Der sympathische Auftakt
Diese Veröffentlichungspolitik darf gerne Schule machen: Knapp zwei Wochen vor dem Erscheinen von
NBA 2K17 konnte man bereits die Karriere in "The Prelude" starten, um sie dann zum Release fortzuführen. 2K Sports hat also nicht z.B. das dramatische Finale der Cleveland Cavaliers gegen die Golden State Warriors zum Probe spielen angeboten, obwohl das auch cool gewesen wäre, sondern das Prinzip der guten alten Demo sinnvoll erweitert. Und diesmal ist auch nicht Spike Lee für die Story verantwortlich, die letztes Jahr bekanntlich enttäuschte.
Bei der Charaktererstellung wirken sich körperliche Merkmale auf die Werte wie Beweglichkeit, Stärke & Co aus.
Ganz ohne Prominenz aus Hollywood geht es aber auch diesmal nicht: Die NBA-Karriere stammt aus der Feder von Aaron Covington, der das Drehbuch des Films "Creed - Rocky's Legacy" schrieb. Und man erlebt sie an der Seite des Schauspielers Michael B. Jordan, der dort den jungen Boxer mimte. Er übernimmt im Spiel die Rolle von Justice Young, der als Freund im Profiteam fungiert. Hört sich alles gut an, aber wer hinsichtlich der Regie eine Steigerung, mehr Entscheidungen sowie Spannung und vor allem bessere sportliche Entwicklungen erwartet hat, der wird enttäuscht. Und diesen Justice Young wird man schnell vergessen. Warum kann die Karriere nicht überzeugen?
Die zähe Karriere
Hat man sein eigenes Gesicht gescannt oder eines über den schwachen Editor erstellt, was
Die Karriere ist zäh wie Kaugummi, es fehlen dramatische Situationen, eigene Entscheidungen und glaubwürdige Entwicklungen. Trotz gewöhnlicher Leistungen in den College-Spielen wird man in den Kader der US-Nationalmannschaft berufen...
bei weißen Charakteren fast immer zu Neanderthaler-Ergebnissen führt, kann man als Duo loslegen. Schön ist, dass man bei der Einstellung der körperlichen Werte wie Größe, Gewicht und Spannweite teilweise erkennen kann, wie sich das auf die Beweglichkeit oder Stärke auswirkt. Aber es bleibt bei lobenswerten Details auf der Mikroebene, denn schon die College-Phase wird aus erzählerischer Sicht überraschend lieblos über fünf Etappen inszeniert. Da stellen sich die Colleges z.B. nicht mehr persönlich vor, es wird in dieser Phase auch kein Rivale oder Ähnliches aufgebaut.
Und die darauf folgende Karriere wird zwar bodenständiger inszeniert, es gibt weniger Kitsch und man kann Justice später auch selbst spielen. Das Motiv des befreundeten Duos ist zudem interessant, wird aber nicht gut entwickelt. Außerdem leidet die Dramaturgie unter einer Ansammlung von kleinen Filmschnipseln, die zwar Charaktere anreißen, aber zu selten über Dialoge oder Entscheidungen in die Tiefe gehen. Die Karriere spielt sich zäh wie Kaugummi.
Das liegt nicht nur an den vielen Ladephasen, die einen Tag mit drei Trainingseinheiten zur nervigen Angelegenheit machen, die man spätestens nach drei, vier Wochen am liebsten überspringen würde, sondern vor allem daran, dass sie dramaturgisch enttäuscht und inhaltlich zu viele Widersprüche bietet. Das fängt schon damit an, dass man trotz nur durchschnittlicher Auftritte im College in das Nationalteam der USA eingeladen wird und neben Kevin Durant aufläuft - man wird nur bei wirklich schlechten Leistungen nicht eingeladen. Oder dass man trotz nur wenig Spielzeit und C-Note schon wie ein Star im Team auftritt...der eigene Spitznamen "Mr. President" oder "Pres" symbolisiert dieses Missverhältnis. Als ob ein College-Absolvent so in einem Profiteam auftreten würde!
Widersprüche und frühe Star-Allüren
Im ersten Jahr als Rookie fühlt man sich schon wie ein Star. Der eigene Spitzname "Mr. President" tut sein Übriges...
Dass meine Mutter mich, einen weißen 2,10-Hünen, ihren "Scottie Pippen" nennt, ist fast schon Realsatire und verdeutlicht zusammen mit dem Coolness-Gehabe den Fokus der Regie auf schwarze Spielercharaktere - das ist alles verschmerzbar und angesichts der Zielgruppe verständlich. Aber im ersten Jahr als Rookie scheinen Social Media, Spiele-Sessions an der Konsole, Schuh-Verträge und Blödelei in kurzen Filmausschnitten jedenfalls wichtiger zu sein als Mannschaft, Entwicklung und Trainer. Anders ist es nicht zu erklären, dass man mehr mit seinem Smartphone beschäftigt ist als z.B. mal direkt mit dem Manager über seine Ziele, mit dem Trainer über seine Taktik oder mit den Stammspielern der Starting Five zu sprechen. Auch das Wichtigste für einen Rookie, nämlich die Einsatzzeit und das langsame Heranpirschen an den Kader, wird nicht in den vielen Gesprächen oder Nachrichten thematisiert - den Status quo an Minuten muss man in den Menüs abrufen.
Außerdem trifft man bis auf Zu- und Absagen von Meetings über Stunden keine relevante Entscheidung. Und wo sind Dialoge mit Rivalen oder Kabinengespräche? Lediglich auf Pressekonferenzen kann man Stellung zu Sponsoren, Teamkollegen und Co beziehen, die sich auch mal auswirken. Aber warum sind die Halbzeitanalysen des Trainers immer noch so überflüssig, weil darin keine neue
Die ständigen Nachrichten auf dem Smartphone nerven irgendwann...immerhin kann man sich zwischen Training und Events oder Treffen mit Kumpels entscheiden.
Taktik angesagt wird? Wieso werden da nicht mal direkte Playbook-Spielzüge gefordert?
2K Sports verpasst also die Chance, das rein Sportliche in der Karriere weiter zu entwickeln: Lobenswert ist zwar, dass ich freiwillig zusätzlich trainieren kann und dass das auch vom Trainer honoriert wird. Aber warum werden in den offiziellen Einheiten nicht die speziellen Team-Taktiken von z.B. Utah Jazz geübt?
Warum wird meine Entwicklung als Power Forward und Post-Spezialist nicht individuell gefordert und gefördert? Man wählt ja zu Beginn eine Rolle, aber kann diese nicht wirklich spezialisieren. So fühlt man sich auch teilweise wie ein Fremdkörper, denn weder die eigenen noch die Ziele des Vereins werden deutlich. Hier liegt noch viel Potenzial brach!