Spezialisierung und Lebensräume
Die Vögel darf man allerdings nur auslegen, wenn man enstprechendes Futter hat. Je nach Art kann das aus Körnern, Fischen, Mäusen, Früchten, Würmern oder einer Kombination daraus bestehen - ein Papageientaucher braucht z.B. drei Fische, dann darf man ihn am Fluss auslegen, der Rotschulterbussard benötigt eine Maus, um in den Wald zu kommen. Und wo kommt das Futter her? Es purzelt aus dem vorher zusammen gebastelten Vogelhäuschen in Form von fünf Würfeln, die entsprechende Symbole anzeigen - es ist also nicht immer alles vorhanden; später kann man aber über Spezialfähigkeiten zusätzliches Futter erwerben; der Kolkrabe darf sich sogar zwei Arten aussuchen.
Je mehr Vögel man in seinem Lebensraum von links nach rechts auslegt, desto stärker werden die auf der rechten Seite
In jeden Lebensraum (Wald, Wiese, Fluss) passen fünf Vögel.
angezeigten Vorteile, die man mit einer Aktion bekommt: Im Wald sammelt manFutter, in der Wiese gibt es Eier und am Fluss neue Vögel. Und all das wird jeweils in der Ausbeute bzw. Wahl gesteigert, wenn dort zwei, drei bis maximal fünf Vögel nisten - so kann man sich ein wenig spezialisieren. Und ganz wichtig: So kommt es zu multiplen Kombinationen, denn sobald man eine Aktion in einem üppig besetzten Lebensraum tätigt, werden alle (!) Fähigkeiten der dort nistenden Vögel ausgelöst.
Wie kommt sonst noch Taktik ins Spiel? Zum einen muss man gut mit Futter und Eiern haushalten, denn auch Letztere werden als Bezahlung benötigt, wenn man weitere Vögel in Spalte zwei bis fünf legt. Zum anderen sorgen die vier Bonusziele, die sich mit jedem Spielstart ändern, für andere Schwerpunkte in jeder aktiven Runde. Mal geht es darum, möglichst viele Eier in bestimmten Nestern zu haben, mal werden Vögel in Lebensräumen oder Sets aus Eiern in allen Bereichen gefördert. Am Ende der vierten Runde geht es aber auch um den generellen Wert der Vögel in der Punktzahl, denn sie werden alle gezählt. Zur Balance trägt bei, dass die "besten" Punktvögel nicht unbedingt die besten Fähigkeiten haben oder viel Futter benötigen.
Schön ist übrigens auch die durchdachte Boxgestaltung: Aufgrund der Behälter für Karten und Plättchen kann man auch nach
Die pastellfarbenen Eier werden in Nester gelegt.
dem Spiel immer alles gut sortieren. Wer übrigens weniger Wettbewerb am Tisch bevorzugt, kann eine entschlackte Variante spielen. Außerdem dürfen sich Solisten über ein speziell angepasstes Automa-Regelwerk von David J. Studley inklusive eigener Karten freuen, so dass man auch alleine loslegen kann: Auf vier Seiten wird erklärt, wie der künstliche Gegner spielt, den man in drei Schwierigkeitsgraden herausfordern kann.
Was nicht so gut gefällt
Abgesehen von unwichtigen Kleinigkeiten wie sporadischen Fehlern in der ansonsten gelungenen deutschen Übersetzung des Feuerland Verlages gibt es nichts an diesem tollen Spiel auszusetzen. Auch das Material von den Karten bis zu Regelwerk und Tableaus ist durchweg hochwertig, was Papierqualität & Co betrifft. Einige Vielspieler werden evtl. noch mehr Taktik und Kombinationen vermissen. Etwas schade ist, dass die Farbe der Eier keine Rolle spielt, die man wahllos auf freie Nester verteilen darf. Vielleicht hätte auch eine Tauschmöglichkeit für mehr Interaktion und Dialog zwischen den Spielern sorgen können. Und so mancher in Rückstand liegende Spieler munkelte etwas von Nest-Sabotage oder Eierklau,
Aus dem Vogelhäuschen purzelt das Futter.
aber diese zerstörerischen Optionen hätten irgendwie nicht in den Kontext der Lebensräume gepasst. Wer es komplexer, aggressiver und strategischer in der Tierwelt mag, sollte sich unbedingt das weniger hübsche, aber inhaltlich grandiose Dominant Species anschauen, das ich
hier besprochen habe.
Fazit
Dieses Spiel hätte sicher auch Johann Friedrich Naumann (1780 - 1857) gefallen, dem Begründer der Ornithologie. Aber ihr müsst kein Vogelkundler sein, um mit Flügelschlag euren Spaß zu haben. Ihr habt Lust auf das lockere Sammeln und Taktieren? Und mal auf etwas anderes als Fantasy, Science-Fiction & Co? Das reicht! Man kommt aufgrund der vier klaren Aktionen in einen angenehmen Spielfluss, so dass sich das Tableau schnell füllt. Zwar erreicht man nicht die Tiefe eines Terraforming Mars, aber es entsteht über vier Runden ein interessanter Wettbewerb um Vögel, Futter, Eier und Boni inklusive toller Kombinationen. Dazu trägt natürlich auch das wunderschöne Artdesign bei, das nicht nur über 170 toll illustrierte Vögel, sondern auch nettes Zubehör wie Würfelturm, Eier und Kartenablagen bietet - hier wirkt alles edel und ansehnlich. Für langfristige Motivation sorgen leichte Regelvarianten sowie flexible Bonusziele und selbst Solisten können loslegen. Wir spielen Flügelschlag gerade sehr gerne und ich kann mir gut vorstellen, dass es das Kennerspiel des Jahres wird, auch wenn vielleicht auf lange Sicht etwas die Tiefe fehlt - nominiert ist es ja schon. Falls ihr die deutsche Version aktuell nicht mehr bekommt: Es wird im Juli bei Feuerland Spiele neu aufgelegt.
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps, Klassiker oder ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet. Mehr Brettspiel-Tests und eine Top 20.