Weder Shooter noch Prügler
Dass ein Videospiel auch wirtschaftlich erfolgreich sein muss, versteht sich von selbst. Und gerade dem Independent-Studio, das mit
Senua eine der stärksten Videospielfiguren überhaupt erschaffen hat, wünsche ich nichts sehnlicher, als dass seine Zukunft gesichert ist. Immerhin hat Ninja Theory schon an Bleeding Edge gearbeitet, bevor es in die Microsoft-Familie aufgenommen wurde. Und trotzdem mutet es ein wenig seltsam an, wie stark der aktuelle Titel von Helden-Action à la
Overwatch inspiriert scheint. Das fängt bei dem farbenfrohen Comicstil an und geht bis zu den Fähigkeiten, von denen die Kämpfer auch hier jede Menge besitzen.
Genauer gesagt sind es vier Aktionen, die man nach unterschiedlich langen Abklingzeiten einsetzt – neben dem grundlegenden Schießen oder Schnetzeln, das jederzeit zur Verfügung steht. Wobei das natürlich eine Besonderheit darstellt: Bleeding Edge ist weder Shooter noch Prügler, sondern eine Mischung mit Charakteren unterschiedlicher Techniken. Immerhin schlagen manche nur im Nahkampf zu, während andere mit ballistischen oder anderen Geschossen austeilen. Wichtig ist dabei die Zusammenstellung des Teams, denn während Zero Cool z.B. seine Kameraden heilt, stellt Gizmo Geschütztürme auf oder stampft in einem Mech umher. Buttercup zieht Feinde an sich heran, Maeve fängt sie kurz in einem Käfig ein, Daemon macht sich unsichtbar usw.
MMO statt Action
Alle Charaktere zeichnen sich durch individuelle Fähigkeiten aus. Maeve stellt u.a. Geschütze auf und kämpft an Bord eines Mechs...
Ich mag Kämpfer mit individuellen Fähigkeiten! Das gilt allerdings nur, wenn die Action auch für sich alleine stehen könnte. Und das ist hier leider nicht der Fall. Genau genommen ist das grundlegende Schießen und Zuschlagen sogar ausgesprochen öde, weil man nicht in physisch packende Gefechte gezogen wird. Stattdessen erinnern das Beobachten aus relativ weiter Entfernung sowie das monotone Drücken der einen Angriffstaste am ehesten an Online-Rollenspiele. Dazu trägt auch das Bewegen bei, denn anstatt coole Akrobatik auszuführen oder geschickt Deckung zu suchen, schiebt man die Figuren monoton voran und ärgert sich nach einem Ableben über langweilige Fahrten vom Startpunkt zum Ziel.
... während er hier nicht nur mit seiner Gitarre zuschlägt, sondern mit seiner stärksten Fähigkeit Gegner auch gefechtsunfähig macht.
Das häufige Auslösen der vielen Spezialaktionen verstärkt das distanzierte MMO-Taktieren nur. Unterm Strich geht es in Bleeding Edge also nur am Rande um die haptische Kontrolle des Geschehens und vor allem um geschicktes Positionieren im Zusammenspiel mit dem restlichen Team, das Auswählen des richtigen Gegners sowie das rechtzeitige Auslösen aller Fähigkeiten. Besser wäre es, würden die Fähigkeiten größeren Schaden anrichten und dafür seltener zur Verfügung stehen. Dann müsste allerdings das zentrale Schießen und Zuschlagen packender sein.
Go, Team!
Genau genommen ist das Zusammenspiel sogar so wichtig, dass ein Team ohne bestimmte Charaktere überhaupt keine Chance hat. Wählt niemand einen Support-Charakter, wird man deshalb darauf hingewiesen – was in Ordnung wäre, wenn verschiedene Figuren ähnlich wertvoll in dieser Rolle wären. Tatsächlich ist es aber so, dass manche Kombinationen so mächtig sind, dass man andere im Grunde gar nicht spielen sollte. Zero Cool heilt seine Begleiter etwa dermaßen schnell, um sich daraufhin zurückzuziehen und schon einige Sekunden später erneut die Gesundheit aller Mitstreiter herzustellen, dass er in einem guten Team frustrierend mächtig ist. Balance und Vielfalt stimmen einfach nicht, obwohl mit elf Kämpfern ausreichend viele zur Wahl stehen sollten.
Unbrauchbar ist aus diesem Grund auch das Aufteilen in kleine Gruppen, um etwa mehrere Positionen gleichzeitig einzunehmen oder feindliche Trupps zu umgehen. Denn trifft man währenddessen auf ein etwas besser eingestelltes Team, ist der Schlagabtausch von vornherein verloren. Hinzu kommt ja, dass man mit einigen Charakteren keine Chance hat einem aussichtslosen Kampf zu entkommen. Das ist im Movement einfach nicht vorgesehen und spornt natürlich nicht zum Weiterspielen an.