Special: Cheats: die Kultur des Schummelns (Unternehmen)

von Julian Kücklich



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Publisher: 4Players
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 4. Zusammenfassung

In der realen Welt werden Aktivitäten, die uns dazu verleiten, unsere Annahmen über die Welt zu hinterfragen, oft als Kunst betrachtet. In Spielwelten hingegen werden solche Aktivitäten meist als Vandalismus betrachtet, es sei denn, sie stören nicht, so wie Eddo Sterns MMOG-Kunstwerk Summons to Surrender - eine Sammlung von Charakteren, die die selben Tätigkeiten immer und immer wieder wiederholen. Aus ästhetischer Perspektive ist es nicht einfach zwischen diesen 'subversiven' Tätigkeiten zu unterscheiden, da sie sich nur im Ausmaß ihrer Auswirkungen unterscheiden. Während künstlerische Projekte in der realen Welt kaum wirtschaftliche Systeme aus dem Gleichgewicht bringen werden, ist dies eine sehr reale Gefahr in virtuellen Welten.

Der Verlust virtueller Gegenstände oder Charaktere kann für deren Eigentümer einen echten finanziellen Verlust bedeuten, aber dies ist nicht die eigentliche Bedrohung, die von Cheats ausgeht. Die Gefahr liegt vielmehr in der Desillusionierung der Spieler. Cheats in virtuellen Welten funktionieren als Signal für andere Spieler, dass diese Welten nicht von den Regeln der realen Welt ausgenommen sind. Vielmehr sind Spiele denselben Machtrelationen unterworfen wie die sozialen Systeme des realen Lebens. Das heißt nicht unbedingt, dass Mogeln eine noble Tätigkeit ist, aber dennoch ist es ein wichtiger Hinweis darauf, dass das Spielfeld sich weit jenseits der Grenzen der Spielwelten erstreckt, und betont den Status von Spielen als kulturelle Gegenstände.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Cheats mehr wissenschaftliche Betrachtung verdienen als sie bisher erhalten haben, da sie dazu beitragen, die Wahrnehmung digitaler Spiele besser zu verstehen. Mogeln ist ein wichtiger Teil der Spielkultur und dies wird auch in Zukunft so bleiben. Die wissenschaftliche Betrachtung von Cheats betont daher die Tatsache, dass Spiele in einen größeren sozialen und kulturellen Kontext eingebunden sind, der untrennbar mit der realen Welt verbunden ist. Das Phänomen des Mogelns ist besonders interessant im Zusammenhang mit MMOGs, da diese als neue partizipatorische Medienformen betrachtet werden können, in die kulturelle Codes der realen Welt wie Waren- und Finanzverkehr eingeschrieben sind. Insofern als die Charaktere in MMOGs selbst zur Ware werden können, kann man sagen, dass Cheats, die diesen Prozess der 'Warenwerdung' kommentieren, kritisches Potenzial besitzen. Ob diese Kritik von den Cheatern beabsichtigt ist, spielt dabei keine Rolle. Wie im Fall der Spiele selbst ist die Absicht nicht so wichtig wie das Resultat - die kreative Nutzung kommerzieller Spiele. Zumindest verdienen Cheats also Respekt dafür, dass sie uns auf die soziale Ästhetik der Spiele, die wir spielen, aufmerksam machen.

Literatur

(Alle Websites wurden zuletzt im Februar 2004 besucht.)

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Kaufman, Jeremiah. "Cheating: For the Love of God, Don't Do It". Adventure Collective, September 17, 2000 http://www.adventurecollective.com/features/feature-cheating.htm.

Klevjer, Rune. "Computer Game Aesthetics and Media Studies." Paper presented at the 15th Nordic Conference on Media and Communication Research. Reykjavik, Iceland, 11-13 August 2001. http://uib.no/people/smkrk/docs/klevjerpaper_2001.htm.

Kücklich, Julian. "Literary Theory and Computer Games". Cosign 2001 Proceedings. Amsterdam: CWI 2001, pp. 51-58.

Kuo, Andy. "A very brief history of cheating". How They Got Game Archive. http://shl.stanford.edu/Game_archive/StudentPapers/BySubject/A-I/C/Cheating/Kuo_Andy.pdf.

Manovich, Lev. The Language of New Media. Cambridge, Mass. and London: The MIT Press, 2001.

