Ein Raum, drei Menschen
„Ein interaktiver Thriller über einen Mann, der in einer Zeitschleife feststeckt.“ So bringt Schöpfer Luis Antonio sein Spiel 12 Minutes auf den Punkt. Nachdem ich frische Spielszenen aus dem Titel begutachten konnte - dazu gleich mehr -, plaudert der portugiesische Spieleregisseur in einer Online-Fragerunde mit Journalisten ein wenig aus dem Nähkästchen: Wenig überraschend lobt er die Zusammenarbeit mit Microsoft, drückt sich aber vor der Nennung eines konkreten Termins („sehr bald, sicher noch 2021“) und wiederholt die Essenz seines Titels: „12 Minutes ist eher ein interaktiver Thriller, kein klassisches Videospiel.“ Außerdem verrät er, dass man die ungewöhnliche Vogelperspektive das komplette Spiel über nicht verlassen wird - es werde keine Nahaufnahmen der Protagonisten oder Zooms auf ihre Gesichter geben. Und natürlich freut er sich über die prominenten Sprecher: Anfangs habe er das Spiel aus Budgetgründen nur mit Textboxen konzipiert, mittlerweile würden die prominenten Sprecher aber helfen, die Emotionen der Charaktere zu transportieren. Die männliche Hauptfigur wird von James McAvoy (X-Men, Atomic Blonde, Split) vertont, seine Frau hat die Stimme von Daisy Ridley (Star Wars 7-9); Willem Dafoe (Antichrist, Spider-Man, Beyond: Two Souls) schließlich spricht den Polizisten, der in das traute Heim des Paares eindringt.
Zeit für Zweisamkeiten? Bisher gab es im Bewegtbild keine Szene zu sehen, die es den Protagonisten erlaubt hätte, sich ins Bett zu kuschenln.
Womit wir beim spielerischen Inhalt von 12 Minutes angelangt sind: Es geht um einen Ehemann, der nach Hause kommt und sich auf einen romantischen Abend mit seiner Frau freut. Doch dazu wird es nicht kommen: Nach wenigen Minuten verschafft sich ein Polizist Zugang zur Wohnung, die Situation eskaliert, er wirft die beiden brutal zu Boden, unter Umständen endet die Szene tödlich. Unter Umständen? Richtig, denn als Spieler hat man Einfluss auf den Ausgang der Situation. Weil sie maximal zwölf Minuten dauert, weil man sie wieder und wieder erlebt, weil man von Mal zu Mal dazulernt. Der Mann ist sich des Zeitschleifen-Phänomens bewusst: Wann immer die zwölf Minuten vorbei sind oder er stirbt, wacht er an derselben Stelle, kurz nach seiner Ankunft zuhause, wieder auf – inklusive aller Erinnerungen. Und er versucht, seine Sache nun besser zu machen. Wie kann er seine Frau davon überzeugen, dass er die Wahrheit spricht, wenn er ihr sagt, dass er ein und diesselbe Szene mehrfach erlebt - und dass gleich ein Polizist die Tür eintreten wird? Indem er ihr von ihrer Schwangerschaft erzählt, von der er eigentlich noch keine Kenntnis hat? Und hat sie wirklich ihren Vater umgebracht, wie der Polizist in wenigen Minuten behaupten wird?
Adventure mit Schuss
Stattdessen sieht die Realität schon nach wenigen Spielminuten düster aus: Ein Polizist dringt in die Wohnung ein, wirft beide Hauptfiguren zu Boden und fesselt sie rüde mit Kabelbindern.
In spielmechanischer Hinsicht sorgt der Erkenntnisgewinn aus den vorherigen Durchläufen für neue Gesprächsoptionen. Die Dialoge werden nämlich nicht nur gekonnt vertont, es gibt auch Multiple-Choice-Textoptionen: Vielleicht kann der Mann seine Frau so schneller von den seltsamen Vorgängen überzeugen und dem Eindringling dadurch den entscheidenden Schritt voraus sein. Zudem kann man, ähnlich einem klassischen Adventure, Gegenstände aufnehmen und sie mit anderen Objekten oder Personen kombinieren. Man könnte seiner Liebsten ganz banal eine Tasse Tee zubereiten oder aber sich das große Küchenmesser schnappen, um dem Polizisten später Paroli zu bieten. Wenn der ins Zimmer kommt, kann man zum Kampf übergehen oder sich erstmal mit Kabelbinder fesseln lassen und auf eine Chance lauern. Vielleicht wäre es aber auch besser, sich im Bad zu verstecken: Licht aus, Türe absperren und dann warten? Ein Notizbuch, in dem wichtige Schlüsselszenen oder Hinweise verzeichnet werden, ist nicht geplant, sagt mir Luis Antonio – so etwas sei angesichts der überschaubaren Dauer eines Durchlaufs nicht nötig.
Der Portugiese verspricht ein spannendes Kammerspiel, er kommt kurz ins Schwärmen, wenn er von Filmklassikern wie The Shining, Das Fenser zum Hof und Memento spricht, die ihn zu dem Spiel inspiriert haben. Und er beantwortet die Frage, ob es mehrere alternative Enden geben wird, etwas vage: „Jein – 12 Minutes wird einfach kein klassisches Finale inklusive Abspann haben, sondern anders enden...“