Special: NBA Jam (Oldie) (Sport)

von Matthias Schmid



NBA Jam (Oldie) (Sport) von Midway
Arcadesport in Perfektion
Entwickler:
Publisher: Midway
Release:
1994
1995
1993
1994
Spielinfo Bilder Videos
Boomshakalaka! 1993 gelingt Midway - zuerst in der Spielhalle, dann auf den Konsolen - ein Geniestreich: NBA Jam packt die beste Basketball-Liga der Welt in ein Videospiel, das noch mehr Spaß macht als die sportliche Vorlage.

Basketball 2.0

„NBA Jam ist so realistisch - es ist, wie wenn du echten Basketball auf deinem Fernseher steuern kannst“. Das behauptete einer der Werbeslogans vom Original-Arcadeflyer 1993. Doch ich möchte anmerken: Das war gelogen! Denn NBA Jam war besser als echter Basketball und damit besser als die Realität! So wie Rocky geiler als jeder echte Boxkampf war - kein Taktieren, keine Deckung, sondern 12 oder gar 15 Runden volles Mett gegen die Rübe. Analog dazu gab es in NBA Jam keine Schlussviertel voller Freiwürfe, kein langes Passen um die Dreierlinien herum - stattdessen tonnenweise überzogene Dunks, rasante Fastbreaks oder Monsterblocks. Passend zur vielleicht prickelndsten Phase der nordamerikanischen Profi-Liga mit ihrem Weltstar Michael Jordan, dem Hype um das US-Dream-Team, den Pippens, Malones, Millers, Ewings, Shaqs, Stocktons, Barkleys, Robinsons oder Olajuwons programmierte Midway ein Arcade-Sportspiel, das nicht nur unwiderstehlich aussah, sondern auch spielerisch innovative Wege beschritt. Auch in Deutschland erreichte der Ballsport in dieser Zeit ungeahnte Beliebtheitssphären: Via DSF wurden die Spiele oder wenigstens die Zusammenfassungen in heimische Jugendzimmer gesendet und Detlef Schrempf, der beste deutsche Basketballspieler seiner Generation, wurde 1993 zum ersten Mal zum All-Star-Game eingeladen; und zwar zu jenem Ost-West-Wettstreit, bei dem auch dieses Videospiel enthüllt wurde.

So habt ihr NBA Jam vermutlich nicht in Erinnerung: Auf dem Game Boy litt das NBA-Flair doch merklich.
So habt ihr NBA Jam vermutlich nicht in Erinnerung: Auf dem Game Boy litt das NBA-Flair doch merklich.
NBA Jam erschien zuerst in der Spielhalle, und zwar auf Midways T-Unit-Arcadeboard, auf dem u.a. auch Mortal Kombat 1&2 liefen. Mark Turmell, Designer und Lead Programmer des Spiels, verriet in einem interessanten Bericht für arsTECHNICA, dass Midway insgesamt 27.000 Stück der Vierspieler-Automaten verkaufen konnte - und diese innerhalb des ersten Jahres die astronomische Summe von einer Milliarde US-Dollar Umsatz machten. Aufgrund dieses Erfolgs wurde der Funsport-Pionier u.a. als „Tournament Edition“ mit zusätzlichen NBA-Stars und geheimen Charakteren für zig Systeme umgesetzt - z.B. für den Atari Jaguar oder Nintendos ollen Game Boy. Kleine Anmerkung meinerseits, der sich als Knabe letztere Version zugelegt hatte: Es saugt beinahe den kompletten Spielspaß aus NBA Jam, wenn sich die Turbo-Taste auf dem Startknopf befindet, coole Manöver sind damit fast unmöglich!

Die allermeisten von uns kennen das Kultspiel aber vermutlich vom Mega Drive oder dem Super Nintendo - und kamen allein schon wegen dieses Titels nicht um ein Multitap herum. Denn NBA Jam war im Mehrspieler-Modus tatsächlich unfassbar spaßig. Es ging stets Zwei-gegen-Zwei, Fouls gab es nicht und im Aus landete der Ball auch nur selten. Stattdessen: mutige Dreier, pfiffige Steals (Stockton!), herrlich absurde Dunks. Die simple Steuerung (zwei Buttons für Wurf/Sprung und Pass/Steal) in Kombination mit vereinfachten Regeln (Shot-Clock und Goaltending ja, Freiwürfe und 3-Sekunden-Regel nein) gestaltete den Einstieg denkbar einfach. Zudem galt: Mein Spieler bleibt mein Spieler! Wer allein spielte, forderte vom CPU-Kollegen auf Knopfdruck den Ball, wechselte aber nicht die Sportler. Und zu zweit gab es ohnehin keine Diskussion bei nur zwei Athleten. Doch halt, das stimmt nicht ganz -  bei der Teamwahl ging es hoch her: Wer darf Pippen nehmen, wer muss Grant wählen? Wer steuert Robinson, wer den anderen…?

