Test: Bound (Plattformer)

von Benjamin Schmädig



Bound (Plattformer) von Santa Monica Studio
Traumtänzerin der Virtual Reality
Entwickler:
Release:
16.08.2016
13.10.2016
kein Termin
Spielinfo Bilder Videos
Bound war das schönste und das ergreifendste Spiel, das ich in den letzten Jahren gespielt hatte! Ich kann mich an kein anderes Spiel erinnern, das nur durch das Bewegen seiner Hauptfigur eine so starke Sehnsucht auslöst, dessen sonderbare Fassaden so beruhigend vertraut wirken. Und seit der Veröffentlichung von PlayStation VR schaue ich nicht nur auf die prachvollen Kulissen, sondern stehe mittendrin. Dabei kann das Spielgefühl in der Virtual Reality mitunter frustrierend sein – wie stark beeinträchtigen die Änderungen in der echten dritten Dimension das sehr gute 2D-Spiel?

Pirouetten, Arabesque und Jeté

Die Prinzessin soll ein Monster aufhalten, das die Welt zerstört. Das sind die ersten Worte, gesprochen in einer Fantasiesprache, von einer Königin, deren Kleid sich in Millionen Dreiecken aufzulösen scheint. Die Prinzessin macht sich also auf den Weg: Sie springt und überwindet Hindernisse mit einer Rolle über den Boden. Bound ist ein Spiel, dessen Hauptfigur in schwindelerregender Höhe balanciert, versteckte Türen öffnet und einen Weg über zum Teil knifflig arrangierte Plattformen findet – allerdings nicht wie die Helden anderer Abenteuer, sondern mit den Schritten einer Tänzerin. Mit Pirouetten, Arabesque und Jeté.

Ihre Bewegungen wurden von einem Choreografen inszeniert, von einer Ballerina getanzt und von einem Entwicklerstudio aufgenommen, das schon mit Linger in Shadows und Datura die Grenze zwischen dem Betrachten digitaler Plastiken und dem Erleben interaktiver Abenteuer aufbrach. Und auch in Bound ist das Staunen über
Um ihre Welt zu retten macht sich die Prinzessin auf die Reise.
Um ihre Welt zu retten macht sich die Prinzessin auf die Reise.
einzigartige Kulissen sowie die tanzende Hauptfigur ein anderes als in herkömmlichen Spielen. Denn in allen Aktionen der Tänzerin liegt eine ausdrucksstarke Anmut, mit denen die meist stumme Protagonistin allen denkbaren Emotionen Form verleiht. Wenn Bilder mehr sagen als tausend Worte, dann schreit, lacht und weint die Prinzessin in einem ununterbrochenen Redefluss. Wenn sie sich kraftvoll an eine Wand lehnt, spricht ihre gesichtslose Maske Bände.

Projektion und Immersion

Natürlich spielt es eine große Rolle, dass gerade das Ballett nicht nur dem Ausdruck der Künstler dient, sondern dem Betrachter auch als Projektionsfläche. Es fällt leicht, den überhöhten Gesten einen Sinn zu verleihen – und genau das macht sie als Spiel so stark! Denn wer Ballett nicht nur sieht, sondern selbst tanzt, der wird vom Betrachter zur Hauptfigur.

In jedem der sechs Level tanzt die Prinzessin dabei ganz von selbst, wenn man nur die rechte Schultertaste gedrückt hält. Man kann die Choreografie aber auch mit eigenen Formen unterbrechen, indem man die Tänzerin bewegt oder Dreieck, Kreuz, Viereck oder Kreis drückt. Sogar normale Bewegungen führt die Prinzessin tanzend aus – sowohl aus dem Stand heraus als auch beim schnellen Laufen.

Wie viele Heldinnen springt sie meist über Hindernisse, rollt unter niedrigen Spalten hindurch oder sucht verborgene Zugänge gut versteckten Geheimräumen. Tanzen muss sie allerdings, um Gefahren wie einen Schwarm Papierflugzeuge, auf sie einprasselnde Perlen oder das riesige schreiende Monster abzuwehren.
Die PSVR-Version des Abenteuers ist übrigens im normalen Spiel enthalten: Man schaltet einfach jederzeit zwischen 2D auf Virtual Reality um - und wieder zurück.


Wenn Gewöhnliches gefährlich ist

Die Geschichte hinter diesen scheinbar profanen Gefahren wurde häufig erzählt. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die am Strand in ihrem Tagebuch blättert. Dort umreißen Bilder ganz bestimmte Ereignisse ihrer Kindheit, aus denen sie eine Traumwelt erschuf: das Reich der Prinzessin, ihrer Königin und des Monsters. In kurzen Unterbrechungen stellen Momentaufnahmen, die sich wie dreidimensionale Puzzles zusammenfügen, die Geschehnisse der Vergangenheit nach.

Es geschieht nichts Überraschendes. Plastic beschreibt Entwicklungen eines Alltags, der mir teils aus eigenen Erlebnissen, teils aus Berichten, Büchern, Filmen oder anderen Spielen vertraut war. Deshalb war die Traumwelt der Prinzessin, die Notwendigkeit und bittersüße Schönheit ihres fantasievollen Exils, sofort greifbar. Sie ist der plastische Abriss einer Gefühlswelt ohne eine an Hollywood angelehnte Suche nach Erklärungen, Schuldzuweisungen oder einfachen Lösungen.

Kommentare

one_of_one schrieb am
Hat mir auch sehr gefallen. Eins der besten VR Spiele für mich. Die Figur wirkt durch die sehr gelungenen Animationen auch trotz der sehr abstrakten Grafik sehr lebendig. Und die Kulisse ist in VR einfach der Hammer. Spielerisch wäre noch etwas mehr drin gewesen, aber dafür war die Story auf eine sehr interessante Weise erzählt.
Jörg Luibl schrieb am
Gönn es doch der auf Massenappeal und Triple-A fokussierten Spielewelt, dass es die Kunst ab und zu mal unter einen Mantel schafft und dort so strahlen kann wie ein Uncharted, Battlefield oder Forza. Und das ohne fette Kampagnen, gesteuerten Hype oder Dauerwerbeberieselung. Einfach nur, weil ein kreatives Team mal etwas anderes probiert. Ist doch cool, dass es möglich ist, auf so tänzerische Art zu faszinieren. Also kein Grund zur Panik, die Spiel-des-Jahres-Wahl kommt ja erst im Dezember.
Culgan schrieb am
heretikeen hat geschrieben:
Culgan hat geschrieben::roll: :roll: :roll: :roll: :roll: war ja klar mit der Hipsterwertung
Wer ist mehr Hipster, der Hipster, oder der Hipster, der sich jedes einzelne Mal über den ach so anspruchslosen Hipster beschweren muss, weil er selber ja ach so anspruchsvoll ist?
Ich beschwere mich nicht über Anspruchslosigkeit, sondern das hier wieder unter dem Deckmantel der "Kunst" ein "Spiel" viel zu hoch bewertet wird. Das ist nichts weiter als eine VR-Grafikdemo aber hier wieder abgefeiert wie ein Meisterwerk.
heretikeen schrieb am
Culgan hat geschrieben::roll: :roll: :roll: :roll: :roll: war ja klar mit der Hipsterwertung
Wer ist mehr Hipster, der Hipster, oder der Hipster, der sich jedes einzelne Mal über den ach so anspruchslosen Hipster beschweren muss, weil er selber ja ach so anspruchsvoll ist?
Desotho schrieb am
Die normale Version habe ich gespielt und es war wirklich ein tolles Erlebnis.
schrieb am