Test: Osmos (Logik & Kreativität)

von Jörg Luibl



Osmos
Entwickler:
Publisher: -
Release:
kein Termin
kein Termin
18.08.2009
Spielinfo Bilder  
Independent hier, Independent da - wie kommt es eigentlich, dass unabhängige Spielentwicklungen so populär sind? Hat das etwas mit dem Unmut der Käufer gegenüber den Großen zu tun, die ihren zigmal durchgekauten Mainstream für viel Geld auf den Markt schmeißen? Klar, es gibt auch eine verständliche Portion Konsumententrotz. Aber die Popularität dieser kleinen Spiele wäre ohne ihre kreative Qualität nicht denkbar. Osmos ist ein ganz besonderes Schmuckstück.

Meditativer Darwinismus

Das Spiel der Kugeln: Die eigene blaue Kugel kann die kleineren blauen fressen, aber vor der roten muss sie sich in Acht nehmen.
Sphärische Musik fließt beruhigend im Hintergrund, leuchtende Kugeln schweben friedlich durch den Raum. Ist das ein Weltall mit Planeten? Nein, wenn man genauer heran zoomt, sehen die runden Körper eher aus wie futuristische Murmeln oder biologische Organismen - man erkennt wabernde Fasern und Lichtpunkte wie bei Tiefseefischen. Was es auch immer ist: Es sieht irgendwie lebendig, irgendwie faszinierend aus. Aber es ist nicht alleine das Artdesign, das Osmos vier Nominierungen beim Independent Games Festival 2009  bescherte (leider haben wir die PC-Version damals nicht getestet). Denn spätestens, als eine Kugel mit einem gleißenden Zischen absorbiert wird, ist klar, dass es hier trotz einlullender Akustik nicht um rein pazifistisches Zen-Gaming, sondern um das älteste Spiel der Welt geht: Fressen und Gefressen werden.

Man bugsiert einen kreisrunden Körper wie ein Raumschiff durch ein Meer voller Gefahren und muss clever wachsen, indem man gezielt so lange mit kleineren Wesen kollidiert, bis man selbst der Größte ist - dann ist ein Level meist gemeistert. Es gibt leider nicht all zu viele Spielvarianten, obwohl man auch mal gezielt andere Kugeln jagen muss. Wie sich das Ganze steuert? Sehr komfortabel: Ein Fingertipper hinter der eigenen Kugel sorgt für einen Schub in die entgegen gesetzte Richtung; ein Fingertipper vor ihr bremst ab. Je öfter und schneller man tippt, desto mehr Tempo nimmt man auf. Das Prinzip dieser indirekten 360-Grad-Steuerung ist einfach und schon während des Tutorials bewegt man sich angenehm präzise durch den Raum, zoomt mit zwei Fingern für eine bessere Übersicht ganz nah ran oder weit raus.

Der Verschleiß ist der Preis

Wie soll man hier die größte Kugel werden? Das geht nur über behutsames Billard im Kugelkosmos.
Aber man darf es nicht übertreiben, denn jede Bewegung kostet die eigene Kugel quasi Lebenskraft, symbolisiert durch den Verlust winziger Kügelchen, die wiederum Nahrung für Feinde darstellen. Davon gibt es einige mit unterschiedlichen Fähigkeiten, die das sofort ausnutzen: Die aggressiven KI-Kugeln wollen auch möglichst schnell wachsen. Und weil es nicht unbegrenzt Futter oder gar einen offenen Raum gibt, sollte man sich zuerst um diese Konkurrenten kümmern - sonst heißt es Game Over. Es gibt auch schwarzgrüne Antimaterie-Kugeln, die wie Parasiten an allem Größeren saugen oder flink flüchtende, die in der Nähe wie Magneten gleicher Polung abgestoßen werden.

