450 ab urbe condita
Ab urbe was? Nach der mythischen Gründung Roms. Dieses Spiel beginnt nicht wie ein
Civilization 6 bei null mit der Stadtgründung. Die wird ja für Rom gemeinhin auf das Jahr 753 vor unserer Zeitrechnung oder "vor Christus" angesetzt, obwohl das archäologisch übrigens nicht sekundiert wird. Jedenfalls startet man für die Berechnung eines "450 a.u.c" in unser heutiges System ein Jahr später im Jahr 754, so dass man wiederum 450 Jahre später beim 1. Oktober 304 v.u.Z oder v.Chr. zum Spielstart landet - je nachdem welcher Schreibform man folgen mag. Ihr habt immer noch nichts verstanden? Was erzählt der da? Euch raucht der Kopf?
Ich gebe zu, ich hätte das anders schreiben können. Aber kompliziert anzufangen passt hervorragend zu diesem Spiel, bei dem auch chronologisch erstmal verwirrt wird. Also: Herzlich willkommen in
Imperator: Rome, in dem Paradox seinem ebenso berühmten wie berüchtigen strategischen Design treu bleibt. Berühmt ist es für seine angestrebte Tiefe, die eine historische Epoche in all ihren Facetten von der großen Weltkarte mit Eroberungen über Politik, Handel, Religion bis in den kleinen privaten Winkel abzubilden versucht, wobei sich vieles erst auf lange Sicht beeinflusst. Berüchtigt ist es für seine undurchschaubare Oberfläche, in der man zwar theoretisch an hunderten kleinen Rädchen drehen kann, aber nicht immer sofort weiß, was sie praktisch bewirken - nicht nur weil man geduldig auf Ergebnisse warten muss, sondern weil das Tutorial nur an der Oberfläche kratzt und einen nicht wie in
Endless Space 2 oder
Stellaris auf Wunsch weiter begleitet.
Benutzerführung lässt Wünsche offen
Auch wenn Paradox die Benutzeroberfläche klarer strukturiert hat, bleiben noch viele Wünsche offen - gerade so ein komplexes Strategiespiel muss noch besser erklären. Zum einen verraten die Tooltips zu wenig. Zum anderen werden bei Ereignissen die Menüs unglücklich überlappt: Natürlich ist es richtig, dass die Nachricht im Vordergrund steht. Aber wenn ich vor der Antwort zu einem Bündnis oder einem Handel erstmal recherchieren will, wo sich das Volk befindet und welche Merkmale es hat, kann ich das nicht kontextsensitiv innerhalb dieser Einblendung; klicke ich auf das Icon des Antragstellers,
Welches Volk darf es sein? Über 400 stehen von Schottland bis Indien zur Verfügung.
wird seine Heimat zwar umrandet, aber teilweise unter dem angezeigten Menü. Statt der historischen Zitate in den Ladephasen hätte ich mir auch Tipps gewünscht- und vor allem vermisse ich ein interaktives Lexikon à la Civilization. Mit der nicht ganz fehlerfreien deutschen Übersetzung samt "ein Tochter" oder "mistraut" kann ich hingegen leben.
Der Aufstieg Roms zur Weltmacht
Wer mit der globalen Strategie von Paradox vertraut ist, wird sich also sofort heimisch fühlen. Denn vieles baut auf dem bekannten Fundament auf, das man strukturell aus
Europa Universalis 4 und thematisch bereits aus
Europa Universalis: Rome kennt, dem Vorläufer dieses Spiels. Allerdings konzentriert sich dieser Nachfolger nur auf die Zeit des Aufstiegs des Römischen Reiches bis hin zu seiner ersten Blütezeit unter Kaiser Augustus (
31 v. Chr. bis 14 n. Chr). Sprich: Man erlebt also nicht die komplette Antike bis zum Verfall des Imperiums im 5. Jahrhundert, sondern "nur" die Zeit bis Christi Geburt - wobei das immer noch ganze drei Jahrhunderte sind, in denen man trotz aller Kriege, Verräter, Umwälzungen, Völkerwanderungen & Co für Wachstum und Stabilität sorgen muss.
Und das ist eine Mammutaufgabe. Schon der geografische Rahmen kurz nach Spielstart ist atemberaubend: Man blickt auf eine herrlich ausgearbeitete Karte, kann die Kamera von Schottland über Nordafrika bis nach Indien schwenken, wobei selbst ich als historisch Interessierter beim Hineinzoomen einen Flickenteppich von tausenden Städten und zig Völkerschaften entdecke, von denen ich noch nie gehört habe: Kamarupa? Jangtang? Corduene? Troglodytica? Dieses
Imperator: Rome hinterlässt einen ebenso epischen wie edlen Eindruck. Was zu Beginn alleine aufgrund der Masse beeindruckt, fordert aber später en detail seinen Preis. Und die nochmals überarbeitete Clausewitz Engine hat mittlerweile zwölf Jahre auf dem Buckel - sie debütierte in
Europa Universalis 3 von 2007. Daher muss man erneut mit der statischen Präsentation sowie der fehlenden Visualisierung von Schlachten leben, die lediglich als schnöde Statistiken mit absinkenden Zahlen stattfinden. Aber Paradox lässt euch weitere militärtaktische Rädchen drehen.