Test: Paranormasight: The Seven Mysteries of Honjo (Adventure)

von Jonas Höger



Entwickler:
Publisher: Square Enix
Release:
09.03.2023
09.03.2023
09.03.2023
08.03.2023
09.03.2023
Spielinfo Bilder  

Der Entscheidungs-Schein trügt

Doch obwohl es alternative Abzweigungen und verschiedene Enden gibt, zu denen ihr abhängig von euren Entscheidungen kommt, erzählt Paranormasight insgesamt eine sehr lineare Geschichte. Verfrüht erlebte Schicksale sind ein netter Nebeneffekt, letztendlich aber nur eine kurze Unterbrechung, während ihr dem eigentlichen Finale hinterherjagt. Um das zu erreichen, sind ultimativ bestimmte Entscheidungen gefragt, womit Paranormasight mehr Freiheit vorspielt, als es tatsächlich gewährt.

In Paranormasight trefft ihr viele Charaktere mit unterschiedlichen Hintergründen und Absichten. Dank der Perspektivwechsel lernt ihr fast alle davon näher kennen.
In Paranormasight trefft ihr viele Charaktere mit unterschiedlichen Hintergründen und Absichten. Dank der Perspektivwechsel lernt ihr fast alle davon näher kennen.
Trefft ihr im Verlauf der Geschichte die „falsche“ Entscheidung, kann das somit schnell zu eurem Verderben führen. Zum Glück ist der Bildschirmtod schnell ungeschehen gemacht, indem ihr im Menü aufgeführten Story-Chart die Situation neu ladet und einen anderen Weg einschlagt. Das riecht nach Trial-and-Error, ist letztendlich aber nur Teil des großen Rätsels, bei dem ihr nicht nur die Geheimnisse des Rituals der Wiederauferstehung lüften, sondern auch die Absichten eurer Mitmenschen erkennen müsst. Praktischerweise erlaubt der Story-Chart auch das Erleben der Abzweigungen, falls ihr direkt den richtigen Riecher hattet.

Wer Wert auf tatsächlichen Einfluss legt, könnte von der stringenten Spielweise enttäuscht werden, doch das fokussierte Erzählen kommt Paranormasight eher zugute und sorgt für eine runde Geschichte. Die wird auch von den stetigen Perspektivwechseln getragen, bei denen ihr immer wieder in die Schuhe anderer Charaktere schlüpft, während die dadurch entstehenden Cliffhanger unter den Fingernägeln brennen und für zusätzliche Spannung sorgen.

Schleichender Schrecken statt Jumpscare-Dauerfeuer


Angesichts der Ereignisse fürchten sich auch die Figuren der Geschichte und das spiegelt sich hervorragend in der Mimik wider.
Angesichts der Ereignisse fürchten sich auch die Figuren der Geschichte und das spiegelt sich hervorragend in ihrer Mimik wider.
Spannung kommt aber auch aus einer anderen Ecke: Der minimalistische Handlungsspielraum mit 360-Grad-Sicht sorgt nämlich dafür, dass die seltenen, aber sehr effektiv eingesetzten Schreckmomente voll zur Geltung kommen. Paranormasight ist alles andere als eine Jumpscare-verseuchte Geisterbahn auf dem lokalen Rummelplatz, sondern würzt die zum Schneiden dichte Atmosphäre nur ab und an mit einer plötzlich auftauchenden Gruselgestalt.

Ohnehin trägt die gesamte Präsentation zum schaurigen Setting bei: Das Menü ist im Stil eines alten CRT-Fernsehers gehalten, als hättet ihr nachts versehentlich die Mattscheibe angeschaltet und dabei einen verstörenden Sender erwischt, vor der ihr nun wie gebannt sitzt und weder abschalten noch weggehen könnt. Auch der Rest des Spiels ist von einem leichten CRT-Filter bedeckt und verwebt sich zusammen mit den grob gezeichneten Umrissen der Figuren zu einer besonderen Optik.

