Ezio hat es nicht leicht. Weil ihm die Inkonsequenz von Ubisoft Montreal immer wieder Knüppel zwischen die Beine wirft, denen er trotz aller akrobatischer Fähigkeiten nicht ausweichen kann. Auf der einen Seite hat das Team um Jade Raymond sich nahezu jeder spielmechanischen Kritik am Vorgänger angenommen und an vielen Schräubchen gedreht. In Kämpfen kann man z.B. Gegner entwaffnen und hat generell mehr Möglichkeiten. Das trockene, gegen Ende redundante Missionsdesign des Vorgängers wurde gleich komplett über Bord geworfen und durch eine gestraffte, weitestgehend lineare Kampagne ersetzt, die aus dem Italien der Renaissance keinen offenen Action-Abenteuer-Spielplatz, sondern einen glanzvollen Schauplatz für einen Rachefeldzug macht. Der geheime Star ist ohnehin nicht Ezio, sondern vielmehr die größtenteils zum Staunen und Träumen anregende Architektur, die nur noch von der vorbildlichen Lokalisierung getoppt wird und die mit ihrer Pracht dafür sorgt, dass technische Mängel wie Tearing, Pop-Ups und mitunter krude Schattenwürfe hingenommen werden. Aber trotz der pompösen Kulisse: Assassin's Creed II ist nicht mehr so eindrucksvoll wie der Vorgänger. Und das hat viele inhaltliche Gründe: Das Figurenverhalten wurde zwar verbessert, setzt aber auf immer wiederkehrende Muster, die auf lange Sicht unglaubwürdig sind. Die neuen Katakomben sind im Kern nicht mehr als eine ungeschickt aufgestülpte Variation der bekannten Sprung- und Kampfelemente. Der erzählerische Bogen, der virtuelle Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft, wird viel zu selten gespannt, so dass die Story an Reiz verliert. Das Klettern wirkt immer noch zu leicht und wie auf Schienen. Die coolen Doppelklingen sind viel zu mächtig und entwerten das restliche Waffenrepertoire. Dennoch möchte ich die Zeit mit Ezio nicht missen: Die Kämpfe, das Klettern und das Meucheln haben zwar einiges ihrer Erstfaszination verloren, machen aber Spaß. Weil es immer noch und immer wieder schön ist, einen Turm zu erklimmen und sich am überzeugenden Design der italienischen Renaissance-Metropolen zu erfreuen. Zu schade, dass die Städte im Zusammenspiel mit der Akustik bis auf wenige Ausnahmen mehr Charakter zeigen als die Figuren. Assassin's Creed II teilt das Schicksal vieler Filme, die als Mittelteil einer Trilogie erscheinen: Ambitioniert und unterhaltsam, aber letztlich nicht mehr als ein Übergang, der sich nicht all zu weit vom Vorgänger entfernt und gerade mal das Nötigste tut, um den vermeintlichen dramatischen Höhepunkt vorzubereiten. Hoffentlich gelingt Ubisoft der große Wurf mit dem Finale.
Venedig ist schlichtweg atemberaubend! Man wandelt durch enge Backsteinbauten hin zu sonnenüberfluteten Piazzas und erlebt eine der malerischsten Kulissen der Spielegeschichte. Man saugt diesen umwerfenden Schauplatz so lange in sich auf, bis ihn die starr auf ihre einfachen Routinen bedachten Passanten als Staffage entlarven. Denn eine lebendige Welt sieht anders aus: Sie hat Figuren, denen ein Attentat nicht egal ist. Sie hat Einwohner, die etwas zu sagen haben. Sie braucht Menschen, die mir ihr Elend klagen, wenn ich vor ihren armseligen, überfluteten Häusern stehe. Und sie braucht einen Protagonisten, der auf seinem Weg vom jugendlichen Draufgänger zum Attentäter auch eine dunkle Seite zeigt. Dem entweder sein eigener moralischer Konflikt oder die Gesellschaft einen Spiegel vorhält. Aber darauf verzichtet Ubisoft. Komplett. Ebenso wie man darauf verzichtet, das abenteuerliche Klettern und die eigentlich spannenden Attentate anspruchsvoll umzusetzen. Stattdessen schwingt und kämpft man sich von einem Auftrag zum nächsten - meist vergeblich auf der Suche nach einer Herausforderung. Ja: Die Aufgaben sind abwechslungsreicher, die Gefechte dynamischer, Konkubinen ausgesprochen hilfreich und Adleraugen entdecken überall versteckte Extras. Doch was, wenn sie genauer hinsehen? Dann entdecken sie im Rücken der strahlenden Fassaden knirschende Holzgerüste. Sie entdecken ein leeres Hollywood-Studio, dessen Darsteller nicht zur Arbeit erscheinen. Nur eine Handvoll Statisten stakst in voller Montur über die Bretter, die die Spielewelt bedeuten. Assassin's Creed II ist ein wunderschönes und unterhaltsames Spiel - es kann die faszinierende Illusion der Renaissance allerdings nicht lange genug aufrechterhalten.
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