Brettspiel-Test: Flügelschlag (Aufbaustrategie)

von Jörg Luibl



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Spezialisierung und Lebensräume

Die Vögel darf man allerdings nur auslegen, wenn man enstprechendes Futter hat. Je nach Art kann das aus Körnern, Fischen, Mäusen, Früchten, Würmern oder einer Kombination daraus bestehen - ein Papageientaucher braucht z.B. drei Fische, dann darf man ihn am Fluss auslegen, der Rotschulterbussard benötigt eine Maus, um in den Wald zu kommen. Und wo kommt das Futter her? Es purzelt aus dem vorher zusammen gebastelten Vogelhäuschen in Form von fünf Würfeln, die entsprechende Symbole anzeigen - es ist also nicht immer alles vorhanden; später kann man aber über Spezialfähigkeiten zusätzliches Futter erwerben; der Kolkrabe darf sich sogar zwei Arten aussuchen.

Je mehr Vögel man in seinem Lebensraum von links nach rechts auslegt, desto stärker werden die auf der rechten Seite

In jeden Lebensarum (Wald, Wiese, Fluss) passen fünf Vögel.
In jeden Lebensraum (Wald, Wiese, Fluss) passen fünf Vögel.
angezeigten Vorteile, die man mit einer Aktion bekommt: Im Wald sammelt manFutter, in der Wiese gibt es Eier und am Fluss neue Vögel. Und all das wird jeweils in der Ausbeute bzw. Wahl gesteigert, wenn dort zwei, drei bis maximal fünf Vögel nisten - so kann man sich ein wenig spezialisieren. Und ganz wichtig: So kommt es zu multiplen Kombinationen, denn sobald man eine Aktion in einem üppig besetzten Lebensraum tätigt, werden alle (!) Fähigkeiten der dort nistenden Vögel ausgelöst.

Wie kommt sonst noch Taktik ins Spiel? Zum einen muss man gut mit Futter und Eiern haushalten, denn auch Letztere werden als Bezahlung benötigt, wenn man weitere Vögel in Spalte zwei bis fünf legt. Zum anderen sorgen die vier Bonusziele, die sich mit jedem Spielstart ändern, für andere Schwerpunkte in jeder aktiven Runde. Mal geht es darum, möglichst viele Eier in bestimmten Nestern zu haben, mal werden Vögel in Lebensräumen oder Sets aus Eiern in allen Bereichen gefördert. Am Ende der vierten Runde geht es aber auch um den generellen Wert der Vögel in der Punktzahl, denn sie werden alle gezählt. Zur Balance trägt bei, dass die "besten" Punktvögel nicht unbedingt die besten Fähigkeiten haben oder viel Futter benötigen.

Schön ist übrigens auch die durchdachte Boxgestaltung: Aufgrund der Behälter für Karten und Plättchen kann man auch nach
Die pastellfarbenen Eier werden in Nester gelegt.
Die pastellfarbenen Eier werden in Nester gelegt.
dem Spiel immer alles gut sortieren. Wer übrigens weniger Wettbewerb am Tisch bevorzugt, kann eine entschlackte Variante spielen. Außerdem dürfen sich Solisten über ein speziell angepasstes Automa-Regelwerk von David J. Studley inklusive eigener Karten freuen, so dass man auch alleine loslegen kann: Auf vier Seiten wird erklärt, wie der künstliche Gegner spielt, den man in drei Schwierigkeitsgraden herausfordern kann.

Was nicht so gut gefällt

Abgesehen von unwichtigen Kleinigkeiten wie sporadischen Fehlern in der ansonsten gelungenen deutschen Übersetzung des Feuerland Verlages gibt es nichts an diesem tollen Spiel auszusetzen. Auch das Material von den Karten bis zu Regelwerk und Tableaus ist durchweg hochwertig, was Papierqualität & Co betrifft. Einige Vielspieler werden evtl. noch mehr Taktik und Kombinationen vermissen. Etwas schade ist, dass die Farbe der Eier keine Rolle spielt, die man wahllos auf freie Nester verteilen darf. Vielleicht hätte auch eine Tauschmöglichkeit für mehr Interaktion und Dialog zwischen den Spielern sorgen können. Und so mancher in Rückstand liegende Spieler munkelte etwas von Nest-Sabotage oder Eierklau,
Aus dem Vogelhäuschen purzelt das Futter.
Aus dem Vogelhäuschen purzelt das Futter.
aber diese zerstörerischen Optionen hätten irgendwie nicht in den Kontext der Lebensräume gepasst. Wer es komplexer, aggressiver und strategischer in der Tierwelt mag, sollte sich unbedingt das weniger hübsche, aber inhaltlich grandiose Dominant Species anschauen, das ich hier besprochen habe.

Fazit

Dieses Spiel hätte sicher auch Johann Friedrich Naumann (1780 - 1857) gefallen, dem Begründer der Ornithologie. Aber ihr müsst kein Vogelkundler sein, um mit Flügelschlag euren Spaß zu haben. Ihr habt Lust auf das lockere Sammeln und Taktieren? Und mal auf etwas anderes als Fantasy, Science-Fiction & Co? Das reicht! Man kommt aufgrund der vier klaren Aktionen in einen angenehmen Spielfluss, so dass sich das Tableau schnell füllt. Zwar erreicht man nicht die Tiefe eines Terraforming Mars, aber es entsteht über vier Runden ein interessanter Wettbewerb um Vögel, Futter, Eier und Boni inklusive toller Kombinationen. Dazu trägt natürlich auch das wunderschöne Artdesign bei, das nicht nur über 170 toll illustrierte Vögel, sondern auch nettes Zubehör wie Würfelturm, Eier und Kartenablagen bietet - hier wirkt alles edel und ansehnlich. Für langfristige Motivation sorgen leichte Regelvarianten sowie flexible Bonusziele und selbst Solisten können loslegen. Wir spielen Flügelschlag gerade sehr gerne und ich
kann mir gut vorstellen, dass es das Kennerspiel des Jahres wird, auch wenn vielleicht auf lange Sicht etwas die Tiefe fehlt - nominiert ist es ja schon. Falls ihr die deutsche Version aktuell nicht mehr bekommt: Es wird im Juli bei Feuerland Spiele neu aufgelegt.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps, Klassiker oder ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet. Mehr Brettspiel-Tests und eine Top 20.

