Brettspiel-Test: Im Wandel der Zeiten (Aufbaustrategie)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: Pegasus Spiele
Release:
2008
Spielinfo Bilder  
Der Kreislauf der Wirtschaft

Die eigene Zivilisation: Oben die erforschten Technologien und Gebäude sowie das Militär, darunter die blauen und gelben Bereiche für Nahrung und Bevölkerung; rechts die Staatsform.
Wichtig ist nur: Je mehr Arbeiter man aus der Bevölkerung rekrutiert, desto mehr Nahrung verbraucht man. Je mehr Nahrung bzw. Rohstoffe man verbraucht, desto größer wird die Gefahr der Korruption. Und je öfter man seine Bevölkerung erhöht, desto unzufriedener werden die Arbeiter - hat man genug in Kultur und Religion investiert, um das mit Glück auszugleichen? Man kann also nicht einfach maßlos in die eine oder andere Richtung wachsen, denn dann entstehen Engpässe. So gerät man schon in den ersten Runden der Antike in ein angenehmes Grübeln, in welche Richtung man sich am besten entwickelt. Zwar verlangt das Verschieben der gelben und blauen Steine zunächst einiges an Konzentration und Regelfestigkeit, aber es ist nach ein paar Übungen nachvollziehbar, weil die negativen Auswirkungen ein Teil der Illustration sind.

Die Spannung steigt immer in der ersten Runde eines Zuges, wenn es um den Erwerb der Zivilkarten geht. Dann blickt man neugierig auf die Kartenreihe mit all dem, was man sich so kaufen könnte, um seine Zivilisation erfolgreicher zu machen - und gleichzeitig blickt man argwöhnisch zu seinem Mitspieler, denn der könnte einem ja eine Technologie oder gar ein exklusives Wunder wie die Hängenden Gärten oder den Koloss vor der Nase wegschnappen. Jedes Zeitalter hat sein eigenes Kartenset mit historischen Merkmalen, aber davon darf man auch nur eine bestimmte Zahl auf der Hand haben. Und eine Phase wie das Mittelalter währt mit ihren Angeboten an Persönlichkeiten und Technologien nicht ewig: Erstens werden jede Runde ein paar Karten ausgetauscht, zweitens steht irgendwann ein Epochenwechsel vor der Tür und ein neues Kartenset wird ausgelegt - es ist also immer historische Bewegung im Spiel.

Moses oder die Pyramiden?

Wer wird Anführer? Schon in der Antike sollte man sich gut überlegen, wer an der Spitze des Staates steht.
Grübel, grübel: Wie wäre es mit einem Anführer der Marke Hammurabi? Er gewährt immerhin eine weitere zivile, aber raubt mir eine militärische Aktion. Oder doch lieber Moses, der das Bevölkerungswachstum vergünstigt? Eine bessere Minentechnologie wäre auch nicht schlecht. Oder ein Tempel, der die Bevölkerung glücklicher macht? Vielleicht eine neue Regierungsform wie die Monarchie? Aber dann wird es eine Revolution geben - also eine komplette Runde aussetzen? Nein, ich baue lieber frühzeitig ein Wunder, und zwar die Pyramiden: Das braucht zwar ein paar Runden bis zur Fertigstellung, aber danach habe ich endlich eine Extra-Aktion zur Verfügung! Und es kann ein Vorteil sein, wenn man in seinem Zug mehr entwickeln, bauen oder verbessern darf als der Gegner.

Da liegen die Pyramiden endlich neben meinem Spielplan: Und spätestens jetzt entstehen doch Bilder im Kopf und auf dem Tisch, denn sobald man neue Gebäude oder Anführer anlegt, wächst das eigene Reich auch optisch - später legt man Koloniekarten und Universitäten, Labore und weitere Wunder an. Hoffentlich habe ich mich mit dem ersten Wunder nicht übernommen, denn es kann auch einen Baustopp geben, wenn man mit den Rohstoffen nicht nach kommt. Wer nicht aufpasst, kann es neben den horrenden Kosten für die Korruption auch mit einem Aufstand zu tun bekommen: Zu viele unglückliche Arbeiter sorgen dafür, dass man die eigene Produktions- und Versorgungsphase überspringen muss - dann geht nichts mehr im Land! Man kann gezwungen sein, bestehende Gebäude wieder einzureißen. Das ist natürlich ärgerlich, lässt sich aber durch weise Planung verhindern. Aber was ist bloß wichtiger?

Überraschende Ereignisse

Auch die Staatsform ist wichtig, denn sie bestimmt, wie viele zivile (weiß) und militärische (rot) Aktionen man hat und wieviele Gebäude eines Typs (grau) man bauen darf: Im Despotismus z.B. max. zwei Labore.
Nicht verhindern lassen sich die historischen Ereignisse wie Unruhen, Flüchtlinge oder Kreuzzüge, die für zusätzliche Würze sorgen: Sie werden von einem Stapel aufgedeckt und können sowohl positive als auch negative Effekte haben - etwa wenn alle Spieler zwei Nahrung oder Kultur bekommen. Es kann aber auch fruchtbares Territorium entdeckt werden, das sowohl Nahrung als auch Bevölkerungswachstum einbringt. Und dann profitiert die stärkste Zivilisation, also jene mit der größten militärischen Kraft. Allerdings kann man bestimmte Ereigniskarten auch ziehen, ansehen und dann auf den Stapel der kommenden Ereignisse legen, um sich darauf vorzubereiten. Wenn man weiß, dass demnächst der Spieler mit dem größten wissenschaftlichen Fortschritt einen Bonus bekommt, sollte man über Labore darauf hinarbeiten!

