Risiko in der Tiefsee
Die ist in Form von Perlen, Schlüsseln oder verdeckten Siegpunkten umso fetter, je weiter der Marker dort nach unten gewandert ist. Und das tut er immer dann, wenn sich ein Spieler beim Ziehen der Monsterkarten gegen den Moränenkampf entscheidet – man kann also damit spekulieren, dass man in seinem Zug zwei Kämpfe ignoriert, um dann vielleicht bei der dritten Moräne eine bessere Belohnung zu bekommen. Aber Vorsicht: Wenn man sich dabei verzockt, profitiert der nächste Spieler von der lukrativen Position des Bedrohungsmarkers!
Oben die Monsterauslage zur Erkundung, in der Mitte der Rat zum Abstauben abgelegter Karten und ganz unten die verfügbaren Edlen.
Man kann die wertvollen Monster aber noch viel leichter und in Masse bekommen, wenn man in seinem Zug nicht erkundet, sondern Unterstützung vom Rat erbittet. Das heißt, dass man sich einfach alle abgelegten Karten einer Farbe aus der Mitte nehmen darf! Und damit steigen natürlich die Chancen, auch den Edlen genau dieser Farbe anzuheuern. Hat man genug Monster, darf man in seinem Zug eine dieser mächtigen Figuren vom Plan anwerben. Reicht es nicht ganz, darf man die Differenz auch mit Perlen bezahlen.
Schnell und billig oder später wertvoll?
Schön für die Balance: Die billigen Edlen, die man schon mit einer Farbe bekommt, haben meist keine Spezialfähigkeiten oder keinen der wichtigen Schlüssel. Die
Um Orte auszulegen, muss man drei Schlüssel vorweisen - die Edlen werden dahinter positioniert.
besitzen nur die teuren, für die man teilweise auch drei oder mehr Monstertypen braucht. Je nach Situation kann es sehr nützlich sein, genau auf diesen einen Edlen zu sammeln, der vielleicht einen tollen Nebeneffekt wie diesen hat: „Du kannst einen deiner freien Edlen abwerfen und ihn durch einen Edlen vom Hof ersetzen“ – das ist quasi wie ein Joker, mit dem man billig gegen wertvoll tauschen kann.
Die erwähnten Schlüssel, die man entweder über den Kampf gegen Moränen oder beim Anwerben der eher teuren Edlen bekommt, sind deshalb wichtig, weil drei von ihnen zwingend einen Ort mit weiteren Nebeneffekten freischalten. Dann darf man sich aus der Auslage für einen wie „Das Parlament“ oder „Der Abgrund“ entscheiden – wer als Erster wählt, hat auch mehr Auswahl, denn er darf bis zu vier Orte zusätzlich aufdecken. Und auch da sollte man genau hinsehen, denn man kann sich über die richtige Wahl gezielt verstärken. „Das Heiligtum“ sorgt z.B. dafür, dass man für jeden Verbündeten (=Monster) der Quallen drei Einflusspunkte bekommt. Aber hat man überhaupt welche?
Die Macht der Orte
Die Perlen dienen als alternatives Zahlungsmittel - hilfreich, wenn man nicht die passenden Monster beisammen hat.
Ein weiterer kleiner, aber für die Balance wichtiger Nebeneffekt: Sobald man einen Ort mit Edlen baut, wird dieser über ihre Spezialfähigkeiten gelegt, die dann nicht mehr wirksam sind. Blöd für einen selbst, aber gerade bei den dauerhaften destruktiven Fähigkeiten der „Krieger“ kann das für die Mitspieler wieder eine kleine Hilfe sein: Denn der „Armeekommandant“ sorgt z.B. dafür, dass alle anderen Spieler am Ende ihres Zuges nur sechs Monster aka Verbündete auf der Hand haben dürfen.
Sobald jemand sieben Edle ausliegen hat, beginnt die letzte Runde – und wir haben uns gewundert, wie schnell das geht. Zu viert ist man mit geübten Spielern nach einer halben bis Dreiviertelstunde so weit. Und die Endabrechnung ist natürlich spannend: Dann werden auf einem beiliegenden Block alle gesammelten Einflusspunkte von Orten, Edlen, dazu die des stärksten Verbündeten (Monsters) jeder Farbe bzw. Art sowie die verdeckt gesammelten Plättchen addiert. Bei einem Gleichstand zählen die meisten Perlen.
Fazit
Hey, das sieht ja aus wie Star Wars unter Wasser! Okay, darüber kann man streiten, aber fest steht: Diese mythischen Kreaturen und Orte regen aufgrund der tollen Illustrationen von Xavier Collette die Fantasie an. Aber nicht nur das Artdesign von Abyss ist reizvoll, auch die fein balancierte kompetitive Spielmechanik des erfahrenen Autoren Bruno Cathala (u.a. Das Halsband der Königin) weiß zu überzeugen. Hier treffen Sammel- und Kombinationsreize auf etwas Aufbautaktik und Pokerflair. Zwar kommt Abyss nicht an die taktische Vielfalt eines 7 Wonders oder die eines reinen Trading-Card-Gefechtes à la Android: Netrunner heran, aber der abwechslungsreiche Wettlauf um Einfluss über all die Monster, Edlen und Orte macht für eine Partie zwischendurch Laune. Es geht nicht um direkte Kämpfe gegeneinander oder territorialen Gewinn, sondern um das effiziente Horten und Einsetzen von Karten sowie Perlen und Schlüsseln. In einer eingespielten Runde kann man innerhalb von dreißig bis fünfundvierzig Minuten den König der Tiefsee küren.
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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