Morris, Sue: "Co-Creative Media: Online Multiplayer Computer Game Culture." Scan, Vol. 1, Nr. 1. www.scan.net.au/ scan/journal/display_article.php?recordID=16

Pritchard, Matt. "How to Hurt the Hackers: The Scoop on Internet Cheating and How You Can Combat It". Gamasutra, July 24, 2000. http://www.gamasutra.com/features/20000724/pritchard_pfv.htm

Reid, Elizabeth: "Hierarchy and Power. Social Control in Cyberspace." Communities in Cyberspace. Ed. Marc A. Smith and Peter Kollock. London and New York: Routledge, 1999: 107-133.

Salen, Katie and Eric Zimmerman: Rules of Play. Game Design Fundamentals. Cambridge, Mass. and London: The MIT Press, 2003.

Taylor, T.L.: "Power gamers just want to have fun?: Instrumental play in a MMOG." Level Up. Digital Games Research Conference. Ed. Marinka Copier and Joost Raessens. Utrecht: Faculty of Arts, Utrecht University, pp. 300 - 311.

Wayner, Peter. "Do Cheaters Ever Prosper? Just Ask Them". The New York Times, March 27, 2003.

Winnicott, Donald. The Family and Individual Development, London: Tavistock Publications, 1965.

Wright, Talmadge, Eric Boria and Paul Breidenbach. "Creative Player Actions in FPS Online Video Games. Playing Counter-Strike". Game Studies, Vol. 2.2, December 2002.
 

