Eigentlich ist der gigantische Erfolg der The Last Of Us-Reihe eine kleine Sensation. Denn bei Licht betrachtet erzählt vor allem das erste Spiel keine neue Story: Ein Erwachsener, der ein besonderes Kind beschützt, das hat es sowohl als B-Movie wie auch als anspruchsvollen Film ("Children of Men") schon häufiger gegeben. Und auch das Sujet "Zombieapokalypse" ist gerade in Videospielen bis zur Schmerzgrenze ausgereizt worden, auch wenn man Autor Neil Druckmann den Twist mit der Pilzinfektion als Pluspunkt anrechnen muss. Zwar erschien mit "The Girl with all the Gifts" im Jahr 2014 ein Roman mit ähnlicher Grundidee, aber beide Geschichten entwickeln sich schnell auseinander und dürften angesichts des kurzen Zeitraums, in dem Spiel und Roman auf den Markt kamen, wohl kaum voneinander abgeschrieben sein.
Auch das spielerische Konzept von TLOU – so gut es gemacht war – erfand das Rad nicht neu:
Zusätzlich zu der grandios erzählten Geschichte kommt die phänomenale Arbeit von Naughty Dog, eine glaubwürdige Post-Apokalypse zu entwerfen und die Spieler wirklich in eine Welt zu entführen, in der die sterbende Zivilisation ihr Terrain wieder an die seit Jahrmillionen existierende Natur verliert – in manchmal wunderschönen (Giraffen!) und manchmal grausamen Bildern. Eine Umsetzung des Spiels als Serie musste also diese beiden Hürden nehmen, um den Geist der Vorlage auf den Bildschirm zu transportieren. Und HBO hat viele richtige Entscheidungen getroffen, um das zu gewährleisten...
Der Beste für den Job
Fireflies-Chefin Marlene gibt Joel und Tess eine Auftrag: Sie sollen die junge Ellie bis zum Rathaus bringen, wo ein weiteres Team sie erwartet. Ellie wird gespielt von Bella Ramsey. (Quelle: HBO)
Es beginnt damit, dass der Streamingdienst Neil Druckmann – gemeinsam mit dem erfahrenen Drehbuchautoren Craig Mazin ("Chernobyl") – mit der Umsetzung der Serie beauftragt hat. Eine gute Wahl: Mazin ist ein Meister darin, Emotionen zu wecken, und die Welt von TLOU kennt niemand besser als Druckmann. Damit erhielt der Schöpfer des Spiels die Chance, seine Erzählung an einigen nochmals nachzuschärfen oder im Detail alternative Entscheidungen zu treffen. Zusätzlich holte HBO mit Gustavo Santaolalla den Komponisten an Bord, der bereits das Spiel mit dem atmosphäreprägenden Soundtrack versorgte – und dies nun auch in der Serie tut. Dass darüber hinaus Schauspieler wie Merle Dandridge (in Spiel und Serie Marlene), Ashley Johnson (im Spiel Ellie), Troy Baker (im Spiel Joel) oder Jeffrey Pierce (im Spiel Tommy) verpflichtet wurden, unterstreicht nochmals den Willen von HBO, die Serie so dicht am Spiel zu orientieren, wie es möglich – und aus dramaturgischen Gesichtspunkten machbar war. Das ist nicht perfekt gelungen – aber sehr gut.
Beginnen wir mit dem Schauspieler-Duo, das die Zuschauer durch die Serie tragen soll: Pedro Pascal hat bereits mehrfach bewiesen, dass er seinen Job beherrscht. Und auch, wenn sich viele Fans seinen "Game of Thrones"-Kollegen Nikolaj Coster-Waldau als Joel gewünscht hatten – Pascal liefert eine großartige Performance ab, in der er oft komplett ohne Text seine Gefühle transportiert und das Publikum in manchen Szenen zu Tränen rühren dürfte. Während Pascal im Vorfeld von vielen schnell akzeptiert wurde, schlug Bella Ramsey, die für ihre Rolle in Game of Thrones noch frenetisch gefeiert wurde, eine Welle von Hass entgegen. Sie sei nicht hübsch genug, um Ellie zu spielen, war die einhellige Meinung der Hater. In der fertigen Serie beweist die mittlerweile 19-jährige, wie sehr ihre Kritiker irrten. Denn auch wenn sie optisch nur wenig Ähnlichkeit mit der Game-Ellie aufweist, so trifft sie doch den Kern ihres Charakters genau. Ihre tiefen Wunden auf der Seele, die sie mit Humor und Galligkeit zu tarnen versucht, ihre emotionale Klugheit, die sie auf der Reise zu ihrem Ziel immer wieder in tiefes Leid stürzt, all das spielt Ramsey beeindruckend gut. Dass ihr Gesicht nicht so aussieht wie das von Ellie, sollte deshalb keine Rolle spielen.
Nur fast perfekte Endzeit
Auf dem Weg nach Westen sieht Ellie viele Dinge zum ersten Mal., auch Massengräber und abgestürzte Flugzeuge gehören dazu. (Quelle: HBO)
Nicht ganz so perfekt wie die Besetzung ist hingegen die Erschaffung der TLOU-Welt für die Serie. Zwar gibt sich das Team aus Effekte-Machern und Set-Designern alle Mühe, möglichst dicht an die Bilder aus dem Spiel heranzukommen. Aber es fehlt die letzte optische Wucht, eine ganze Großstadt verfallen zu sehen, auch wenn die Serie zu den teuersten Projekten gehört, die HBO je in Auftrag gegeben hat. Einige aus dem Spiel bekannte Orte sind sehr gelungen umgesetzt, manch andere vermisst man hingegen schmerzlich. Das letzte Wort lässt sich dazu aber vorab nicht sagen, da alle Folgen ab Episode 3 unserer "Test-Version" als Work in Progress gekennzeichnet waren, denen zum Teil sichtbar noch Effekte fehlten. Allerdings dürfte das auch nur Gamer stören, die die Vorlage kennen, denn nach neutralen Maßstäben ist die HBO-Serie auch optisch eine Wucht. Und für diese letzten fünf Prozent, die hier fehlen, hätte es wohl auch eines Budgets bedurft, das in der Realität nur James Cameron zur Verfügung steht...