Formel Eins für die neue Generation
Keine Frage: F1 2015 ist in vielen Bereichen das beste Videospiel rund um den Rennzirkus der FIA, das man bisher auf einem Xbox- oder PlayStation-System erleben durfte. Vor allem hinsichtlich der Technik macht die Serie im Vergleich zu den letzten Ausflügen auf die 360 und PS3 einen gewaltigen Schritt nach vorne. Zusätzlich zu den aufwändiger modellierten Boliden erfreut vor allem die deutlich höhere Bildrate und das damit verbundene Geschwindigkeitsgefühl das Rennfahrerherz: Bewegte man sich technisch auf den alten Konsolen zuletzt hart am erträglichen Limit, fährt man hier endlich in Regionen von 60fps vor. Allerdings kann die neue Engine eine superflüssige Darstellung je nach Strecke sowie Verkehr nicht konstant gewährleisten und muss mitunter auf die vertikale Synchronisation verzichten, um die gewünschte Performance aufrecht zu erhalten. Doch trotz Tearing und vereinzelten Pop-ups ist F1 2015 die visuell beeindruckendste Umsetzung des Motorsports, die Codemasters bisher auf Konsolen hervorgebracht hat.
Das dynamische Wettersystem kann wieder für Überraschungen sorgen.
Und auch bei der von Grund auf neu gestalteten Fahrphysik geben sich die Briten keine Blöße, obwohl die Unterschiede zum Vorgänger geringer ausfallen als erwartet und die sensible, kaum anpassbare Controller-Steuerung eine gewisse Eingewöhnung erfordert. Mit der Zeit lernt man die schnellen Reaktionszeiten, die Möglichkeiten zu präzisen Lenkbewegungen und nicht zuletzt die ausgezeichneten Vibrationseffekte zu schätzen, die am One-Controller dank dessen Impulse-Trigger noch einen Tick intensiver ausfallen als bei Sonys DualShock4. Anders dagegen meine Lenkrad-Erfahrung: So schön es auch ist, dass mein Fanatec CSR wie schon bei Project Cars an der PS4 funktioniert und mir im Gegensatz zum Controller auch Feineinstellungen erlaubt werden, verhindert das schwache sowie extrem mäßig umgesetzt Force Feedback, dass sich am Lenkrad ein richtiger Fahrspaß entfalten kann. Unabhängig von der gewählten Steuerungsmethode gefällt mir, wie gut die Charakteristiken der neuen Turbo-Motoren umgesetzt wurden, die bei niedrigen Drehzahlen bekanntlich ein sehr hohes Drehmoment vorweisen. Entsprechend erweist es sich gerade bei Kurvenausfahrten als Herausforderung, diese Power durch einen gefühlvollen Umgang mit dem Gaspedal unter Kontrolle zu behalten. Sollte das dynamische Wettersystem die Strecken in glitschige Regenpisten verwandeln, ist bei der anschließenden Rutschpartie nicht nur ein glückliches Händchen beim Reifenpoker, sondern noch mehr Feingefühl hinter dem Steuer nötig. Dazu gesellt sich der Reifenverschleiß, der sich nicht länger deaktivieren lässt, sondern mittlerweile zwingend zum F1-Erlebnis dazu gehört. Genau wie in der Realität sind auch hier die „Reifenflüsterer“ von Vorteil, die intelligent fahren und versuchen, ihre Pneus zu schonen. Nicht zu vergessen das manuelle Managen der Motorleistung in drei Stufen, um die mitgeführte Benzinmenge taktisch clever zu verblasen.
Rennfahren für Jedermann
In der Box tüftelt man am Setup und behält die Konkurrenz im Auge.
Trotzdem ist auch F1 2015 keine Hardcore-Simulation. Genau wie in den Jahren zuvor versuchen sich die Entwickler weiter an dem Spagat, die richtige Mischung aus Zugänglichkeit und Anspruch zu finden. Nutzt man alle Hilfen wie ABS, die volle Traktionskontrolle, Bremsassistent und Lenkunterstützung, fahren sich die Turbo-Monster quasi so zahm wie auf einer Carrerabahn. Schaltet man sie ab, wird man im Vergleich zu echten Simulationen zwar immer noch eine gewisse Gutmütigkeit beim Fahrverhalten feststellen, wird aber deutlich mehr gefordert. Der neue Spielmodus „Profisaison“, der von Codemasters und Publisher Bandai Namco gerne als herausragendes Merkmal für Hardcore-Spieler hervorgehoben wurde, erweist sich allerdings schnell als überflüssiger Blender. Warum? Weil er nichts bietet, was man nicht auch in der Standard-Saison mit ein paar Einstellungen realisieren kann. Denn auch dort kann ich die KI auf die höchste Stufe stellen, die Renndistanz auf 100 Prozent erhöhen, komplette Wochenenden inklusive Trainings- sowie Qualifikationsläufen ansetzen, nur manuelle Schaltvorgänge zulassen, die optionale Rückspulfunktion deaktivieren und mich selbst dazu zwingen, ausschließlich in der Cockpitansicht zu fahren. Warum macht man also so viel Wind um einen Modus, den man de facto eigentlich schon immer hatte? Es wäre freilich anders gewesen, wenn man der Profisaison eine erweiterte, stärker auf Realismus getrimmte Fahrphysik verpasst hätte, doch bekommt man hier exakt das gleiche Modell geboten wie in allen anderen Modi und auch die Boxenstopps laufen immer noch mit zu vielen Automatismen ab.