Als wäre es nicht genug, nachts in einem verlassenen Park herumzustreunern, müsst ihr eure Umgebung auch noch genau studieren.
Als wäre es nicht genug, nachts in einem verlassenen Park herumzustreunern, müsst ihr eure Umgebung auch noch genau studieren.
Während sich die Angst der Charaktere in ihren gelungenen Gesichtsausdrücken widerspiegelt, bleibt die Musik größtenteils im Hintergrund, nur um in entscheidenden Momenten der Spannung unter die Arme zu greifen und Schreckmomente mit bedrohlichen Geräuschen zu untermalen. Als Horror-Schocker lässt sich Paranormasight trotz Mord, Totschlag und übernatürlicher Erscheinungen also nicht beschreiben. Spannung wird statt drohender Jumpscares eher über die Charaktere mit ihren zweifelhaften Motiven sowie der beklemmenden Stimmung aufgebaut, womit die Visual Novel in die Kategorie psychologischer Grusel fällt. Die urbanen Legenden laden also nicht nur abgehärtete Gänsehautspezialisten, sondern auch zartbesaitete Interessenten zum Spukbuffet.

Kommentare

AnonymousPHPBB3 schrieb am
Beim Visual Novel / Japan-Adventure Genre muss man schon mit der Lupe suchen um irgendwelche Spiele mit deutschen Texten zu finden. Da braucht es schon einen willigen Publisher wie Capcom im Rücken.
4P|Jonas schrieb am
Freut mich, dass der Titel trotz seiner nischigen Ausrichtung hier durchaus auf Anklang stößt. Der Test spricht für sich, daher muss ich wohl keine Empfehlung mehr aussprechen. Ich kann nur sagen: Auch wenn ich jeden verstehe, der ausschließlich englische Texte als Ausschlusskriterium betrachtet, ist es die zusätzliche Mühe meiner Meinung nach durchaus wert. Als ich 2017 fast 100 Stunden Persona 5 gespielt habe, hatte das JRPG-Monster nämlich auch noch keine deutschen Texte und ich bin bis heute froh, dass mich das nicht vom Spielen abgehalten hat. :)
cM0 schrieb am
Paranormasight steht auch schon länger auf meiner Wunschliste. Der Test bestätigt mich daran, es mir demnächst zuzulegen. Ich schließe mich jedenfalls an: schön geschriebener Test.
AnonymousPHPBB3 schrieb am
Sehr schöner Titel für den Premiere-Test!
Damit hätte ich wirklich nicht mehr gerechnet. Das Spiel scheint jedenfalls bei vielen im Bekanntenkreis sehr gut anzukommen. Wäre ich nicht aktuell mega überversorgt, wäre Paranormasight wohl längst gekauft...
schockbock schrieb am
Ja nee, daran soll wirklich überhaupt nichts fies gemeint sein. Ich meine das so: Guter Test. Stilistisch sauber, keine Fehler (die mir aufgefallen wären) drin und vermittelt ein gutes Bild des "Spiels".
Ach so, ja, das war ja gar nicht dein Punkt. Ich hab kürzlich im Update-Thread Dinge gelesen, die mir durch die Lappen gegangen waren. Da schreiben die drei fast bemitleidenswerten Mitglieder der Redaktion, dass ihnen das ganze Geunke im letzten Jahr - verständlicherweise - etwas sauer aufstößt. Fand ich gut, weil es Menschlichkeit transportiert - und wenn ganz generell ein Austausch mit der Community stattfindet, ist das noch besser.
Ein Jörg Luibl, selber nicht unbedingt ein Kind von Traurigkeit, kann sowas sicher besser ab, aber ich fang nicht wieder damit an. :wink:
Jedenfalls: Der Zustand des Portals ist so wie er ist, nämlich gelinde gesagt etwas löchrig, aber dafür kann die Redaktion ja nichts - nun, nach weiterem personellen Schwund, noch viel weniger. Der Hauptgrund, warum ich noch hier abhänge, ist halt das Forum, und wenn es nebenbei noch ein bisschen Bildungsprogramm im News- (oder sogar Review-)Bereich gibt, umso besser.
Und damit genug des Off-Topics.
schrieb am