Brettspiel-Test: Bora Bora (Worker Placement (Arbeitersetzspiel))

von Jörg Luibl



Bora Bora (Brettspiel) von Ravensburger Spielverlag
Wettlauf um Inseln, Muscheln & Götter
Spielinfo Bilder  
Lust auf Muscheln, Fische und Tempel in der Südsee? Dann könnte Bora Bora einen Ausflug wert sein. Aber Vorsicht: Das Brettspiel von Stefan Feld lockt zwar mit einem idyllischen Atoll im türkisfarbenen Meer, doch der Alltag der Inselbewohner ist alles andere als entspannt. Zwei bis vier Spieler streiten in vielschichtiger Aufbautaktik um Bauplätze, Schmuck und Götter.

Polynesischer Endspurt

Bora Bora ist ein Brettspiel für zwei bis vier Personen und für knapp 40 Euro auf Deutsch bei Ravensburger erschienen.
Bora Bora ist ein Brettspiel für zwei bis vier Personen und für knapp 40 Euro auf Deutsch bei Ravensburger erschienen.
In guten Brettspielen erreicht die Spannung meist in der finalen Runde ihren Höhepunkt. Und zwar genau dann, wenn man mit den letzten Aktionen die entscheidenden Fortschritte machen kann, die einen auf der Siegpunkteleiste nach vorne bringen. In sehr guten Brettspielen hat man aber selbst dann noch die Qual der Wahl und muss vielleicht befürchten, dass einem die Mitspieler zuvor kommen. Bora Bora von Stefan Feld vereint all diese Tugenden und inszeniert eine anspruchsvolle, unheimlich vielseitige Punktejagd mit packendem Endspurt.

Worum geht es? In einer Mischung aus Würfeltaktik und Arbeitermanagement muss man möglichst effizient in einem  Inselatoll wirtschaften. Man besetzt die zwölf Gebiete, erntet drei Rohstoffe, stellt viele Dinge her, erfüllt zig Aufgaben, handelt oder betet. Schon recht früh fühlt man sich an Die Burgen von Burgund (ebenfalls von Stefan Feld) erinnert, bei dem man seine Aktionen ebenfalls über sechsseitige Würfel koordinierte, deren Ergebnis man hier über Karten modifizieren kann – so wird z.B. aus einer Eins oder Zwei eine Sechs. Aber Bora Bora ist nicht nur ansehnlicher, sondern auch durchdachter als der Vorgänger.

Atoll der hundert Möglichkeiten

Zu Beginn wird man angesichts der bis in den kleinsten Winkel bedruckten Tableaus und der vielen Felder auf der Karte noch überfordert: Was bedeuten all die Figuren und Symbole? Was kann man wo machen? So hübsch das Ganze illustriert ist, so undurchsichtig wirkt es - ein ikonografischer Overflow.

Autor Stefan Feld zeichnet auch für "Die Burgen von Burgund" verantwortlich, das eine ähnliche Würfelmechaik besitzt.
Autor Stefan Feld zeichnet auch für "Die Burgen von Burgund" verantwortlich, das eine ähnliche Würfelmechaik besitzt.
Aber es lohnt sich, die gut strukturierte Anleitung zu lesen. Denn wenn man die Bedeutung all der Plättchen sowie den Spielablauf nach ein, zwei Probeläufen verinnerlicht hat, rasen die sechs Spielrunden bis zum Finale nur so dahin. Man kann sich auf seine Taktik konzentrieren und wundert sich zu zweit nach einer guten halben, zu viert nach knapp einer Stunde: Wie, ist schon Schluss? Ich wollte noch so viel machen!