Apropos Kampf und Territorien: Gerade im Mittelteil des Spiels steigen die militärischen Möglichkeiten und es kann zu Konflikten um lukrative Territorien oder einfachen Angriffen kommen, die im letzten Zeitalter sogar mit Bombern aus der Luft ausgetragen werden - auch dieses mögliche explosive Finale erinnert an Civilization. Man kann sich bis dahin eine schlagfertige Armee aus Infanterie, Kavallerie und Fernkämpfern aufbauen, indem man sie mit Taktikkarten in Formationen gruppiert - allerdings muss man hier auch auf das Alter des Truppentyps achten, denn mit einfachen Kriegern der Antike wird man keinen Grabenkrieg der Moderne ausfechten können. Allerdings verschlingt die ständige Modernisierung viele wichtige Rohstoffe. Kann man über die Kriegsbeute genug Kulturpunkte gewinnen, um das auszugleichen?

  

Kommentare

gracjanski schrieb am
Nach paar Monaten, noch weitere Schwächen: es ist 0 flexibel. Alle starten gleich am Anfang. Da erfahrene Spiele wissen, welche Wunder besser sind als andere, kämpfen die Leute um diese Karten. Natürlich mit der Einschränkung, dass nicht immer diese Karte die beste sein muss. Aber egal, das Hauptproblem ist, dass das Deck der Zivilkarte immer gleich ist, nur die Reihenfolge ist anders. Man muss für andere Ausgangsbedingungen sorgen, sei es durch Änderung der Zivilkartendecks oder durch Traits = Zivilisationen, hier ein guter Thread zu:
http://boardgamegeek.com/article/9356995#9356995
Das Spiel braucht einfach eine Erweiterung
gracjanski schrieb am
4P|T@xtchef hat geschrieben:Jep, das haben wir auch schon im Visier. Ich bin gespannt, wie sich dieses "Original" dann von der Hommage unterscheidet. Auch Galactica und Runewars stehen auf der Agenda.
Kurz zum Thema Artdesign bei Brettspielen: Es ist in der Tat so, dass die Qualität von Spielplan und Figuren nur dann in den Hintergrund rückt, wenn die strategische Spieltiefe das ausgleichen kann - wie bei Im Wandel der Zeiten. Klar, da hätte man noch mehr an Flair rausholen können, aber die Zeichnungen sind solide.
Wie wichtig ausgzeichnete Illustrationen, Miniaturen und ein edles Brett für die Atmosphäre sind, zeigen natürlich Spiele wie Arkham Horror, StarCraft oder Descent.
+ Thunderstone...
Habe letztens in einem Spieleabend Im Wandel der Zeiten mit Freunden gespielt. alle waren begeistert von der Komplexität und es wird sicherlich wieder dran kommen, diesmal aber die Expertenversion.
Ja, die mangelhafte Interaktion ist ein Schwachpunkt des Spieles, auch die Präsentation mit den Klötzchen, die leiucht verrutschen können. Trotzdem ist hier die Spielmechanik einfach vorbildlich.
AlperAslan1980 schrieb am
Kann man kostenlos online spielen:
http://www.boardgaming-online.com
Das Spiel leidet in der Brettspielvariante daran, dass es viel Mikromanagement ist und eine lange Lernzeit erfordert. Wenn man aber mal drin ist, ist es ein wirklich beeindruckendes Spiel mit viel Langzeitspaß. Kann mich dem Fazit hier nur anschließen.
SamCaha schrieb am
X-Live-X hat geschrieben:Auf einen Test von dem neuen Civ-Brettspiel bin ich auch gespannt, IWdZ schreckt mich einfach ab, da ich es irgendwie nicht mit Spielen habe, deren primäres Element nunmal Karten sind. Wenns es jedoch ein Addon gibt, was auf 5 Spieler erhöht, würde auch mein Interesse sprunghaft steigen.
SamCaha hat geschrieben:Wann kommt endlich mal der Test zum neuen Need for Speed??????
Irgendwo bist du falsch abgebogen.
Ah darum hat mein Navi die ganze Zeit gesagt: "Bitte wenden!, bitte wenden!, bitte wenden!" ;-)
Habs einfach im Forum vom ersten was ich auf der homepage gesehen hab geschrieben und erst im Nachhinein gesehen das es hier um Brettspiele ging! Dachte es währe auch irgend ein Game-Test! hehe :lol:
Schönen abend noch!
X-Live-X schrieb am
Auf einen Test von dem neuen Civ-Brettspiel bin ich auch gespannt, IWdZ schreckt mich einfach ab, da ich es irgendwie nicht mit Spielen habe, deren primäres Element nunmal Karten sind. Wenns es jedoch ein Addon gibt, was auf 5 Spieler erhöht, würde auch mein Interesse sprunghaft steigen.
SamCaha hat geschrieben:Wann kommt endlich mal der Test zum neuen Need for Speed??????
Irgendwo bist du falsch abgebogen.
schrieb am