Okami ist wohl das beste Beispiel für eine Videospiel-Geheimtipp: Es ist bei seinen Kritikern beliebt, doch der kommerzielle Erfolg blieb aus. Wie ist so etwas möglich? Sollten hohe Wertungen nicht zu hohen Verkaufszahlen führen? Nicht wirklich, denn Okami ist kein Spiel für die breite Masse. Wer jedoch mit seinem malerischen Stil etwas anfangen kann, wird begeistert sein.

Doch was ist Okami eigentlich? Was ist sein großer Reiz? Nüchtern betrachtet ist es ein Zelda-Klon. Und allein das reicht bereits, um etliche Symphatien für sich zu gewinnen. Der Fakt, dass es sich um ein (vergleichsweise) nichtlineares Action-Adventure handelt, setztes herrlich vom Schlauchlevel und MMO-Einheitsbrei ab. Es gibt zwar eine Story, doch dem Spieler wird grundsätzlich viel Freiraum gegeben, die Welt Nippon darf nach Herzenslust erkundet werden und, viel wichtiger, dies wird auch belohnt. An jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken, selbst die unscheinbarsten Tiere geben gegen ein wenig Futter eine Belohnung an die göttliche Protagonistin. Wer gerne nach Upgrades sucht, wie etwa in Metroid Prime, wird sich wohl fühlen. Insgesamt wirkt das Spiel offener als viele Spiele der letzten Jahre - den jüngsten Zelda-Titel eingeschlossen.

Es ist vermutlich gerade diese Eigenschaft, die es Okami ermöglicht, seine einzigartige Atmosphäre zu entfesseln. Jeder Winkel der Welt versprüht eine Ästhetik, die ich in noch keinem anderen spiel gesehen habe. Dass ich dazu eingeladen werde, die Umgebung aktiv zu erkunden, verstärkt diesen Effekt. Die malerische Optik und der zauberhafte Soundtrack kommen so besonders gut zur Geltung. Auch die Story, die dort, wo moderne Spiele längst zu Ende sind, erst richtig anfängt, fügt sich ohne weiteres in dieses Schema ein. Sie führt den Spieler immer weiter in eine greifbare Mythologie, die meisterlich mit den grafischen und akkustischen Stilmitteln dieses Spiels inszeniert wird. Dabei werden gleischermaßen idyllische wie düstere Stimmungen erzeugt. Ich denke, die beste Beschreibung für Okami lautet: Es ist ein spielbares Märchen - nicht zuletzt, weil es auf einem basiert, und einen Großteil der japanischen Sagenwelt real werden lässt.

Warum spreche ich nun von einem Geheimtipp? Nun, ich selbst mag von diesem "spielbaren Märchen" begeistert sein, doch soll es Menschen geben, die auf eine dichte Ästhetik keinen sonderlich großen Wert legen, oder die sich mit jenem Stil nicht anfreunden können. Es soll Spieler geben, die sich nach perfektem Gameplay oder spannenden, wendungsreichen Geschichten sehnen. Lässt man das märchenhafte Äußere weg, so bleibt ein Spiel, das diese beiden Wünsche leider nicht ganz erfüllen kann. Ich mochte zwar die Geschichte des Spiels, muss aber zugeben, dass die Akteure, nicht die Tiefe eines Bioware-Titels aufweisen können. Von imposanter Inszenierung wie in Uncharted 2, God of War oder Call of Duty kann ebenfalls keine Rede sein - Okami geht seinen eigenen Weg, den Weg des Märchens. Dieser mag den einen gefallen, den anderen nicht.

Und ach, was könnte ich nicht alles am Gameplay bemängeln, den nervigen Begleiter Issun, der es sich besonders zu Beginn des Spiels nicht nehmen lässt, mich wie einen Hund an die Leine zu nehmen, und mir jede noch so offensichtliche Aufgabe Schritt für Schritt vorzudiktieren. Die kurzen Dungeons, die teilweise recht linear ausfallen und die Qualität der Vorlage nicht immer erreichen. Und nicht zuletzt een Schwierigkeitsgrad, der erst gegen Ende anzieht. Bis dorthin werden eigentlich alle Gegner ohne Probleme besiegt, und die Lösungen der Rätsel sind vergleisweise leicht zu erschließen - sofern sie nicht ohnehin vom bereits erwähnten Begleiter vorweg genommen werden. Spielerisch ist Okami durchaus "gut", jedoch nicht "überragend".

Damit ist Okami ein perfekter Kanidat für ein Spiel ohne Wertung: Wer die "bodenständigen" Qualitäten eines Titels am meißten schätzt, wird wohl nicht so begeistert sein, wie es die hohen Wertungen in Aussicht stellen. Wer nichtlineare Action-Adventures mag, wird an Okami definitiv Gefallen finden, und wer sich mit der Ästhetik des Spiels anfreunden kann, der findet in Okami kein Spiel, sondern ein interaktives Märchen, ja, ein Kunstwerk.