Nintendo in Concert
Thomas Böcker weiß, dass man ein Orchester nicht warten lässt. Immerhin zeichnet der Musikproduzent für die ehemaligen Eröffnungskonzerte der Leipziger Games Convention verantwortlich. Und als er vor zwei Jahren Klassiker von Chris Hülsbeck orchestral auflegte, arbeitete er schließlich das erste Mal mit dem WDR Rundfunkorchester zusammen. Für das Square Enix-Konzert
Symphonic Fantasies arbeiteten Orchester und Produzent das zweite Mal zusammen - in den kommenden Jahren wird die Kooperation sogar noch weiter ausgebaut, u.a. durch eine
Aufführung mit Werken von Nobuo Uematsu. Doch zunächst einmal steht Symphonic Legends an, das die Oldies und Goldies der Nintendo-Historie vereinen wird. Die etwa dreiminütige Eröffnungsfanfare dieser Zeitreise will das Rundfunkorchester heute mit Bild und Ton aufnehmen - um schon im Vorfeld Aufmerksamkeit zu erregen und um den »Text« zu üben.
Video: Leger, aber konzentriert - das WDR-Rundfunkorchester probt den Eröffnungstitel für das große Nintendo-Konzert. |
Denn diese Fanfare hat es in sich...
Im Schatten des Kölner Doms bewegen wir uns auf die Philharmonie zu, in der die Aufnahmen zur Fanfare stattfinden werden. Unsere Eile ist berechtigt, denn die Musiker sind bereits auf dem Weg: Als wir noch auf unseren Einlass als »Gäste« warten, fliegen längst schwarze Geigenkästen an uns vorbei. Jonne Valtonen ist nervös - nicht zittrig, aber gespannt. Denn obwohl der Komponist bereits Soundtracks zu Theaterstücken, Filmen, Spielen sowie eigenständige Stücke geschrieben hat und seit 2005 Musik aus Videospielen für orchestrale Konzerte arrangiert, weiß man vorher nie, wie die Noten klingen, sobald sie sich vom Papier in den Äther erheben. Natürlich hört ein moderner Komponist schon mit Musikprogrammen in seine Werke hinein! Aber nicht umsonst konnte bis heute kein Computer die unberechenbare Lebendigkeit eines Orchesters ersetzen. Nicht ohne Grund hat Jonne Klassische Komposition studiert und möchte heute keine elektronische Musik mehr schreiben. »Es ist einfach etwas ganz anderes, wenn so viele Menschen zusammenspielen«, sagt er auf die Frage, ob er heute noch ein Interesse am Schreiben elektronischer Musik habe.
Die perfekte Katastrophe?
Nacheinander stoßen auch Orchestermanager Winfried Fechner sowie Dirigent Eckehard Stier vor der Philharmonie zu uns und führen uns schließlich in den Saal. Dirigent und Komponist brauchen keine zwei Minuten: Noch bevor sie durch die Tür sind, schwingen Arme im Takt durch die Luft - man
Der Hauptarrangeur der symphonischen Spielemusikkonzerte, Jonne Valtonen, hat mit 34 Jahren schon zahlreiche Erfahrungen als Komponist gesammelt. So schrieb der Finne zunächst unter dem Pseudonym »Purple Motion« Musik für die Demo-Gruppe Future Crew, bevor er u.a. für Remedy als Spielekomponist arbeitete. Seit 2005 arrangierte er zahlreiche Spielesoundtracks für orchestrale Aufführungen; im vergangenen Jahr schloss er das Studium der Klassischen Komposition ab. |
fachsimpelt über das Notenbild, schwärmt von musiktechnischen Besonderheiten. Schön, wenn man hier nur Bahnhof versteht!
Jeans, legere Hemden, lose Locken: Die wenigsten der Musiker denken während einer solchen Probe an Bluse oder Jackett. Thomas, Jonne und ich suchen uns einen Platz inmitten der leeren Ränge. Kontrabässe, Flöten, Pauken - die meisten sind längst an ihrem Platz. Auch Benyamin Nuss, der die Pianofassung zu »Turrican III« für die CD-Version von Symphonic Shades eingespielt hat, stimmt seinen Flügel ein. Anderswo werden die letzten Saiten gestimmt - dann geht es los. Zum ersten Mal führt das WDR Rundfunkorchester Jonne Valtonens Fanfare auf. Wie will der Finne das große Nintendo-Konzert einleiten?
Ich bin vom ersten Moment an begeistert, Thomas ebenso.
»Ach, du lieber Himmel!«, schlägt der Orchestermanager sinngemäß die Hände über dem Kopf zusammen.
»Thank god, it's working«, waren Jonnes erste Gedanken.