Test: Two Thrones (Taktik & Strategie)

von Jörg Luibl



Two Thrones
Publisher: Koch Media
Release:
24.02.2004
Spielinfo Bilder  
Jeanne d´Arc! Der Dauphin! Die Rosenkriege! Was für die einen bloß Kauderwelsch, übt auf die anderen eine magische Anziehungskraft aus. Leider geht das Echtzeit-Strategiespiel "Two Thrones" mit dieser Verlockung grob fahrlässig um. Denn statt nach delikatem Mittelalterduft stinkt es hier schnell nach billigem Historienfusel.

Paradoxe Philosophie

In Schweden gibt es ein Team von Geschichtsfreaks, das in regelmäßigen Abständen historisch fundierte Strategiespiele veröffentlicht: Paradox Entertainment. Mit der Europa Universalis -Reihe hat man weltweit eine Heerschar begeisterter Fans gewonnen, die vor allem die mit  geschichtlichen Fakten unterlegte Mischung aus Diplomatie, Wirtschaft und Kampf schätzen.

Der spartanische Eindruck des Hauptmenüs wird vom Spielprinzip bestätigt. "Europa Universalis" bzw. "Strategie light" heißt die Devise. Komplexität ist Fehlanzeige.

Umso neugieriger wird man, wenn man das fette Emblem "Europa Universalis Engine" auf der Verpackung entdeckt. Und umso entsetzter ist man spätestens nach einer Stunde, wenn man das magere Spielprinzip des pausierbaren Echtzeit-Titels durchschaut hat. Denn der Ausflug in die Welt des Hundertjährigen Krieges ist nichts weiter als eine erschreckend abgemagerte Variante von Europa Universalis II .

Kulisse unter Brettspielniveau

Optisch konnte Paradox Entertainment noch nie begeistern und Two Thrones bleibt trotz edler Europakarte der spartanischen Linie so treu, dass das über zwei Jahre alte Civilization 3  dagegen wie ein Grafikgott strahlt. So präsentiert sich das späte Mittelalter zwischen 1337 und 1485: Eine statische Landkarte mit klitzekleinen Bewegungen, für alle Nationen gleich aussehende Gebäude, keine animierten Kämpfe, keine animierten Truppenbewegungen.

Stattdessen wird der Marsch der Armeen von sich langsam auffüllenden Pfeilen dargestellt, die Schlachten lediglich als Zahlenspielerei mit akustischem Schwertgeplänkel inszeniert. Und da auch die berühmten Könige der Zeit nicht auftauchen, bleiben die Eroberungen unpersönlich, die Wahl der Nation belanglos. Auch musikalisch sollte man keine inspirierende Reise ins Mittelalter erwarten, sondern eher gewöhnliche Klänge mit spärlicher Geräuschkulisse. Selbst so manches Brettspiel entfacht mehr Atmosphäre als dieser virtuelle Purismus.

Mit Masse statt Klasse

Taktik ist nur in kleinen Ansätzen vorhanden, denn es geht hauptsächlich um die Größe und Zusammensetzung der Armee sowie das Gelände. Ob ihr nun England oder Frankreich, Kastilien oder Burgung spielt ist völlig egal, denn Spezialeinheiten gibt`s nicht. Letztlich sollte man einfach von jeder Waffengattung etwas aufbieten und dem Feind einfach zahlenmäßig überlegen sein, bevor man die Schlacht oder Belagerung eröffnet. Für Letztere kann man noch nützliche Kanonen erwerben.

Einen Einfluss hat man während des Konfliktes ohnehin nicht, so dass all die militärischen Facetten des Spätmittelalters untergehen: Die Macht des englischen Langbogens, die Effizienz der Pikeniere, der Untergang der Ritterheere. Nur im Multiplayer-Modus könnte das Ganze reizvoller sein, da hier wenigstens klüger gezogen und taktiert wird. Die KI ist jedenfalls kein Gegner.

Das Kampfsystem kam zwar auch bei Europa Universalis II zum Einsatz, aber das ist erstens kein Grund es nicht attraktiver zu machen und zweitens verbarg sich unter der kargen Oberfläche des Vorbilds wenigstens ein komplexes Spielerlebnis. Two Thrones bietet hingegen simpelste Strategie auf Risiko-Niveau, die euch Siegpunkte für bestimmte Erfolge verleiht: Jeder Gebäudeausbau bringt zwei, jedes Bündnis zehn, jede Provinz 20, jeder eliminierte Gegner 500 Punkte; bescheidene Abzüge gibt`s für Niederlagen, Beleidigungen und Kriegserklärungen – Letztere kostet bloß 20 Punkte.

Was steht da? Diplomatische Finesse und militärisches Genie? Oh, wie sich gerade die Balken biegen, denn beides sucht man vergebens.

Was bedeutet diese Gewichtung in der Praxis? Man erobert so gierig, dass sich die Landkarten biegen: Man nehme eine armselige Provinz wie Navarra, suche sich noch ein armseligeres Opfer, schicke seine Armee dorthin, spule die Zeit vor und verleibe sich das Land ein. Noch einfacher ist das Ganze natürlich mit den großen Nationen England und Frankreich, die gleich von Beginn an Tausende von Rittern, Langbogenschützen und Söldnern ins Feld führen.

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Thema!
schrieb am