Besserung in Sicht
„Schlussendlich ist Contracts der erste Sniper-Ghost-Warrior-Teil, den ich als einigermaßen solide einschätze.“ So schloss ich mein Fazit beim Test des direkten Vorgängers, der gerade mal eineinhalb Jahre zurückliegt. Die Scharfschützenserie, die meiner Ansicht nach keinen zweiten, keinen dritten und auch keinen vierten Teil verdient gehabt hätte, biss sich durch und verkaufte sich stets überdurchschnittlich gut. Jetzt, mit der fünften Episode (bzw. der sechsten, zählt man den anders betitelten Auftakt: Sniper: Art of Victory dazu), könnte der nächste Paukenschlag folgen: ein Scharfschützen-Spiel, das sich das Prädikat „gut“ verdient. Weil es den zweifellos vorhandenen Reiz dieser Schießspiel-Disziplin kompetent einfängt, ohne aufwallenden Spielspaß mit unterirdischer KI, schwachem Missionsdesign oder plattesten Figuren schon im Keim zu ersticken.
Betont coole Kameraperspektiven gibt es, wenn die Killcam einen tödlichen Schuss in Zeitlupe einfängt.
Ich habe mich übrigens schon mehrfach gefragt, ob es an mir liegt. Ob ich irre – und nicht die über elf Millionen Käufer, die laut CI-Games-Chef Marek Tyminski seit Serienstart zugegriffen haben. Aber dann habe ich jeweils den nächsten Serienteil gezockt und gemerkt, dass die Entwickler es schon wieder verbockt hatten. Außerdem habe ich zig Spiele, die viel Wert auf den Reiz des weitesten Kills legen, gespielt und genossen – von
MDK bis
Hitman, von
Far Cry bis
Sniper Elite. Sogar mit
Project I.G.I. oder
Silent Scope hatte ich Freude. Unterm Strich muss es also doch daran liegen, dass das polnische Team bislang einfach nicht das richtige Händchen für ein Scharfschützenspiel hatte. Bislang, weil: Sniper Ghost Warrior Contracts 2 hat mir in seiner ersten Mission, die ich in den vergangenen Tagen mehrfach und ohne jegliche Einschränkung in einer PC-Vorab-Version spielen konnte, gezeigt, dass der Titel auf einem guten Weg ist.
Raven gegen alle
Mit einer starken Geschichte wird auch Contracts 2 nicht aufwarten – doch mittlerweile sind die Macher schlau genug, gar nicht erst darauf zu setzen. Vor den Missionen gibt es zwar ein ansprechend gemachtes Briefing im Call-of-Duty-Stil mit cool-militärisch wirkenden Zooms und Einblendungen, beim Spielen selbst wird man von dem Humbug aber kaum behelligt – kein Vergleich zu den fremdschämigen Dialogen in
Sniper Ghost Warrior 3. Auch das Tutorial hat im Vergleich zum direkten Vorgänger
Contracts zugelegt: Die Ziele sind besser erkennbar, die Reihenfolge ist stringenter, Tools wie Drohne, Munitionstypen oder Geschützturm werden vernünftig erklärt. Das zieht sich auch durch Teile der ersten Mission: Immer wieder erläutern kurze Einblendungen die Spielfeatures, weisen auf Möglichkeiten und Gelegenheiten hin. Warum ich so etwas Banales erwähne: Weil genau hiermit das erste Contracts Probleme hatte – das Tutorials war ein Saustall und in vielen Missionen wurde man zu wenig angehalten, die durchaus vorhandenen Gadgets und Kniffe anzuwenden.
Das Bild zeigt zwar nur den Start der Tutorialmission - aber hier ist schon erkennbar, dass der Titel rundum ordentlich aussieht.
Sniper Ghost Warrior Contracts 2 verfügt nicht nur über eine Drohne im Ghost-Recon-Stil, mit der sich Feinde markieren oder Kameras hacken lassen, sondern auch über ein Sniper-Geschütz, das man platzieren und dann auf Knopfdruck auslösen kann. Zack, peng, plötzlich sacken zwei Feinde zusammen und ihre Kollegen vermuten den Urheber der Schüsse dort wo das Geschütz steht, nicht aber dort, wo ich mich aufhalte. In puncto Munitionstypen, Waffen-Freischaltungen & Co. kann ich nach der ersten Mission noch nicht allzu viel sagen, dafür wirken Ravens Supervisier (das z.B. erklimmbare Kanten markiert) und das Fernglas intuitiver als im Vorgänger. Beim Blick durch die Optik werden Feinde im Blickfeld nicht superleicht markiert, aber ein Audioeffekt in Verbindung mit einer kleinen visuellen Hilfe sorgen dafür, dass man möglichst wenig Gegner übersieht, aber trotzdem etwas dafür tun muss. Auch interessante Punkte (Explosivfässer, Stromkästen, ein Scharnier bei der Last eines Kranes) laden zum Ausprobieren ein.