Wie bearbeitet man ein Mosaik?
Auch das ist etwas, das die Serie sehr überzeugend einfängt: Zauber passieren in dieser Welt nicht einfach, sondern werden durch das Übertragen von Energie erzeugt. Und das wird nicht nur erklärt, sondern auch erzählerisch mehrfach verwendet und teils eindrucksvoll visualisiert. Schön, dass The Witcher solche und andere von Sapkowski beschriebene Details ernst nimmt!
Überhaupt überträgt Schmidt das erste Buch sehr geschickt ins Serienformat – ohne der Vorlage aber sklavisch zu folgen. Vielmehr spinnen ihre Autorinnen und Autoren von Beginn an einen roten Faden, der später nahtlos in die Erzählung der zusammenhängenden Romane übergehen könnte. Sapkowski erschuf ja kein geradliniges Epos, sondern stellte Geralt zunächst in Kurzgeschichten vor, um erst später in zusammenhängenden Romanen eine große Saga zu entwickeln. Es dürfte nicht einfach gewesen sein, sein Mosaik in eine einheitliche Serie umzuwandeln.
Zwölf statt acht!
Manche Einzelheiten hatte er z.B. nur angerissen, darunter Yennefers Vergangenheit – und genau die erzählt die Serie jetzt mit dem Segen des Erfinders. Interessanterweise passiert all das fast über die gesamte Staffel hinweg nicht in chronologischer Reihenfolge. Ganz im Gegenteil sogar: Selten agieren die Teilnehmer verschiedener Handlungsstränge zur gleichen Zeit und oft finden sie sich in einer späteren Folge in einem ganz anderen Jahr wieder.
Wem die genaue Abfolge der Ereignisse wichtig ist und die Bücher nicht kennt, fühlt sich deshalb womöglich verloren. Mitunter wusste ich ebenfalls nicht, was gerade geschieht, da The Witcher das Bekannte zu allem Übefluss nicht nur erweitert, sondern stellenweise erstaunlich stark verändert. Schmidt und Co. machen damit klar, dass sie nicht einfach nacherzählen. Aber ein perfekter Einstieg sind diese acht Folgen eben nicht. Ich hätte mir zudem gewünscht, dass sich die erste Staffel ein wenig mehr Zeit nimmt. Zwölf Folgen hätten ihr vom Gefühl her durchaus gutgetan. Vielleicht darf die zweite Staffel nach dem Erfolg der ersten ja etwas länger sein.
Emotionen statt Stichpunkte
Dank Anya Chalotra ist Yennefer die stärkste Figur der ersten Staffel.
Dieser Erfolg ist jedenfalls berechtigt. Die Staffel wird ja mit jeder Folge stärker. Schon Episode drei und vier gewinnen deutlich dazu, während die sechste auf emotionale Art andeutet, was die Zukunft bringen könnte und die Weichen für ein eindrucksvolles Finale stellt. Mit fortlaufenden Episoden sieht man die Charaktere außerdem vermehrt vor Panoramen sowie an größeren Schauplätzen, wodurch sich die Welt endlich "größer" und die Ereignisse bedeutsamer anfühlen.
Vor allem aber forciert Schmidt durch den Verzicht auf eine chronologische Abfolge wohl nicht das faktische Verständnis, weckt dafür aber ein tiefes Verständnis für emotionale Zusammenhänge. Man kann Motive und Handlungen nachvollziehen – viel mehr, als es mit einer "korrekten" Stichpunkt-Sammlung der Fall wäre. Und so hat mich die erste Staffel einmal mehr mit großer Empathie für diese Charaktere zurückgelassen; die Pause zur zweiten wird viel zu lang sein. Denn nach diesem gelungenen Einstieg werde ich auch weiterhin den Spuren von Geralt, Yennefer, Rittersporn – und ganz besonders denen von Ciri folgen!