Kommentare

hauih schrieb am
Hallo
also wir haben das Spiel nun ca 10x gespielt mit verschiedenen Gästen und bisher hat es allen gefallen.
Es stimmt man spielt zwar die meiste Zeit für sich alleine aber einbischen taktieren kann man schon wenn man schaut was wie anderen für Vögel haben und was die Rundenziele sind.
Ich musste es allerdings auch erst 2-3 mal spielen um es richtig gut zufinden.
_1nSaNiTy_ schrieb am
calmon hat geschrieben: ?12.06.2019 23:02 Ich spiele so ziemlich jedes neue Brettspiel über Spielefreizeiten. Die Mechaniken in Flügelschlag sind einfach nicht besonders gut gelungen.
- Eiermaxwerte komplett irrelevant, es spielt nur ganz selten eine Nischenrolle bei welchem Vogel die Euer legen
- die 3 offenen Karten sind oft komplett unbrauchbar und jeder zieht verdeckt bis sie in der Aufräumphase ausgetauscht werden
- die Taktik ist ziemlich eingeschränkt, da man mehr oder weniger per Zufall seine Kombos bekommt (oder auch nicht)
In unserer Spielrunde konnte es keinen überzeugen und von den 70 anderen in der Frezeit gab es auch kaum positive Resonanz.
Finde es viel schlimmer das viele Vögel viel zu OP sind. Allgemein ist das Spiel relativ unbalanced. Bspw bekommen einige Vogel bei jeder Aktion Futter auf sie gelegt, davon zählt jede am Ende 1 Siegpunkt. Das macht das komplette Spiel kaputt. Vor allem da diese Vogel häufig nichtmal besonders teuer sind.
calmon schrieb am
Ich spiele so ziemlich jedes neue Brettspiel über Spielefreizeiten. Die Mechaniken in Flügelschlag sind einfach nicht besonders gut gelungen.
- Eiermaxwerte komplett irrelevant, es spielt nur ganz selten eine Nischenrolle bei welchem Vogel die Euer legen
- die 3 offenen Karten sind oft komplett unbrauchbar und jeder zieht verdeckt bis sie in der Aufräumphase ausgetauscht werden
- die Taktik ist ziemlich eingeschränkt, da man mehr oder weniger per Zufall seine Kombos bekommt (oder auch nicht)
In unserer Spielrunde konnte es keinen überzeugen und von den 70 anderen in der Frezeit gab es auch kaum positive Resonanz.
JohnApoplex schrieb am
FlyingDutch hat geschrieben: ?22.05.2019 16:09
JohnApoplex hat geschrieben: ?22.05.2019 11:58
Raskir hat geschrieben: ?22.05.2019 10:58 Hört sich Spaßig an. Dass es Kennerspiel wird, glaub ich aber nicht. Dafür ist detectives zu gut. Falls du es nicht gespielt hast, schaus dir mal an :)
Ich glaube, dass Flügelschlag die besten Chancen hat. Detectives ist schon ein extremes Nischenspiel und leider werden innovative Spiele bei der Auszeichnung nicht oft belohnt (als Beispiel TIME Stories 2016). Aber wer weiß, vielleicht gewinnt es ja doch, ich hätte noch nicht einmal gedacht, dass es unter den Top 3 landet (hätte mit Architekten gerechnet)
Ich denke auch, dass es Flügelschlag wird. Der Hype war und ist einfach riesig. Ich persönlich kann das nicht nachvollziehen, da mich weder Artwork noch Thematik ansprechen, aber bei anderen scheint das sehr zu ziehen. Aber: Feuerland als Verlag hat den Preis auf jeden Fall verdient :)
Auch mir hat Detective sehr viel Spaß gemacht, wobei ich es jetzt auch nicht als klassisches Brettspiel sehen würde. Wundert mich auch ein wenig, dass es überhaupt nominiert wurde, da der Wiederspielwert ja sehr gering ist.
Auf meiner persönlichen SDJ Liste stehen ohnehin ganz andere Spiele, aber die große "Ist der Spiel des Jahres Preis überhaupt relevant für Vielspieler"-Diskussion gab es ja schon bei der letztjährigen Verleihung... und der davor...
JohnApoplex hat geschrieben: ?22.05.2019 11:38
Was für mich hier ein Traum wäre, wenn du zu deinen Brettspiel Rezensionen ein Video machen würdest... entweder einfach ein bisschen was in die Kamera sprechen was du von dem Spiel hältst, ein Lets play oder sogar eine Spielvorstellung (was natürlich der größter Aufwand wäre) :)
Das sehe ich gänzlich anders. Hier bekommt man noch geschrieben Rezensionen von Brettspielen, was mittlerweile wirklich mit der Lupe zu suchen ist. Video-Lets Plays, -Vorstellungen und -Rezensionen gibt es doch zu jedem Spiel wie Sand am Meer. Gefühlt hat doch jeder zweite...
Jörg Luibl schrieb am
Okay, danke, das ist auch mal interessantes Feedback, was Video im Vgl. zu Berichten angeht.
schrieb am