Ordentlicher Stammbaum
Fans von
Saints Row dürfen sich auf einige Déjà-vus freuen. Auch abseits des Purpur werden immer wieder Elemente eingestreut, die auf die Gangster-Abenteuer in Stilwater oder Steelport anspielen: Die Ultor Corporation wird erwähnt. Mit Pierce Washington und Johnny Gat (für Vorbesteller und in der Day-1-Edition) kehren zwei bekannte Charaktere zurück. Und die Lilie als Symbol für die von der zwielichtigen Persephone geführten Mayhem-Agentur für Geheimagenten ist ebenfalls eine alte Bekannte. Auch bei grundsätzlichen Designfragen bleibt man dem Universum treu. Die Action wird in einer offenen Welt inszeniert, in der es neben fast 60 Hauptmissionen nochmal die etwa gleiche Menge an mal mehr, mal weniger umfangreichen Nebenmissionen gibt, so dass man gut und gerne zwischen 15 und 25 Stunden in der kunterbunten Welt verbringen kann.
Bei dem durchgeknallten Humor, der sich durch Agents of Mayhem zieht, wird auch nicht vor "Uranus"-Witzen halt gemacht. Natürlich funktioniert dies nur in Englisch, weswegen man hierzulande nur deutsche Untertitel zuschalten darf.
Der Spaß, den man dabei haben wird, ist allerdings stark davon abhängig, wie empfänglich man für den Humor ist, der sogar für Volition-Verhältnisse ungewöhnlich direkt, mitunter vulgär und schonungslos ist. Und es wird geflucht, was das Zeug hält. Die Rollerderby-Queen Daisy bezeichnet sich selber als ein „Haus aus Beton, das nur Ficken und Kämpfen kann“, während die ehemalige Militär-Ausbilderin Braddock ebenfalls kein Blatt vor den Mund nimmt. Es gibt zwar auch gelegentlich subtileren Wortwitz und man wird auch zahlreiche andere Anspielungen auf Filme, das Musikbusiness sowie Popkultur im Allgemeinen entdecken. Doch wer schon mit Austin Powers nichts anfangen konnte und die Gags in Deadpool für unnötig oder überzogen hält, wird auch hier schnell die Segel streichen. Für mich hingegen hat Volition erzählerisch eine sehr unterhaltsame Persiflage auf einschlägige Superhelden und Agenten abgeliefert.
Das durchgeknallte Dutzend
Denn auch die anderen Agenten, die Persephone für den Kampf gegen die ultraböse sowie kurz vor der Weltherrschaft stehende Organisation Legion zusammengetrommelt hat, haben mitunter nicht mehr alle Tassen im Schrank. Hollywood z.B. ist ein Reality-TV-Star, der als Kopfgeldjäger vor laufenden Kameras einen "Arbeitsunfall" hatte. Red Card ist ein deutscher (!) Hooligan, der sich auf die Mayhem-Seite schlägt, nachdem ein Spiel seines Lieblingsclubs FC Rüdesheim Am Rhein von Legion unterbrochen wird. Auch die Nebencharaktere, die auf den Missionen per Funk mit einem kommunizieren oder auf der so genannten Arche nicht nur mit Dienstleistungen, sondern auch stets einem gut gesetzten Einzeiler warten, passen gut in dieses Bild. Sehr schön übrigens, dass die Dialoge auf den Charakter der Figuren abgestimmt sind, so dass die geheimnisvolle
In den Gefechten wird häufig ein Effektfeuerwerk abgefackelt.
Sheherazade andere Antworten geben wird als der schweigsame Yakuza-Killer Oni oder die sich sowohl für Wissenschaft als auch Mode begeisternde Joule. Dass die mitunter absurden Dialoge, die man allerdings abseits der Figurenwahl nicht beeinflussen kann und die auch keine neuen Wege öffnen, das simple erzählerische Fundament bei weitem überstrahlen, ist mir an dieser Stelle egal.
Agents of Mayhem zelebriert ein klares Schwarz-gegen-Weiß, Mayhem gegen Legion. Punkt. Immerhin werden die Hauptantagonisten hinsichtlich der Inszenierung ebenso gewürdigt wie die Mayhem-Agenten und bekommen erstklassige Cartoon-Sequenzen spendiert, um sie in der Geschichte vorwärts zu bringen. Diese aufwändig produzierten, teils mehrere Minuten langen Szenen passen gut zum allgemeinen knallbunten Comic-Artdesign, das sich hinsichtlich der Spielgrafik irgendwo zwischen Borderlands, Team Fortress 2 und dem einen oder anderen Telltale-Adventure einsortiert. Dementsprechend sollte man auch die überkandidelte Action mit ihren gleißenden Explosionen und den an die Action-Helden der späten 80er/frühen 90er Jahre erinnernden Kommentaren der Agenten nicht ernst nehmen.