Erste Schritte
Tic-Tac-Toe, Tennis….und Töten. Das klingt reißerisch und überspitzt, trifft aber den Kern. Als das Computerspiel in den 1950er und 60er Jahren an amerikanischen Universitäten seine ersten Gehversuche unternahm, war das nämlich die Reihenfolge der ersten relevanten Programme. Die findet man übrigens auch, wenn man „first video game“ googelt. OXO aus dem Jahr 1952 war eine auf drei Kathodenstrahlröhren spielbare, elektronische Variante von Tic-Tac-Toe. 1958 flimmerte dann Tennis for Two über den Bildschirm eines Oszilloskops - und darf damit als erstes Sportspiel betrachtet werden. Schon ein Stück näher am klassischen Videospiel der Frühzeit war 1962 Spacewar!: Zwei Spieler lenkten kleine Raumschiffe und versuchten, sich gegenseitig abzuschießen. „War“, also Krieg, war das Thema - gleichwohl die grafische Darstellung natürlich sehr rudimentär ausfiel.
Gun Fight: Schon 1975 wagte sich Taito an tödliche Cowboy-Duelle. In Japan hieß das Spiel übrigens Western Gun.
Auf Spacewar! folgte 1971 Computer Space, der erste Arcade-Automat der Welt, erdacht vom späteren Atari-Gründer Nolan Bushnell - diesmal wurde auf fliegende Untertassen gefeuert. Obwohl natürlich auch sportlicher Wettkampf und Geschick in der Gründerzeit der Telespiele angesagt waren (z.B. Pong, Frogger, Breakout), sollten doch Action und Kampf schon die
ersten fünfzehn Jahre kommerzieller Videospiele dominieren: 1975 inszenierte Taitos Cowboy-Duellspiel Gun Fight erstmals den Kampf Mann gegen Mann, drei Jahre später macht das Ballern auf außerirdische Space Invaders zum ersten weltumspannenden Arcade-Hit. Galaga und Defender, Missile Command oder Phoenix, Tempest und Asteroids, Centipede und Battlezone - in zahllosen Klassikern dieser Ära war das Abschießen der wesentliche Spielinhalt. Grafische Abstraktion hin oder her - es ging um Alienkrieg, Panzerfahren, Insekten zerpflücken, Weltallschlachten.
Notwehr?
Konamis Contra ist ein Paradebespiel seitlich scrollender Run-and-Gun-Action - und als solches voller Knarren und Geballer. Auf dem NES hieß die Serie Probotector, menschliche Feinde wurden durch Roboter ersetzt.
Frühe Geschicklichkeit-Hits (von Pac-Man über Donkey Kong bis Q*Bert) und Raser-Titel (von Night Driver bis Rally X) hielten in der Spielhalle und auf den ersten Konsolen dagegen - als „gewaltfrei“ bezeichnen konnte man aber nicht alle davon: Obwohl in den prägenden Spielen Pac-Man und Donkey Kong das Fliehen und Ausweichen im Fokus stand, waren die Helden im Notfall nicht zimperlich: Namcos Pillenfresser konnte seine Geisterfeinde auch verspeisen, Nintendos Jumpman hämmerte, in die Enge getrieben, kleine Feuerwesen ins Jenseits. Schon 1976 sorgte die US-Firma Exidy für einen kleinen Eklat: Im Schwarz-Weiß-Spiel Death Race machten bis zu zwei Spieler per Lenkrad Jagd auf Monster - und zwar in kleinen Pixelautos: Tod durch Überfahren! Hatte man das Monster erwischt, verblieb ein Kreuz an Ort und Stelle. Im Arcade-Flyer pries Exidy sein Spiel mit den Worten „It’s fascinating, it’s fun chasing monsters“ an. Nach einem negativen Bericht im Minneapolis Star vom 2. Juli 1976, in dem sich die Associated-Press-Reporterin Wendy Walker negativ über den brutalen Inhalt von Death Race äußerte, hatte die noch junge Spielebranche ihren ersten Gewaltskandal.
Als sich Anfang bis Mitte der 1980er die grafischen Möglichkeiten der Hardware signifikant verbesserten, wurde der schwarze Weltraum als beliebtestes Terrain allmählich abgelöst - vergleichsweise harmlose Titel wie Pitfall oder Super Mario Bros. traten ins Rampenlicht. Doch selbst Mario kam erneut nicht ohne aggressive Handlungen aus: Er beseitigte Monsterchen durch Sprung auf den Kopf oder Feuerball-Schuss. Gleichzeitig machten neue Helden in nunmehr plötzlich sehr diversen Szenarien das gewalthaltige Abenteuer so vielfältig wie bisher nie: In Castlevania peitschte man auf Draculas Schergen ein, in Ghosts ’n Ghoblins ging es Untoten per Lanzenwurf an den Kragen, Mega Man schoss mit seinem Blaster auf Roboter, Solid Snake brachte Soldaten mit Pistole und Gewehr um, die Contra-Krieger feuerten auf alles, was sich bewegte und der persische Prinz erledigte Palastwachen mit dem Säbel.