Altes in neuem Gewand
Denn die Scharmützel haben es immer noch in bester Serien-Tradition in sich: Kleinere Grüppchen stellen den Spieler als Master Chief im Normalfall vor keine Probleme – im Zweifelsfall geht man mal kurz in Deckung, damit sowohl die Gesundheit als auch die Schildenergie Zeit haben, wieder aufzuladen. Doch sobald man größeren Feindmengen gegenübersteht, kann man nicht mehr wild um sich ballernd hoffen, dass der Kampf ein schnelles Ende findet. Mit einer meist ausgewogenen Mischung aus Distanzkämpfern, Eliten, die einen im Nahkampf in den Boden stampfen möchten, angereichert durch u.a. Sniper, stationäre Geschütze sowie später auch wieder die bewaffneten Fahrzeuge der Ghost- oder Banshee-Klassen, muss man nicht nur seinen Munitionsvorrat im Blick behalten, sondern sich auch dynamisch passende Taktiken zurechtlegen, um nicht das Zeitliche zu segnen. Immerhin: Es werden weitgehend gute Kontrollpunkte gesetzt. Die Ausnahme musste ich ausgerechnet bei einem der gut inszenierten, wenngleich manchmal unnötig in die Länge gezogenen Bosskämpfe erleben. Hier wurde ich nach dem Ableben nicht (wie normalerweise üblich) vor dem Start der Auseinandersetzung wieder ins Spiel geworfen, sondern mitten im Kampf. Und selbstverständlich in direkter Nähe zum Gegner, der mit einer vernichtenden Nahkampfattacke ausgestattet wurde. Hier stieg der Frust exponentiell zur Anzahl der Tode an – und es gab viele, bis ich schließlich siegreich war. Ich schreibe dies der frühen Review-Version zu, die uns von Microsoft vorab zur Verfügung gestellt wurde und sortiere es als nervenden Bug ein, der sich allerdings trotz des Ärgers nur minimal auf die Wertung auswirkt – bei den anderen Bossen waren die Kontrollpunkte in Ordnung.
Doch zurück zu den "normalen" Gefechten: Es hilft, die gut designten Umgebungen als Deckung zu nutzen, was allerdings auch von der passabel, aber dennoch immer wieder Richtung Kanonenfutter agierenden KI eingesetzt wird. Oder man schnappt sich eine der neuen in den Stützpunkten herumliegenden "Energie"-Kisten und schmeißt sie den Angreifern entgegen, damit sie z.B. von Plasma-Explosionen dezimiert werden. Wenn alles gut läuft, kann man so eine Kettenreaktion in Gang setzen, die nicht nur den Bildschirm mit ansehnlichen Explosionen zum gleißenden Strahlen bringt, sondern selbstverständlich auch die Feinde ins Verderben reißt. Aber Vorsicht: Die etwas kräftigeren Gegner nutzen diese Kisten auch, um euch aus der Deckung zu locken oder im schlimmsten Fall schwer zu verletzen. Kurzum: Als futuristischer Shooter fühlt sich Halo Infinite mindestens gut, sehr häufig sogar sehr gut an. Auch wenn das Trefferfeedback nicht immer überzeugt und den Eindruck hinterlässt, dass man hier nicht mit dynamischen Reaktionen, sondern einer (nicht allzu großen) Auswahl an Animationen pro Körperteil
Die Innenräume wirken etwas spartanisch, setzen aber die Serientradition angemessen fort.
arbeitet. Und wenn wir schon bei dem "Wie-du-mir-so-ich-dir"-Gedanken sind: Findet man auf freier Wildbahn oder durch "feindliche Übernahme" einen der wendigen sowie gut bewaffneten Ghosts, kann der sich als durchaus mächtige, vielleicht manchmal sogar etwas übermächtige Waffe präsentieren, gegen den die Feinde kein Mittel zu finden scheinen.
Rico Rodriguez lässt grüßen
Als bereits in den frühen Tutorial-Missionen ein Greifhaken als frisches mechanisches Element eingeführt wurde, war ich skeptisch: Würde der nicht eher den Spielfluss aufhalten als ihn fördern? Er wirkte an der Stelle deplatziert, er brauchte lange, um sich vor seinem nächsten Einsatz wieder aufzuladen. Und die Dynamik, die man mit anderen Greifhaken-Spielen wie der Just-Cause-Serie assoziiert, wird hier auch später mit einigen Upgrades nicht erreicht. Dennoch möchte ich ihn nicht mehr missen und frage mich, wieso 343 ihn nicht schon vorher eingesetzt hat. Denn zum einen kann man ihn nutzen, um Angriffen auszuweichen, was den Gefechten eine weitere Dynamik-Facette hinzufügt. Natürlich gilt auch das Gegenteil: Man kann ihn auch effektiv verwenden, um den Abstand zu den Feinden schnell zu überbrücken. Schafft man es im Eifer des Gefechtes sogar, den Gegner als Ziel zu platzieren, wird dieser nicht nur kurz mit einem Elektroschock begrüßt, sondern kann auch das schutzlose Opfer eines nachfolgenden Nahkampfangriffs werden. Und zu guter Letzt sorgt der Haken für das Hinzufügen einer vertikalen Ebene, die dem Spiel ebenfalls guttut. Denn mit der Option, sich auch mal nach
Die Steuerung der UNSC-Fahrzeuge ist etwas frickelig.
oben aus dem Gefecht zu verabschieden, insbesondere, wenn die Feinde nicht folgen können, verschafft man sich ggf. ebenfalls die nötige Luft, um Schilde wieder aufladen zu können. Dass die Vertikale auch bei der Erkundung von Zeta Halo eine größere Rolle spielt, ist eine angenehme Begleiterscheinung.
Allerdings kämpft der Greifhaken noch mit ein paar Kinderkrankheiten, die sich nicht nur auf das recht lange Aufladen beziehen. Das Seil ist vergleichsweise kurz geraten und die Markierung, die eine sichere Verankerung signalisiert, ist nicht nur sehr klein, sondern auch sehr penibel, wenn es um das Ziel geht. Manchmal entscheiden wenige Millimeter, ob man das Zugseil jetzt nutzen kann oder nicht. So kann es zu sehr skurrilen sowie leicht frustrierenden Situationen kommen, in denen man einerseits versucht, durch gezielte Salven die Gegner auf Abstand zu halten, dann aber immer wieder kurzzeitig den Blick nach oben richtet, um den Haken abzufeuern, der aber partout keinen Halt finden möchte, obwohl die höher gelegene Ebene eigentlich erreicht werden könnte.