Nebel aus Blut
Warum ich die Gewalt erwähne? Weil es in Prodeus nicht gerade zimperlich zugeht. Immerhin knallen da nicht nur Köpfe von den Schultern, sondern hinterlassen auch blutige Fontänen, deren Überreste man anschließend von der Decke tropfen hört. Anderen Gegnern fällt der Oberkörper von der Hüfte oder sie zerplatzen wie prall gefüllte Blutbomben. Wenn man Pech hat, sieht man dann ein, zwei Sekunden lang nicht mal, was als Nächstes durch die Überreste auf einen zukommt. Voeller und Mojica zelebrieren keine betont unappetitliche Schlachtplatte, zeigen aber, wie ein
Brutal Doom mit moderner Technik aussehen könnte.
Und tatsächlich schlagen sie sogar spielerisch ähnliche Wege wie die bekannte Modifikation ein, wenn die Waffen zwar ähnlich vereinfacht und überzeichnet funktionieren, im Gegensatz zu DamalsTM aber nachgeladen werden müssen. Abgesehen davon richtet man über Kopfschüsse bzw. beim Treffen verwundbarer Körperteile besonders großen Schaden an und findet hinter versteckten Türen zusätzliche Rüstungen oder andere Belohnungen, während verschiedenfarbige Schlüsselkarten zunächst verschlossene Türen öffnen.
Manchmal sieht man vor lauter Blut gar nicht, welche Gegner und Gefahren einen erwarten.
Nicht zuletzt ist mit Andrew Hushult sogar der Komponist an Bord, der schon an Brutal Doom,
Doom Eternal sowie Retro-Shootern wie
Dusk,
Wrath: Aeon of Ruin und
Amid Evil beteiligt war. Aus den Boxen rocken daher schwere Gitarren, wenn man vor metallenen Wänden und in felsigen Schluchten durch Blutlachen watet. Zufrieden nimmt man so zur Kenntnis, dass die moderne audiovisuelle Wucht dem klassischen Spiel genau den richtigen Kick verleiht, zumal die direkte Steuerung keine Wünsche offen lässt.
Wiederbelebung Light
Ungewöhnlich ist, dass man dabei nicht von einem Level direkt ins nächste stapft, sondern nach jedem Ausgang zunächst auf einer Weltkarte darüber entscheidet, wo es weiter geht. So kann man bereits absolvierte Abschnitte nicht nur wiederholen, um z.B. eine bessere Zeit für die weltweite Rangliste zu erspielen, sondern hat auch meist die Wahl zwischen verschiedenen Levels. Denn während die Kampagne grundsätzlich einem geraden Weg folgt, gibt es auch besondere Herausforderungen, in denen z.T. sogar spezielle Regeln gelten. Und wem das nicht reicht, der erstellt mit dem integrierten Editor kurzerhand eigene Karten.
Stimmungsvoll ist Prodeus allemal. Nur spielerisch hakt es in der Early-Access-Fassung noch.
Nicht ganz so angetan bin ich allerdings vom Speichersystem, das den Fortschritt immer nur auf der Weltkarte dauerhaft festhält. Es gibt innerhalb der Level zwar Checkpunkte, an denen man wieder auftaucht, falls man das Zeitliche segnet, doch auch über die bin ich hier nicht glücklich. Sie funktionieren nämlich wie die Wiederbelebungskammern des ersten BioShock, sprich das Spiel lädt nach dem Tod nicht die Situation, in der man sich beim Aktivieren des Checkpunkts befand, sondern läuft quasi ständig weiter. Einen harten Arenakampf gewinnt man daher nicht, indem man Zielgenauigkeit und geschicktes Ausweichen irgendwann perfektioniert – man könnte auch ständig nur einen einzigen läppischen Treffer landen, daraufhin sterben und das Ganze so lange wiederholen, bis alle Feinde platt sind.
„Ich schieß mal ins Nichts“
Auf der Weltkarte entscheidet man, welchen Level man als nächstes angeht. Meist warten dort verschiedene Herausforderungen.
Überhaupt ist das Spiel derzeit leider viel zu leicht, da man selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad über weite Strecken erschreckend leichtfüßig durch das Blutbad watet. Gefährlich sind nur wenige Situationen, in denen Gegner in unmittelbare Nähe in den Raum teleportiert werden. Zu wenige Feinde zwingen zum ständigen Positionswechsel, tatsächlich stehen überraschend viele sogar praktisch am Fleck oder auf Podesten, sodass man ihnen aus sicherer Distanz die Köpfe von den Schultern klickt. Die Pistole richtet in weiter Entfernung ja noch genauso viel Schaden an wie aus kurzer Distanz.
Im Gegenzug rasen die wenigen Monster, die ernsthaft Druck ausüben, dermaßen schnell auf einen zu, dass man kaum eine Chance zum Ausweichen hat oder meilenweit im Kreis rennt, falls man sie nicht schnell genug aus dem Weg räumt. Zumal sie mit einer Sprungattacke angreifen, die nicht wie ein gefährlicher Satz nach vorn anmutet, sondern wie ein Flug in Zeitlupe. Schade auch, dass man Gegner selbst durch schwere Treffer aus nächster Nähe nicht wenigstens kurz davon abhalten kann z.B. ihren nächsten Schuss auszuführen. Es fehlt einfach das richtige Maß einer durchgehend knackigen Herausforderung, ohne die Gegner in bestimmten Situationen unbesiegbar erscheinen zu lassen.
Über das Verhalten der Bösewichte sollte man ohnehin den Mantel des Schweigens decken. Ich habe jedenfalls gesehen, wie Feuerbälle meterweit neben mir landen, ohne dass ich mich dorthin bewegt hätte. Andere schießen ihre Gewehre ab, obwohl man sich schon gefühlt mehreren Sekunden lang hinter einer Deckung befindet. Das ergibt in dieser Form keinen Sinn und sorgt für schrecklich langweilige „Duelle“. Wie gesagt: das alles auf dem höchsten von sieben Schwierigkeitsgraden, bei dem ich außerdem gerne die Möglichkeit hätte die leichte Zielhilfe abzuschalten.