Unterhaltsam, actionreich, ernüchternd - das ist der konsequente Abschluss einer Saga, deren Qualität mit jedem Teil sank. BioWare gelingt es wieder einmal nicht, so zu begeistern wie in alten Zeiten. Es macht Laune, die Kräfte seines Teams zu bündeln und auf die Feinde loszulassen. Es macht Spaß, mit seiner Crew zu sprechen und Beziehungen zu pflegen. Und über all dem liegt der Reiz der freien Entscheidung: Man muss mit tragischen Konsequenzen leben, es kommt zu bewegenden Situationen. Man trifft alte Bekannte und fühlt sich auf der Normandy fast wie Zuhause. Für all das schätze ich diese Saga. Aber das ist der inhaltlich schwächste, weil eintönigste Teil eines futuristischen Abenteuers, das sich in die falsche Richtung entwickelt hat. Irgendwann geht einem das primitive Geballer einfach auf den Keks: Nicht weil es Geballer ist, sondern weil es zu eintönig ist und zu selten die situative Spannung erstklassiger Shooter wie Killzone oder Gears of War erreicht. Anstatt die Taktik der Kräfte weiter über Konter zu vertiefen oder mal die schrecklich dumme KI zu verbessern, setzt man auf brachialen Nahkampf und einen Koop-Multiplayer mit blöder Wellenaction! Mass Effect 3 gelingt es auch nicht, die Gesprächsführung weiter zu entwickeln - die Dialoge sind gut geschrieben, aber teilweise eine Enttäuschung, denn man kommt genauso idiotensicher vorwärts wie in der oberflächlichen Entwicklung seines Teams. Man vermisst an allen Ecken und Enden sowohl Anspruch als auch Abwechslung: Cleverer Einsatz der Fähigkeiten abseits des Kampfes? Minispiele, Hacken, Stealth? Freie Erkundung eines Planeten? Lebendige Städte? Strategische Charakterwahl? Logikrätsel? Alles Fehlanzeige. BioWare hat viel für die Rollenspielwelt geleistet, aber jetzt ruht man sich auf seinen Stärken aus. Warum biedert man sich lieber Call of Duty an? Weil es sich verkauft, ist ja klar! Aber die Kanadier verkaufen sich mit dieser Banalisierung des Spieldesign auch ein wenig selbst. Und es ist bezeichnend, dass sie unter „mehr Rollenspiel“ tatsächlich die Modifizierung von Panzerung und Waffen verstehen. Man darf nicht vergessen, dass noch genug Qualität in dieser Space Shootera steckt: Die Charaktere sind interessant, die Story mitunter tragisch, einige Geheimnisse werden gelüftet. Wer vor sechs Jahren mit Shepard losgezogen ist, muss diese Odyssee ohnehin beenden. Und er wird vom Finale nicht enttäuscht. Aber als der Abspann nach den knapp 25 Stunden lief, habe ich nicht mit einem andächtigen Wow an einen Nachfolger, sondern an die fehlende Headshot-Statistik gedacht. Es gibt ja noch DLC.
Es spricht nicht unbedingt für Mass Effect als Rollenspiel, dass mich BioWares Universum so fasziniert. Ich kann dem Genre eigentlich nicht viel abgewinnen, doch die Kanadier treffen bei mir auch zum Abschluss der Trilogie den richtigen Nerv – vielleicht gerade weil die Serie sich von Anfang an nicht als Hardcore-Rollenspiel wie Skyrim präsentiert hat. Dass diese entgegen der Versprechen weiter zugunsten der Action kastriert wurden, stößt mir zwar nicht ganz so sauer auf wie Kollege Jörg, doch kann ich manche Designentscheidungen wie den Wegfall von Minispielen ebenfalls nicht nachvollziehen. Wenn man als Entwickler den Actionweg beschreiten und ein packendes Shootererlebnis im Stil von Gears of War realisieren möchte, dann muss man es auch richtig machen! Dazu hätte BioWare aber vor allem die KI deutlich aufbohren müssen anstatt zum Moorhuhnschießen einzuladen. Ja, die Mechanik wurde im Vergleich zu den hölzernen Kämpfen der beiden Vorgänger spürbar verbessert, doch unter den Gesichtspunkten eines Shooters bieten die Gefechte trotzdem nur Mittelmaß ohne echten Nervenkitzel. Das Problem: Weder Rollenspieler noch Actionfans werden mit dieser Mischung völlig zufrieden gestellt. Und trotzdem gefällt mir dieser Teil besser als sein Vorgänger, denn abgesehen von der verbesserten Technik wird endlich die Geschichte zu ihrem Abschluss geführt. Und sie ist von Anfang an der Grund gewesen, weshalb ich von Mass Effect trotz der spielerischen Defizite immer angetan war: Ich mag das Universum, ich mag die Charaktere, ich mag das Design und das Prinzip der Entscheidungen, deren Auswirkungen sich dank des importierten Profils durch alle drei Spiele ziehen. Und deshalb genieße ich weiter den Weg zu meinem großen Finale, auch wenn er hier zu sehr von stupiden Ballereinlagen überschattet wird.