Das Motivierende an Osmos ist, dass man behutsam und clever wachsen muss. Manchmal gilt es, sich mit sanften Tippern einen Weg durch riesige Fressfeinde zu bahnen. Wer hier schnell und hektisch tippt, ist auch schnell tot. Manchmal ist es sogar entscheidend, dass man die Zeit verlangsamt, um die optimale Richtung zu treffen. Erst wenn man schon eine gewisse Größe hat, kann man getrost vorspulen und seine Kugel flitzen lassen. Allerdings geht es oftmals um effiziente Wege im beengten Raum: Die Welt ist nicht frei, es gibt Grenzen und das kann schon mal dazu führen, dass etwas Trial&Error ins Spiel kommt, wenn die Futterrohstoffe aufgebraucht sind.

Billard im Kosmos

Fressen und Gefressen werden: Wenn man rauszoomt, erkennt man die grünen KI-Feinde - auch sie wollen wachsen!
Das Spielprinzip ähnelt also weniger einem chaotischen Flipper, sondern vielmehr dem gezielten Billard. Allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Auf diesem kosmischen Tisch wirken nicht nur Einfalls- und Ausfallswinkel an den Rändern, sondern auch die planetaren Gesetze der Schwerkraft. Es gibt große Kugeln, die wie mächtige Sonnen eine unwiderstehliche Anziehungskraft aufbauen, mit zig kleinen Satelliten und potenziellem Futter in ihrem Radius. Diese planetaren Level besitzen im Gegensatz zu den einfachen Fressleveln eine ebenso gefährliche wie spannende Dynamik.

Kommt man ihnen nahe, schwebt man zunächst mit einem Temposchub in ihrer elliptischen Umlaufbahn - das kann taktisch klug sein, denn so gewinnt man ohne Verlust eigener Masse an Geschwindigkeit und kann dabei kleinere Kugeln absorbieren. Das Regulieren der eigenen Richtung aus dieser Anziehung heraus wird über eine Hilfslinie erleichtert. Das ist jedoch ein gefährliches Spiel, denn kommt man dem Kern zu nahe, wird man selbst angezogen und aufgesaugt; wer jetzt gegen steuert, kann sich nur unter großen Verlusten retten und endet meist als kosmischer Nachtisch.

