Das Zimmer als Spielwelt
Wenn schon, dann richtig und raumfüllend: Mit dieser Maxime ist das HTC Vive in der vergangenen Woche gestartet - zumindest theoretisch, denn ähnlich wie beim Konkurrenten Oculus Rift lief die Auslieferung der ersten Vorbestellungen eher schleppend an und litt unter Problemen bei der Abbuchung. Wer zu den frühen Empfängern gehört, muss erst einmal Platz schaffen. Die Einrichtung bietet auch eine Option für kleine Flächen vor dem Monitor an (z.B. für Spiele im Cockpit). Die interessantesten Titel legen ihren Fokus aber bereits auf das raumfüllende „Roomscale“-Prinzip: Es handelt sich also um Spiele, bei denen man durch größere Areale schreitet und sich immer wieder an andere Orte beamt. In
The Gallery oder Windlands erforscht man rätselhafte Inseln, im
Job Simulator schwingt man mit den präzisen Bewegungs-Controllern Küchenmesser und andere Arbeitsutensilien, in
Space Pirate Trainer oder
The Lab zielt man direkt mit Pistolen und Bogen auf Gegnerhorden. Mit
Quar: Battle for Gate 18 gibt es sogar schon ein Rundenstrategiespiel, bei dem man direkt über die Karte spaziert.
In der großen Box stecken erstaunlich viel Hardware und viele Kabel. Nach Installation und Einrichtung bleibt aber kaum etwas davon im Karton übrig.
Im Gegensatz zu
Oculus Rift und
PlayStation VR hat Valve aber noch keine Spiele mit großem Namen oder gar Exklusivtitel im Aufgebot. Dafür deutet das Eintauchen ins Holodeck faszinierende Potenziale an. Es lässt sich nur schwer mit Worten oder Videos beschreiben, wie überraschend es sich anfühlt, wenn man plötzlich durch einen virtuellen Raum geht, sich frei umschauen kann und auch die Hände vor den Augen exakt das machen, was man von ihnen erwartet. Zumindest solange das Tracking mitspielt, denn ab und zu hatte die Erfassung auch ihre Zicken wie Kamerawackeln oder wegdriftende Controller. Die meiste Zeit über haben sich die optimierten Stiel-Controller aber als großartige Eingabemöglichkeit bewiesen. Sie liegen geschmeidig in der Hand, wirken robust, sind nicht zu schwer und bieten trotzdem genügend Gewicht, um z.B. in
Hot Dogs, Horseshoes & Hand Grenades gefühlvoll Granaten zu werfen oder im Job Simulator mit Objekten zu jonglieren. Der Analog-Trigger mit zusätzlichem Klick eignet sich prima zum Greifen, das runde Touchpad mit Klick-Möglichkeit ist praktisch für Auswahlmenüs und auch die übrigen Eingabe-Elemente wie die drei Digi-Knöpfe wurden sinnvoll angebracht. Dank der neuen kreisrunden Wölbung lassen sich vor allem Pistolen und andere nach vorne gerichtete Objekte realistischer simulieren als mit dem Prototypen.
Platz- und Technikhürden bei der Einrichtung
Bevor es losgehen kann, müssen allerdings erst einmal Aufbau und Einrichtung bewältigt werden, was zumindest bei uns nicht ganz so schnell und unkompliziert ablief, wie HTC es gerne bewirbt. Zunächst haben wir das Büro umgeräumt, um genügend Platz zu schaffen. Schon zu Beginn ist gute Planung gefragt: Steht der PC-Schreibtisch im gescannten Bereich? Reichen die Steckdosenleisten bis zu allen nötigen Geräten oder liegen sie als Stolperfalle auf dem Spielfeld?
Auf technischer Augenhöhe mit Oculus Rift?
Die technischen Daten des Headsets unterscheiden sich kaum vom Konkurrenten Oculus Rift: Das Sichtfeld beträgt 110 Grad, die OLED-Displays haben 2160 x 1200 Bildpunkte, was pro Auge eine Auflösung von 1080 x 1200 ergibt. Ein Vorteil ist, dass nur ein USB-Anschluss benötigt wird. Wenn man die Wahl hat, soll man laut Anleitung sogar lieber USB2.0- statt 3.0-Anschlüsse nutzen, da diese seltener unter Kompatibilitätsproblemen leiden sollen. Zum Vergleich: Die Oculus Rift belegt zwei USB3.0-Ports. Das Bild wirkte stets angenehm hell, so dass wir auch in den schummrigen Höhlen von The Gallery: Episode 1 - Call of the Starseed genug erkennen konnten.
Zusätzlich zum Headset müssen schließlich zwei kleine Tracking-Würfel in den Zimmerecken aufgestellt werden, die den Raum ununterbrochen mit unsichtbaren Laserstrahlen scannen. Sie können in einem Regal aufgestellt werden, welches allerdings nicht all zu stark durch Schritt-Vibrationen erschüttert werden darf. Wir haben uns für die Montage an den Rigipswänden mit den mitgelieferten Kugelgelenken entschieden, doch auch dabei gibt es Tücken. Weiter als fünf Meter sollen die Stationen laut Anleitung nicht voneinander entfernt sein. Man braucht also nicht nur viel Platz, sondern auch eine möglichst quadratische Fläche – oder zumindest (wie bei uns) ein Rechteck, bei dem sich die Länge nicht all zu stark von der Breite unterscheidet. Auch bei der Kalibrierung hatten wir mit kleinen Zicken zu kämpfen: Als der Boden und die Außengrenzen festgelegt werden sollten, brach immer wieder die Verbindung zu einem der Controller ab. Erst als wir die Firmware des Eingabegeräts mehrmals aktualisiert und das Programm neu gestartet hatten, klappte es endlich nach rund einer Stunde.