Brettspiel-Test: Puerto Rico (Worker Placement (Arbeitersetzspiel))

von Jörg Luibl



Entwickler:
Release:
08.08.2011
08.08.2011
11.2005
08.05.2002
Spielinfo Bilder  
Cleverer Rollenwechsel

Sechs der acht Rollenkarten: Hier wird die kommende Aktion für alle festgelegt.
Sechs der acht Rollenkarten: Hier wird die kommende Aktion für alle festgelegt.
Schon hier erkennt man, dass man seine Züge nicht alle sicher planen kann – vieles lässt sich in Puerto Rico eiskalt kalkulieren, man kann sich regelrechte Wirtschaftswege zurechtlegen, aber eben nicht alles am Reißbrett entwerfen. Denn wer ein Gebäude errichten will, muss entweder Glück haben, dass jemand den Bürgermeister als Rolle wählt oder das selbiger beim eigenen Zug noch zur Wahl steht. Trotzdem hat der Zufall im Laufe der knapp zwei Stunden Spielzeit wenig Einfluss; lediglich die vier verfügbaren Plantagen werden vom Stapel aufgedeckt. Dafür lockt das schnelle Geld: Auf alle Rollenkarten, die nicht gewählt wurden, kommt jeweils eine Dublone! Und sobald zwei, drei da liegen, schmeißt man seine eigentliche Planung vielleicht doch über den Haufen…

Es geht eher um die spannende Qual der Wahl, um die richtige Entscheidung und Effizienz. Welches Gebäude baut man bloß? Und welches danach? Es gibt über zwanzig Karten, mit denen man die zwölf freien Bauplätze bestücken kann. Sie haben alle Auswirkungen auf mögliche Ernten, Umsatz, Warensorten, Kolonisten, Plantagen oder Lagerkapazität. Man kann direkt in kleine Fabriken investieren oder sparen, um nicht nur einmal, sondern gleich dreimal Indigo zu ernten. Oder auf Sparflamme Mais anpflanzen? Dann braucht man gar kein Gebäude, nur Kolonisten! Hinzu kommen noch fünf große Gebäude wie Rathaus, Residenz oder Festung, die nach Spielende für alle angelegten Felder, aktive Kolonisten oder besetzte Gebäude zusätzliche Siegpunkte einbringen – sie können das Zünglein an der Waage sein.

Knallhartes Mikromanagement

Viel wurde noch nicht angepflanzt, aber dafür arbeiten Kolonisten (braune Steine) fleißig!
Viel wurde noch nicht angepflanzt, aber dafür arbeiten Kolonisten (braune Steine) fleißig!
Man braucht Zeit, um Puerto Rico komplett zu verinnerlichen, denn es ist nicht nur aufgrund seines Artdesigns abstrakter als Agricola. Auch die Abläufe aus Bau, Ernte, Besiedlung und Rohstoffgewinnung sind komplexer, der Spielablauf wirkt insgesamt wirtschaftlicher. Das Schöne ist aber, dass man irgendwann das Gefühl hat, dass alles ineinander greift: Es wird erst geerntet oder produziert, wenn Kolonisten dort platziert werden. Diese müssen also zuvor angesiedelt werden. Ihre Waren müssen erstmal gelagert und können dann verschifft werden. Und für alles sind unterschiedliche Rollen nötig.

Das wichtigste Spielelement sind die vielen Gebäude, denn ihre Zahl ist begrenzt! Das heißt, dass man im schlimmsten Fall auch mal seine Strategie umwerfen muss – statt Tabak wird dann eben auf Zucker gesetzt. Wie intelligent das Spiel konzipiert ist, bemerkt man auch daran, dass auf die Vielfalt der Rohstoffe bei der Ausfuhr nach Europa geachtet wird. Man kann die Schiffe nicht einfach wild beladen, sondern muss die Regeln beachten: Immer nur eine Warensorte pro Schiff! Wenn es voll ist, hat man Pech gehabt! Auch da kann es sich lohnen, nicht nur die Plantagen der Konkurrenz, sondern auch ihre Lager im Auge zu behalten.

Ausblick

Jörg Luibl (44)  Puerto Rico ist eines der intelligentesten Brettspiele für Strategen. Obwohl man als Gouverneur eine Karibikinsel managt, kann es auf den ersten Blick nicht gerade mit seiner Aufmachung punkten – edel ist anders. Und man braucht Zeit, mindestens drei Spiele, um all die Möglichkeiten und Abhängigkeiten zu erfassen. Aber dafür überzeugt es auf den zweiten Blick mit seinen clever verzahnten Wirtschaftsmechanismen: Nirgends greifen Planung, Aufbau und Erlös so gut ineinander. Es gibt fast kein Zufallselement, aber trotzdem entsteht Spannung aufgrund der Qual der Wahl exklusiver Rollen und begrenzt vorhandener Gebäude. Man muss zudem dynamisch auf seine Mitspieler reagieren, um am Ende siegreich zu sein. Mir gefällt das bereits vorgestellte Agricola zwar noch einen Tick besser, weil es die Spannung noch besser mit seinem Zyklus komprimiert. Aber das Spiel von Andreas Seyfarth ist hinsichtlich Investition sowie Ertrag noch gnadenloser und gehört zu Recht zu den international gefeierten genialen Klassikern, die man einfach in der Sammlung haben muss - jetzt auch auf dem iPad!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare

dRaMaTiC schrieb am
Jep die Jubiläumsausgabe ist ihr Geld wert. Alles sehr hochwertig. Die Dublonen sind aus echtem Metal und auf den Kärtchen sind nun richtige Grafiken. Zudem liegen der Box die beiden Erweiterungen "Neue Gebäude" und "Die Adligen" direkt bei, inklusive Spielanleitung, auch für 2 Spieler.
Wer Puerto Rico noch nicht hat sollte den Aufpreis nicht scheuen! Im Internet gibt es da auch noch ausführlichere Tests.
gracjanski schrieb am
ja und wegen scheiss decen 2.0 werden die Addons zu Descent 1 nicht gedruckt. FFg ist eine Hassliebe: Machen geniale Games, aber Kunden sind denen drecksegal.
zum Test: Schön, dass viele zugeben, dass Agricola leicht besser ist. Steht in meinem Schrank mit Moorbauern und wird im nächsten Abend gespielt :)
Numrollen schrieb am
Ja bei so einem Spiel könnte man glatt ein Vergleichstest mal machen zwischen PR, Agricola, Le Havre :P
Spitzen Test wie immer.
p.s. Descent 2.0 ist angekündigt worden.
schrieb am