder die „Dimension des Grauens Beta Maxima Prime“ besucht. Hier nimmt sich Narita Boy selbst zu ernst, das passt nicht recht zu Schlüsselkarten, die wie Disketten aussehen, oder dem Boss Lord_VHS, der mit einem Videokassetten-Hammer zuschlägt. Überhaupt kann man dem Spiel inszenatorisch vorwerfen, etwas arg tief in die 80er-Jahre-Kiste zu greifen und kein Motiv auszulassen, das die Joystick-Jugend dieses Jahrzehnts in Ekstase versetzte. Gleichzeitig sieht Narita Boy aber so hervorragend aus mit seinen leicht schmutzigen Pixeln und dem von der CRT-Röhre entlehnten, gebogenen Bildschirmrand, dass ich aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen bin.
Grafikbrett
Das digitale Königreich liegt teilweise in Trümmern, viele Räume durchweht ein Hauch von Vergänglichkeit.
Seit dem gezeichneten Wunderwerk
Gris hat mich kein Videospiel visuell so beeindruckt wie Narita Boy. Das schneidig-brutale Aussehen der Feinde, das stimmungsvolle Design der Welt, die überwucherten Technik-Tempel und Roboter-Paläste, dazu Wüste und Wald, wie ich sie mir in 2D kaum schöner ausmalen könnte. Ich hätte Narita Boy auch tapfer weitergezockt, wenn es spielerisch eine Gurke gewesen wäre - einfach nur, um mich an der optischen Pracht sattsehen zu können. Zum Glück gibt es aber auch in spielerischer Hinsicht viel Gelungenes: Das 2D-Action-Adventure setzt gleichermaßen auf Erkunden und Untersuchen wie es auf Kämpfen und Plattform-Passagen baut. Letztere sind nicht besonders fordernd, aber manchmal doch so homogen in die Landschaft integriert, dass man einige Sekunden nach dem Weg suchen muss. Ein Tick mehr Präzision täte der Steuerung gut, doch zum Glück sind die Plattformen selten so schmal, dass Frust aufkommt.