Special: To the Moon (Adventure)

von Benjamin Schmädig



To the Moon (Adventure) von Freebird Games
Das Herz des Klaviers
Entwickler:
Publisher: Freebird Games
Release:
2017
2017
2017
01.11.2011
16.01.2020
Erhältlich: Digital (Nintendo eShop)
Spielinfo Bilder Videos
Stimmungswechsel für Laura Shigihara: Die Stimme des fröhlich-albernen Titelsongs zu Plants vs. Zombies schrieb für To the Moon ein Lied, das voller Wärme auf eine große Liebe zurückblickt. Ihr ruhiger Gesang ist der Höhepunkt eines traurigen, spannenden, aber auch verspielten Soundtracks. To the Moon widmet den wichtigen großen und kleinen Gefühlen eine berührende Geschichte. Die Musik erweckt sie zum Leben.

Starkes Stück!

Wenn ihre sanfte Stimme zu „Everthing's Alright“ ansetzt, trägt man am besten einen dicken Pullover. Nicht der Kälte wegen - aber um die Gänsehaut zu verbergen. Die ebenso wehmütige wie poetische Liebeserklärung stammt genau wie das Klavierspiel aus Shigiharas Feder und beide fließen in einer warmen Melodie zusammen. Das zärtliche Everything's Alright fasst zusammen, worum es in To the Moon geht: Eigentlich ist jedes Wort ein Wort zu viel, um die starken Emotionen zu beschreiben. Shigihara schafft es, wenn sie zu ihrem traurigen Klavier spricht: „Es ist alles okay.“

Dunkle Wolken

Es ist nicht nur Shigihara, denn den Großteil des Soundtracks komponierte Spielemacher Kan Gao in Eigenregie. Aus dem Wechselspiel zwischen Komponieren und Programmierung entstand dabei eine Dynamik, die das Zusammenspiel von Szenenablauf und Musik nur vertieft: „Wenn ich an einer Szene festhing, habe ich zuerst die Musik geschrieben und anschließend im Hintergrund spielen lassen. Daraufhin entstand die Szene wie von selbst“, sagt Gao.

Man hört es: Behutsam begleitet Gao das meist ruhige Geschehen seines gefühlvollen Abenteuers. Seine Arbeit am Klavier ist prägend für To the Moon. Von den ersten Klängen der Titelmelodie bis hin zu dessen finaler Pianoversion ziehen sich die Anschläge in Schwarz/Weiß durch das gesamte Album. Die wichtigste Melodie ist „For River“, ein einfaches, verträumtes Pianostück, das fast durchgehend auf zwei alternierenden Klängen balanciert. Einfühlsam erzählt es so von einem einfachen Menschen und der Liebe seines Lebens. Auch das ruhige Having Lived beschreibt diese Zärtlichkeit. Born a Stranger deutet hingegen das Schicksal an, das auf Johnny und Rivver wartet: Mit schweren Schritten schleppt sich ein leises Klavier Schritt für Schritt voran - bevor im bald folgenden Lament of a Stranger dunkle Noten wie schwere Wolken über derselben Melodie hängen. So gelingt Gao mit überschaubaren Mitteln eine eindrucksvolle Entwicklung.

Beta-Musik

Überhaupt punktet der Komponist vor allem mit Einfühlvermögen: Seine Musik ist das Fundament, auf dem im Kopf Geschichten zu den pixeligen Bildern entstehen können. Seine Kompositionen stoßen allerdings dort an ihre Grenzen, wo er die stillen Emotionen zu großen Gefühlen erweitern will. Das gelingt ihm zwar mit Anya by the Stars, Tomorrow oder Launch - orchestrale Titel, in denen er mit Violinen getragene Themen aufbaut. Das synthetische Orchester ist dem Klang echter Instrumente allerdings deutlich unterlegen.
Die beste Adresse für Musikdownloads

To the Moon ist zum Preis von fünf Dollar auf Bandcamp erhältlich - wer will, darf auch mehr zahlen. Immerhin übergibt Komponist und Entwickler Kan Gao die Hälfte des Ertrags an eine oder mehrere Hilfsorganisationen für Autismus, später auch an andere Einrichtungen.

Auf Bandcamp darf man übrigens wählen: Von OGG über MP3 bis hin zu FLAC stehen alle wichtigen Dateiformate in unterschiedlichen Komprimierungen zur Auswahl und man darf das komplette Album probehören.
Selbst wenn in Between a Squirrel and a Tree Holzbläser und ein gezupfter Bass auf Zehenspitzen durch den Wald schleichen, erreicht Gao nie die Qualität ausgereifter Orchesterarbeit. Stattdessen verweist er immer auf die klangvollen, handwerklich aber überschaubaren Arbeiten japanischer Synthesizer-Komponisten vor etwa 15 Jahren.

Immerhin blitzt nicht nur in Between a Squirrel and a Tree auch der Witz durch, mit dem Gao manche Szenen auflockert: In Take Me Anywhere springen Harfe und Rassel leichtfüßig voran, während die kurzen Anschläge von Klavier und Bläsern in Bestes Detectives in the World spitzbübisch einen Streich auszuhecken scheinen. Dramatisch wird es dagegen mit Beta-B, in dem sich ein elektronischer Warnton unter nervöse Violinen mischt. Doch egal, in welche Richtung die Musik ausschlägt, am Ende findet sie immer wieder dorthin zurück, wo sie im stärksten ist: in der verzehrenden Sehnsucht eines wehmütigen Herzens.

Schade, dass Kan Gao seinen Soundtrack genau so veröffentlicht wie er ihn im Spiel verwendet. Denn weil viele Titel in langen Szenen häufig wiederholt werden müssen, haben sie kein richtiges Ende. Es schadet dem Hörerlebnis, dass man immer wieder aus dem gefühlvollen Erleben gerissen, anstatt sanft zum Ende geführt wird. Und dennoch werden die Emotionen des Abenteuers durch die Musik fast greifbar. Gaos synthetische Orchesterarbeit mag handwerklich gewöhnlich sein - seine Klavierstücke erzählen dafür eine außergewöhnlich anrührende Geschichte. Mit minimalistischen Anschlägen komponiert er schwere und wehmütige, vor allem aber zärtliche Liebeserklärungen. Sein Trumpf ist Laura Shigihara, die alle wichtigen Facetten seines Abenteuers in einem einzigen starken Song vereint: Everything's Alright ist das bewegendste Abschiedslied, das in Final Fantasy nie gesungen wurde. Nein, es ist nicht der beste Soundtrack des Spielejahres. Es ist einfach nur der wundervolle Ausklang einer großen emotionalen Reise.

Einschätzung: gut

Kommentare

Michi-2801 schrieb am
Der Soundtrack ist wirklich gut, aber es reicht mMn ihn sich im Spiel anzuhören und zusammen mit der Story zu genießen
schrieb am