Brettspiel-Test: Android: Netrunner (Sammelkartenspiel / Living Card Game)

von Jörg Luibl



Spielinfo Bilder  
Viren, Markierungen und Hirnschaden

Ein Blick auf eine der drei Hacker-Fraktionen: Es gibt Anarchos, Kriminelle und Gestalter mit unterschiedlichen Decks.
Ein Blick auf eine der drei Runner
Im Gegensatz zum Konzern muss der Runner vor allem offensiv agieren und Agendas stehlen.
Im Gegensatz zum Konzern muss der Runner vor allem offensiv agieren und Agendas stehlen.
-Fraktionen: Es gibt Anarchos, Kriminelle und Gestalter mit unterschiedlichen Decks.
Obwohl die Rollen zunächst klar verteilt sind, gibt es für beide Seiten noch zusätzliche taktische Möglichkeiten: Auch der Konzern kann in die Offensive übergehen und die Programme des Runners zerstören, ihn nach einem Abgleich mit seiner Verbindungsstärke aufspüren oder ihm aktiv Körper-, Netz- oder Hirn-Schaden zufügen, der sogar zum Tod führen kann. Dazu muss es ihm jedoch gelingen, den Hacker zu markieren und so sichtbar zu machen – meist funktioniert das über Subroutinen oder die Wirkung von Upgrades. Allerdings kann der Runner seine Klicks nutzen, um die lästigen Markierungen zu entfernen. Man muss seine Aktionen immer gut in der Reihenfolge timen.

Auch der Runner kann sich also verteidigen oder defensiv vorgehen, indem er seine Karten gezielt stärkt. Das Programm „Medium“ spendiert ihm z.B. nach jedem erfolgreichen Run auf den Nachziehstapel des Konzerns einen Virusmarker, wobei er pro weiterem Marker eine Karte mehr ziehen darf. Hat er vier Marker dort liegen, darf er nach einem erfolgreichen Run satte drei Karten vom Konzern ziehen! Und wenn Agendas darunter sind, bedeutet das direkte Siegpunkte. Als Hacker kann man also von den offenen Stellen der Konzernfront profitieren und muss sich nicht immer kostspielig durch mehrfach geschützte Systeme mit ICE kämpfen.

Was gibt es zu meckern?

Der Konzern muss Agendas schützen, der Runner muss sie stehlen. Dazu stehen ihm diverse Programme und Ausrüstung zur Verfügung.
Der Konzern muss Agendas schützen, der Runner muss sie stehlen. Dazu stehen ihm diverse Programme und Ausrüstung zur Verfügung.
Auf Seiten der Präsentation und Spielregeln gibt es wenig zu meckern: Das futuristische Artdesign erinnert an eine Mischung aus Tron und Shadowrun. Die knapp 250 Karten erreichen über weite Strecken eine ansehnliche, nur gelegentlich schwankende Qualität, was die Zeichnungen angeht; die knapp hundert Marker sind massiv und solide illustriert. Man braucht zu Beginn allerdings etwas mehr Zeit als in anderen Living Card Games, bis man die in der 35-seitigen Anleitung beschriebenen Mechanismen verinnerlicht hat - es ist sehr wichtig, dass sich jeder an die Regeln hält; vor allem was die Runs und das Bezahlen angeht, denn mit jedem verfügbaren Credit verändert sich die Balance. Auf Seiten der Spielmechanik hätten die offensiven Aktionen des Konzerns, was Markierungen und anschließenden Schaden angeht, vielleicht etwas spürbarer als direkte Aktion integriert werden können - manchmal bekommt man überhaupt nicht die Möglichkeit, den verflixten Runner zu markieren.

Fazit

Was ist ein "Living Card Game"?