Verwirrte Spieler

Sprungball in der sehr gelungenen SNES-Fassung: Achtet auf die Acclaim- und Iguana-Logos über dem Spielfeldrand.
Sprungball in der sehr gelungenen SNES-Fassung: Achtet auf die Acclaim- und Iguana-Logos über dem Spielfeldrand.
Midway-Mann Turmell hat auch dazu eine Anekdote parat: Weil den Zockern vor Release bei sogenannten Location Tests in Chicago anfangs oft nicht klar war, wen sie steuerten und ob sie die Spieler wechselten, wurden nicht nur Turbo-Leiste und Schuhe passend eingefärbt, sondern zum Spielstart auch eine Box eingeblendet, die jedem Spieler erklärt, wen er auf dem Platz dirigiert. Auch die für den Langzeitspaß und die eigene Teamtaktik so wichtigen Spielerwerte waren während der Entwicklungsphase lange Zeit nicht eingeplant: Erst als sich die Tester beklagten, warum denn die nachgebauten Stars nicht die entsprechenden Stärken und Schwächen hätten - z.B. Dunks von Kemp, Dreier von Shaq - einigte sich das Entwicklerteam auf acht Werte, die den digitalisierten Sportler einen individuellen Charakter verliehen.

Apropos Digitalisierung: Damit war Ende der 1980er, Anfang der 1990er nicht die zunehmende Vernetzung im privaten, öffentlichen und wirtschaftlichen Raum gemeint, sondern die Übertragung von echten Fotos ins Videospiel. Bei Mortal Kombat z.B. wurden die Schläge, Tritte und Sprünge von Schauspielern und Kampfsportlern ins 2D-Spiel übertragen - und das schwebte auch dem Team von NBA Jam vor. Schließlich musste auch die National Basketball Association davon überzeugt werden, ihre kostbare Lizenz erstmals an ein Arcade-Spiel zu vergeben: Dazu drehte Midway eigens einen braven Imagefilm, der die Spielhalle als Ort von Familienausflügen und nicht als rauchige Spelunke inszenierte - aber natürlich half dabei auch die damals sehr fortschrittliche, realitätsnahe Optik. Die Macher engagierten Streetball-Spieler aus Chicago, mieteten für mehrere Tage eine große Halle, pinselten die Wände einfarbig an und filmten die Läufe, Dribblings, Sprünge und Dunks der Athleten. Danach wurde die besten Frames ausgewählt, jeweils einzeln aufwändig freigestellt und als 2D-Bitmapgrafik fertig fürs Spiel gemacht.

Kommentare

kagrra83 schrieb am
Lustig, zocke ich seit paar WOchen auf meinem Retrohandheld dieses Spiel rauf und runter. SO ein guter Artikel.
Nur noch ich könnte einen Artikel so gut hinschreiben, höhö.
Der Matthias...guter Mann, wirklich guter Schreibeling. Lese so gerne seine Texte.
JudgeMeByMyJumper schrieb am
Außergewöhnlich gut geschrieben. Soviel Herzblut liest man nicht nur selten, sondern nie. Geht ja eigentlich auch nur beim Klassiker. Aber das ist der Wahnsinn. Dafür sollte es eigentlich auch Test/Rückblick-Videos für pur Abonnenten geben. Das würde sich wirklich lohnen.
CritsJumper schrieb am
Stimmt Space Jam kam ja erst viel später, ich war schon verwundert warum Michael Jordan angeblich nicht mit dabei war.
:) Mir hat natürlich am besten gefallen was im Sport-Special genannt wurde, wo ein Entwickler seinem Lieblings Team heimlich bessere Werte ins Spiel geschmuggelt hatte... da sieht man mal das ein Schummeln auch so alt wie die Menschheit ist. Mein Bruder hatte auch nie bemerkt das bei seinem Gamepad die wichtige Taste nicht immer zuverlässig funktionierte.. ;) doch da war es noch verschleiß.
mekk schrieb am
Schöne Anekdoten, schön geschrieben! :D
4players hat mit dir einen weiteren guten Schreiberling hinzugeholt. Eine Bereicherung für 4players!
Hatte damals auf dem Flohmarkt NBA Jam für den Game Boy ergattert. Der Turbo auf Start war wirklich ein Krampf. Spaß hat es mir als kleiner Junge dennoch gemacht. :D
Schönes Wochenende! :)
4P|Matthias schrieb am
suicide-samurai hat geschrieben: ?27.11.2020 11:15
4P|Matthias hat geschrieben: ?27.11.2020 09:36
suicide-samurai hat geschrieben: ?27.11.2020 08:13 WItzig, mit sowas beschäftigt ihr euch, aber der Test zu NBA2k21 next gen fehlt nach wie vor, schade, da die Änderungen zur current-gen signifikant sind und es die bisher größte Next-Gen "Duftmarke" setzt...
Finde ich nicht witzig. Aber alles gleichzeitig geht nun mal nicht - und in diesem Fall lag die Priorität auf dem Retro-Bericht für unsere PUR-Abonennten. Test zu NBA2K21 ist in Arbeit und kommt nächste Woche.
Freut mich zu hören, bin schon gespannt. Beste Grüße und schönes Wochenende.
Danke & ebenso!
schrieb am