Kommentare

FreshG schrieb am
Ich finde das einzige Game wo man Cheaten "darf" ist GTA, WENN man es vorher schon einmal ohne Cheats durchgezockt hat. So mach ich das zumindest mit z.B. GTA IV. Ich habs durchgezock und danach nomma mit Cheats :wink:
Sifo-Dyas schrieb am
@nickname101
Ich frage mich: Ist es schick oder Neid, dauernd Intellektuellenschelte zu betreiben?
Ich will es mal so ausdrücken: Ist es denn schicker, sich über Menschen zu muckieren, die einfachere Formulierungen bevorzugen (soviel auch zum Thema, dein Artikel enthalte keinerlei Polemik oder Pauschalisierungen)?
Außerdem macht allein die ´´Fähigkeit´´ keine Nachschlagewerke benutzen zu müssen (oder die bloße Meinung, man müsse das nicht mehr), jemanden noch lange nicht zu einem Intellektuellen - mal ganz davon abgesehen, daß einem dadurch auch kein Halbgott-Status zuteil wird.
Ich begreife auch nicht, was das Gepoche auf eine Inhaltsbezogene Debatte soll. Es ging bei der vorangegangenen Kritik ja nicht um Inhalte, sondern im Wesentlichen um die Form.
Angesprochen habe ich mich im Übrigen auch nicht gefühlt, ich persönlich finde den Artikel garnicht schlecht (auch wenn ich inhaltlich nicht Allem zustimme), kann aber verstehen wenn der Ein- oder Andere von dir als ´´Intelektuellen-Hasser´´ verschiehene Durchschnittsleser sich einen etwas anderen Stil gewünscht hätte.
Mich hat einfach nur gestört, daß du dich im Grunde über den Ton der Kritik anderer ereiferst, dann aber selbst in jedem zweiten Satz irgend eine dümmliche Polemik einbauen mußtest (und das wohlgemerkt in deinem ersten Posting). Vor deinem rethorisch nett verpackten Troll-Posting schien mir das Diskussions-Klima bei weitem angenehmer.
So das war jetzt aber auch meine letzte ´´Retourkutsche´´, ich wünsche dir ein schönes Wochenende und hoffe du nimmst meine Worte mal als Anlaß, dein erstes Posting nochmal in Ruhe durchzulesen und zu überdenken, ob du dich nicht vielleicht doch ein wenig im Ton vergriffen hast.
Clint schrieb am
@nickname101:
Ein kleiner Einwurf zu Deinem an Sifo-Dyas gerichteten Test ist noch angebracht (auch auf diesen Text bezogen).
Du schreibst, dass nicht inhaltlich kritisiert wird, sondern nur an der Sprache rumgemeckert wird. Das is ja auch ein Problem, nicht jeder kennt immer die genaue Bedeutung der im Text verwendeten Begriffe. Wenn ich also nicht relativ aufwendige Recherchen anstelle, dann fällt es mir manchmal nicht leicht da mitzudiskutieren, außer ich bin zufällig auch (wie hier im sozialtheoretischen Bereich) in der Materie drin. Genau dann behindert eine übertrieben mit Fachbegriffen überfrachtete Ausdrucksweise den Dialog.
Ich bin ja auch naturwissenschaftler, ich weiß also wie man abstrahiert und die Realität auf Begrifflichkeiten und Modelle abbildet, aber mir scheint das manchmal einfach überflüssig und mehr eine Spielerei. Und grade bei diesem Artikel stellt sich mir halt die Sinnfrage. :) Gerade ein Verhaltensmuster wie das \"Cheaten\" wissenschaftlich so zu erfassen, wie es hier erfolgt, ist doch eher fragwürdig.
Ansonsten finde ich Deine Ausführungen sehr interessant und kann Dir nur zustimmen.
johndoe-freename-80028 schrieb am
wer sich angesprochen fühlt.
@Sifo-Dyas: Und dummerweise gibt es auch keine \"Fallstricke\" in meiner Argumentation, ebenso wenig ist sie polemisch pauschal, sondern nur deine etwas lahme Retourkutsche. Aber mal inhaltlich zur Klärung: Das Ausholen war wichtig, weil sich in manchen Postings zeigt, dass die Kritik nicht untermauert ist, sondern letztlich ein tatsächliches Pauschalurteil des Postenden auf Grundlage des persönlichen Sprachgefühls und der Ablehnung wissenschaftlicher Ansätze allgemein darstellt. Und das nervt, wenn ansonsten nicht weiter inhaltlich kritisiert wird. Das würde nämlich mal weiterbringen. Aber dazu muss man von der Oberfläche abgehen und den eigenen Gehirnschmalz bemühen.
Du magst ja alles relativieren und auf den persönlichen Geschmack reduzieren wollen - das ist ja inzwischen üblich geworden, statt Kritik argumentativ zu begegnen -, aber wen bringt das weiter? Führt das etwa zu besseren Artikeln? Der Nachweis, es liesse sich alles einfacher ausdrücken ist noch nicht erbracht worden. Wo ist also dein Punkt?
Vermutlich kommt jetzt der obligatorische Hinweis, es gäbe keine Objektivität. Immer schön oberflächlich und rhetorisch bleiben, nicht wahr?
@ amayr: Ja, stimmt, es gibt rhetorisch aufgeblähte Artikel und es gibt umständliche Formulierungen, die vielleicht ungewollt, Fachidiotie oder nur mangelhaftes Ausdrucksvermögen sind. Aber nicht nur wissenschaftliche, die aber im Forum (nicht nur hier) immer mit demselben negativen Vorwurf der \"Fachsprache\" oder der Selbstbeweihräucherung bedacht werden. Ich frage mich: Ist es schick oder Neid, dauernd Intellektuellenschelte zu betreiben? Ich sage nicht, dass DU sie betreibst - um Missverständnissen vorzubeugen.
Zumal: Der Vorwurf endet in den meisten Fällen damit, dass der Text das eigene Sprachgefühl nicht trifft, aber inhaltlich gibt es doch kaum Auseinandersetzung. Die Reflexhaftigkeit dieser Vorwürfe in Ermangelung inhaltlicher Auseinandersetzung erweckt den Eindruck, als hätte der ein oder...
Clint schrieb am
Eine kleine Klarstellung zur Kritik an den Artikeln:
Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass manche Autoren nur zeigen wollen, dass sie viele Fachbegriffe kennen. Genauso verhält es sich bei dem vorliegenden Text. Die Aussage dahinter ließe sich wohl in wenigen Sätzen zusammenfassen.
Gut man könnte auch noch anmerken, dass es nicht sehr sinnvoll ist einen Artikel mit so vielen (wahrscheinlich) Sozialtheoretischen Begriffen vollzustopfen, dass eh nur ein geringer Prozentsatz der Leser auf so einer Gaming-Seite fast jeden Begriff sofort richtig versteht. Aber das ist eher eine Frage der Zielgruppe und fällt somit auch in die Verantwortung der Redakteure von 4Players.
Aber gut, man muss die Texte ja nicht lesen, wenn man nicht will. :)
schrieb am