Sechs Kapitel, ein Abenteuer
Noch wichtiger als die edle Präsentation ist, dass das Spiel eine durchdachte Struktur und einen erzählerischen Schwerpunkt hat: Man spielt keine Module, sondern erlebt ein zusammen hängendes Abenteuer in fünf bzw. sechs
Egal ob Helden oder Monster: Es gibt keine Miniaturen, sondern Pappfiguren.
Kapiteln mit kleinen Anekdoten und Wendungen – von der Ankunft der Helden bis zu einem mehr oder weniger offenen Finale. Nicht etwa, weil es schwammig wäre, sondern weil man danach weiter an der Spielwelt mitwirken kann, indem man die Story fortsetzt. Dass diese trotz vieler Klischees in Fahrt kommt liegt auch daran, dass man sie in Etappen mit Ereignissen von Wetterkapriolen bis hin zu Überfällen sowie erzählerischen Wendungen erlebt; es ist also immer etwas los.
Rollenspielflair entsteht nicht nur aufgrund der vielen kursiven Texte, die man laut vorliest. Auch wenn älteren Fantasyfans vieles bekannt und einiges vielleicht kitschig vorkommen mag, versprüht Andor eine gefahrvoll-gemütliche Stimmung, die ein wenig an die Legenden von Shannara erinnert. Hinzu kommt eine zweigleisige Struktur, die neben einem Hauptziel auch Nebenziele anbietet, die teils verpflichtend sind. Ganz wichtig ist, dass die Rietburg währendessen nicht von Monstern überrannt wird, also muss man sich abstimmen und sie aufhalten. Gleichzeitig gilt es dann vielleicht, ein Pergament oder eine Hexe, einen bestimmten Ort oder ein Artefakt zu finden. Wie koordiniert man das alles? Der Schwierigkeitsgrad steigt sanft, aber spürbar mit jedem Kapitel an, zumal der Erzählstein und damit die Story nach jedem erfolgreichen Kampf weiter zieht: Hat man bis dahin schon die richtige Route eingeschlagen?
Stimmungsvolles Erlebnis
Vier Helden sind spielbar: Krieger, Bogenschütze, Zauberer, Zwerg. Jeder hat zwanzig Willens- bzw. Lebenspunkte, die sich direkt auf die Stärke auswirken.
Man kann zwar bemängeln, dass im Laufe der Geschichte zu wenig markante Charaktere eingeführt werden, aber dafür begegnet man zumindest einigen wie etwa Prinz Thorald, der auch taktisch von der Gruppe bewegt werden muss, so dass man von seiner Stärke profitiert. Hinzu kommt ein Spannungsbogen: Man merkt im Laufe der Zeit, dass sich die Bedrohung zuspitzt – und das sorgt natürlich auch für Teamgeist. Es geht hier also nicht um Hack&Slay gegen viele Monster oder Dungeon-Crawling für die fette Beute, sondern eher um ein stimmungsvolles Erlebnis, das sich vor allen an Familien und jüngere oder eben jung gebliebene Helden richtet.
Man wird vorbildlich in die Spielmechanik eingeführt, die von der fortschreitenden Erzählung lebt: Zunächst werden die grundsätzlichen Elemente im ersten Abenteuer erläutert, bevor behutsam weitere Möglichkeiten integriert werden. Im Vergleich zum komplexen
Mage Knight, das sich an Vielspieler, kompetitive Taktiker und Eroberer richtet, ist das Regelwerk hier zwar wesentlich einfacher zu verstehen. Aber "Die Legenden von Andor" ist kein Kinderspiel; der Schwierigkeitsgrad kann recht knackig sein.
Meist beginnt ein Tag mit einer Ereigniskarte, dann werden alle Monster Richtung Burg bewegt, die Brunnen zur Heilung aktiviert und es geht auf der alphabetisch sortierten Legendenleiste mit der weißen Erzählerfigur vorwärts. Je nachdem, wo sie sich zwischen A und G befindet, werden andere Legendenkarten laut vorgelesen.