Eigentlich dasselbe wie ein "Trading Card Game" à la Magic: the Gathering mit anderem Vertriebsmodell: In einer Grundbox findet man bereits viele Karten vor und braucht später keine Booster oder gar einzelne Karten kaufen, sondern Themendecks, die das Spiel bzw. eigene Deck "lebendig" halten - und man weiß immer genau, was drin ist. Mittlerweile sind zu Android auch auf Deutsch einige Erweiterungen erschienen; siehe Seite 1.
  Das ist das interessanteste Living Card Game, das ich bisher gespielt habe. Auf der einen Seite der offensive Hacker mit seinen subversiven Fähigkeiten und Angriffen, auf der anderen Seite der Konzern mit seinen mächtigen Verteidigungslinien und der breiten Front: Agilität gegen Stabilität, Viren gegen Markierungen, Runs gegen ICE – und mittendrin die Macht der Credits, fiese Ereignisse und die Spannung von Bluffs mit verdeckten Karten.  Zwar habe ich auf Seiten der Konzerne meist viel Lehrgeld zahlen müssen, aber mittlerweile habe ich mit Haas-Bioroid eine gute Taktik ausklamüsert. Außerdem werde mich weiter mit dem Cyborg Gabriel Santiago als Hacker versuchen. Das Schöne an Android: Netrunner ist, dass sich die Spielweisen der beiden Parteien so stark unterscheiden und dass es immer wieder zu kleinen Psychospielen am Tisch kommt. Wer Science-Fiction mag und Lust auf ein taktisches Duell-Kartenspiel hat, wird hier sehr gut unterhalten.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare

danibua schrieb am
Jup der gesamte Genesis Zyklus sollte Montags in gut sortierten Läden erhältlich sein, ausserdem soll wohl im August noch die erste grosse Erweiterung "Kontrolle & Schöpfung" rauskommen - man darf gespannt sein :-)!
@ParadoX Naja das gesamte Grundspiel hatte sich ja schon sehr verschoben sollte ja eigentlich Ende 2012/Anfang 2013 rauskommen und kam im Endeffekt Ende Juni - angekündigt war eigentlich auch das Grundspiel samt Genesiszyklus zu bringen um die folgenden Erweiterungen zeitgleich mit den Amis rauszubringen - man ist hier halt stark von FFG abhängig und in welcher Reihenfolge die letztendlich im Druckwerk drucken lassen.
Wie dem auch sei, nachdem ich ziemlich lange auf die dt. Ausgabe gewartet habe freue ich mich natürlich nun um so mehr auf die ersten Datapacks - mal sehen ob ich mir die Packs kommende Woche organisieren kann - dauert ja immer ne zeitlang bis es das Zeug nach Österreich schafft!
Was die Erhältlichkeit der diversen Erweiterungen anbelangt kann ich dir Recht geben, da wird bei zahlreichen FFG/Heidelbergerspielen immer viel zu wenig gedruckt - das ist leider nicht nur bei den LCG`s der Fall.
=paradoX= schrieb am
danibua hat geschrieben:@Tipper
Du scheinst da ja überaus optimistisch zu sein, bei den Heidelbären können sich solche Veröffentlichungen ganz furchtbar in die länge ziehen!
Das ist bei FFG ähnlich, aber bei Netrunner halten sich die Verzögerungen überraschenderweise sehr in Grenzen. Das einzige, womit sie nicht klar kommen, ist das Nachdrucken der Erweiterungen, weil sie scheinbar immer noch nicht raffen, wie schnell die Teile aus den Regalen fliegen.
danibua schrieb am
@Tipper
Du scheinst da ja überaus optimistisch zu sein, bei den Heidelbären können sich solche Veröffentlichungen ganz furchtbar in die länge ziehen!
TipperWrex schrieb am
Es ist tatsächlich das beste Spiel, was ich je gespielt habe. Bin absolut süchtig danach.
Leider gibt es die kleinen Erweiterungen noch nicht auf Deutsch, die müssten allerdings in ein paar Tagen verfügbar sein.
schrieb am