Kommentare

Levi  schrieb am
Opa hat geschrieben:Wieso soll man mit einem mobilen Game denn nicht richtig Spaß haben können und warum sollte es keine 90% bekommen. Das ist doch wiedermal dieses kleinkarierte Denken bei dem man zwanghaft versucht Spiele / das Gaming allgemein in ein Formschema zu pressen. Gaming ist am Ende Spaß und Zeitvertreib und egal wie ein Spiel dies erreicht und mit welchen Mitteln - das ist seine Natur. Wieso soll ein Osmos das weniger gut können als eine meinetwegen im Gesamten aufwendigere Produktion.
Im Umkehrschluss müsste man ja Tetris & co. geschlossen als spielerischen Abfall deklarieren und ich denke spätestens hier fällt einem was auf...
öhm doch ... wenn die ps3-Version wirklich einen ähnlichen Schwierigkeitsgrad hat, wie die PC-Version ... oder besser gesagt "Lernkurve" ... hat es keine 90% verdient ... denn es wird nicht gleichmäßig schwerer und anspruchsvoller, sondern innerhalb von 2-3 Level von gemütlich schaffbar auf "Wie zur hölle soll ich den Scheiß schaffen" ... und sowas hat dann halt keine 90% verdient ;) ... egal wie klein oder groß ... Weil du Tetris brachtest:
Stell dir vor, die ersten level steigen so ... sagen wir mal a-mode 1-4 ... und mit einen schlag wirst du auf Level 9 gesetzt ... und mit dem nächsten bereits auf 20 .... das hat dann nix mit: "Kleinkarriert" zu tun, sondern einfach mit unausgewogener Lernkurve ... und sowas kann zum Spaßkiller werden, was damit wiederum sind 90% eigentlich nicht drin ....
Opa schrieb am
Wieso soll man mit einem mobilen Game denn nicht richtig Spaß haben können und warum sollte es keine 90% bekommen. Das ist doch wiedermal dieses kleinkarierte Denken bei dem man zwanghaft versucht Spiele / das Gaming allgemein in ein Formschema zu pressen. Gaming ist am Ende Spaß und Zeitvertreib und egal wie ein Spiel dies erreicht und mit welchen Mitteln - das ist seine Natur. Wieso soll ein Osmos das weniger gut können als eine meinetwegen im Gesamten aufwendigere Produktion.
Im Umkehrschluss müsste man ja Tetris & co. geschlossen als spielerischen Abfall deklarieren und ich denke spätestens hier fällt einem was auf...
MaxSchmerz schrieb am
DerBergschreck hat geschrieben:Ich finde nicht, dass man zweierlei Maß ansetzen sollte. Es ist meiner Meinung nach nicht wichtig, wieviel Geld hinter einem Spiel steht. Ist ein "billiges" schlechtes Spiel besser als ein "teures" (genauso) schlechtes Spiel? Ich denke nicht. Bewertet werden sollte der Spielspaß und nicht, wie dieser zustande kommt.
Man kann das vielleicht mit Fusball vergleichen: Gemessen an der Erfahrung hat ein 18jähriges Talent ein gutes erstes Bundesligaspiel gemacht. Absolut betrachtet allerdings war er schlechter als der 30jährige erfahrene Spieler. Beide Leistungen sind entsprechend zu würdigen, keine Frage. Allerdings bekommt der 30jährige nachher im kicker-Magazin die bessere Note - und das zu Recht.
Warum? Es zählt die abgelieferte sportliche Leistung. Unabhängig z.B. vom Alter.
Heißt beim Spiel: Es zählt die abgelieferte Leistung. Unabhängig vom Budget.
Kann ich nicht mit übereinstimmen. Das dir das Spiel vielleicht nicht so gut gefällt wie jemand anderem ist eine Sache. Aber mir zum Beispiel gefällt das Spiel richtig gut. Das Spielprinzip ist innovativ ,etwas das gerade heutzutage in der Spielebranche zusehends fehlt, und das Gamedesign einzigartig. Hat mich mehr in den Bann gezogen als so manches komplexere "teurere" Spiel. Für 4? hat dieses Spiel also definitiv 90% verdient ;und natürlich sollte jemand der mit weniger mehr anstellt auch besser benotet werden. Das Geschmäcker verschieden sind muss sich ja nicht in der Wertung niederschlagen. Oft genug sagt 4Players ja auch das sie ein Magazin sind was absichtlich eher subjektiv als objektiv bewertet. Bei "guten" Filmen zB ist es ja ähnlich. Oft sind die hoch bewerteten Filme auch gleichzeitig schwere Kost und daher beim "Mainstream"-Publikum nicht immer beliebt. Es gibt also Leute die sich damit nicht anfreunden können und lieber auf einen effektreichen Actionfilm umsteigen. Macht es den Film "schlechter"? Finde ich nicht. Aber diese ganzen Begriffe "was ist gut, was ist schlecht" sind...
Axozombie schrieb am
es ist zwar nicht die pc version, und weiß nicht wie es bei dieser version aussieht:
aber auf den pc ist die schwierigkeitskurve ungewähr so ist als würde man ungebremst gegen eine wand laufen und das wär ganz bestimmt keine
90% wert.
Jörg Luibl schrieb am
@Spore: Es hat ja auch etwas von kugelrunder Evolution. :wink:
Zu zweierlei Maß: Eigentlich messen wir mit hunderterlei Maß. Wir haben keine perfekte Schablone, die wir über Spiele legen. Budget spielt keine Rolle, Teamgröße ist Wurst, Publisher ist egal. Uns interessiert immer nur, wie das Gespielte auf uns wirkt.
Und dass wir auch Independent abstrafen, wenn es uns nicht rockt, haben wir ja schon des Öfteren gezeigt. Nur weil etwas rebellisch, antiästhetisch oder einfach anders ist (was mir zunächst immer überaus sympathisch ist), muss es nicht besser sein.
schrieb am