In jeder Runde hat man zig Möglichkeiten, seine drei Würfel einzusetzen: Man kann sie direkt auf eine Aktionskarte legen, um diese auszuführen. Z.B. mit dem Boot oder zu Fuß ein benachbartes Gebiet besetzen, indem man dort eine Hütte baut, was den entsprechenden Rohstoff einbringt. Man kann eine Frau oder einen Mann anwerben, die/der wiederum spezielle Eigenschaften besitzt. Man kann vor allem bei einer gewürfelten Sechs lukrativ Handel treiben, sich z.B. Rohstoffe oder Karten oder Siegpunkte kaufen. Man kann in den Tempel gehen und den Göttern huldigen oder mit Rohstoffen den Zeremonienplatz bebauen, was gerade zu Beginn sehr viele Siegpunkte bringt.

Kommentare

HoloDoc42 schrieb am
Bei Spielen von Stefan Feld stehen im Prinzip immer die Mechanismen im Vordergrund, das Thema kommt danach. Muss man mögen bzw. drüber hinwegsehen können. Bei Burgen von Burgund und Bora Bora kann ich das, bei Luna und Trajan nicht... Mal schauen wie Brügge wird.
Jörg Luibl schrieb am
Ja, das mit der Atmosphäre stimmt schon. In Village wird das dörfliche Thema mit dem Übergang der Generationen bildlich und inhaltlich gut eingefangen. Es ist auf den ersten Blick charmanter.
Aber selbst wenn die Männer und Frauen in Bora Bora (für Polynesien) ganz untypisch und unentspannt um Siegpunkte schuften müssen (man könnte das Thema auch mit Aliens und Robotern umsetzen), sind die Wege zum Ziel so vielfältig und so gut miteineinander verflochten, dass man nach drei, vier Partien noch verblüfft wird. Bora Bora war wie Burgen von Burgund ein Spätzünder. :wink:
AngryDwarf schrieb am
Ich konnte das Spiel letztens spielen und war sehr ernüchtert. In einer sehr positiven BGG-Kritik wird das Spiel als "mechanical exercise in point scoring" bezeichnet. Das trifft für mich vollständig zu. Allerdings würde ich das hier dem Spiel durchaus negativ ankreiden. Es ist absolut egal, ob da nun Männer, Frauen und Fische sind oder man einfach gesagt hätte Plättchen A gibt dir Plättchen B und3x B gibt dir x Punkte.
Die Spielmechanik ist natürlich in einer beeidruckenden Weise austariert und komponiert, aber ich jedenfalls bin nie von dem Gefühl weggekommen, eben diese Spielmechanik zu spielen und nicht das Spiel (hm,hoffentlich wird klar, was ich meine). Insoweit hat mich das Spiel sehr an das ebenfalls oft gelobte Caylus erinnert, welches ich auch unglaublich fade finde. Wem das gefällt, der wird aber sicherlich auch Bora Bora mögen. Zumal die bunten Farben das Spiel zumindest fröhlich scheinen lassen.
Um den Vergleich mit Village aufzugreifen: Hier haben es die Autoren für mich geschafft, die Atmosphäre stimmig umzusetzen. Allein der Meeple-Tod und der Familien-Nachschub ergeben schon deutlich mehr Flair als jede der Mechaniken in Bora Bora. Ich für meinen Teil spiele in jedem Fall lieber 50 Runden Village als eine Runde Bora Bora. Aber vielleicht liegt das ja auch nur daran, dass ich mich im Beruf als Jurist täglich mit extrem trockenen Mechaniken (Paragraphen) rumschlagen darf und mich in der Freizeit gerne mit etwas Lebhafterem beschäftige :P
Aber um meine Ansicht nochmal klarzustellen: Wer Hardcore-(Euro-)Strategiespiele insbesondere wegen der Verwaltungsoptimierung mag, auf eben die genannten mechanischen Punktesammel-Übungen steht und wem das Thema eigentlich nebensächlich ist, der ist mit Bora Bora hervorragend bedient. Die Verzahnung der Mechaniken ist schon fast mit einer Bach-Fuge vergleichbar :-) Die spiele ich aber auch nicht gerne...
schrieb am