Shooter
Entwickler: Irrational Games
Publisher: 2K Games
Release:
24.08.2007
Q3 2014
Q3 2014
24.08.2007
17.10.2008
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Durchschnittswertung

90%Gesamt
90%
90%
93%

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Lesertest von mr archer

Zunächst: Bioshock ist ein Pflichtspiel. Es ist das einzige Post-2000-FPS westlicher Prägung mit einer Story, die etwas taugt. Das erste F.E.A.R. hat es zaghaft versucht. Ansonsten fallen mir nur noch S.T.A.L.K.E.R. und You are empty ein. Und die stammen beide aus der Ukraine. Die Story von Bioshock hat literarisches Niveau. Ken Levine führt hier Themen, die er bereits in System Shock 2 und in der Thief-Serie behandelt hat, konsequent und grimmig an ihr Ende. Ein gescheitertes neoliberales Utopia am Meeresgrund, wo die bewusste Ablehnung jeglicher moralischer Grenzen in die Katastrophe geführt hat. Bioshock ist eine Reflexion über den Teil des amerikanischen Traums, den die Tea Party verkörpert, über den entfesselten Freien Markt, der immer wieder unsere Welt erschüttert. Hinzu kommt Gentechnik, wissenschaftliche Forschung ohne Gewissen, Kunst ohne Skrupel. Kein schöner Spiegel, in den wir hier schauen. Ein Shooter, vor dessen finalen Bosskampf man sich erstmal eine Stunde ruhig in die Ecke stellt, um sechzig Audiotagebücher durchzuhören und über die hier entworfenen Figuren nachzudenken - wann gab es das in der Geschichte je zuvor?

Nun, das war 1999. "System Shock 2". Auch von Ken Levine. Und das ist das größte Problem, das Bioshock hat.

Natürlich sieht Rapture atemberaubend aus. Das Art-Deco, die Zitate der Kapitän-Nemo-Filme, die 50er-Jahre-Songs aus der Jukebox. Doch leider ist die Stadt mit der aufgebohrten Unreal-Engine 2.0 gebaut, der überschätztesten Engine überhaupt. Klobige, zum Teil völlig aus der Proportion geratene Weltobjekte, begrenzte Schlauchareale, Plastelook. Ich kann es mittlerweile nicht mehr sehn. Außerdem bleibt einem Rapture, anders als die Von Braun trotz der langen Spielzeit merkwürdig fremd. 1999 durchstöberten wir ein komplettes Raumschiff. Diesmal hangeln wir uns in Stippvisiten durch eine Stadt, die wir immer nur ausschnittweise wahrnehmen. In diesem Rahmen wirkt auch die Erzählweise über die Audiotagebücher merkwürdig konstruiert und unstimmig.

Viel fataler ist allerdings, das Bioshock weder als FPS, noch als Survival-Spiel oder als Action-RPG überzeugen kann und auch den Hybrid zwischen diesen Genres, anders als System Shock 2, nicht hin bekommt. Für ein FPS ist die Steuerung zu schwammig, die Gegnervielfalt zu gering, die Waffenauswahl zu unbalanciert und das Schießen zu langweilig. Für ein Survival-Spiel ist die Spielschwierigkeit viel zu gering, die eigene Spielfigur zu mächtig und der Nachschub an Munition etc. viel zu üppig. Und für ein RPG ist der gesamte Ausbau der Fähigkeiten für die Katz, weil man am Ende sowieso alles kann und sich also für keinen Weg entscheiden muss. Daher ist auch der Wiederspielwert eher gering.

Natürlich ist das hier Jammern auf sehr hohem Niveau. Letztendlich kann ich Bioshock trotzdem uneingeschränkt empfehlen. Aber Ken Levine hat eben als Spiel-Designer eine Geschichte. Spielt Bioshock. Und danach System Shock 2 und Thief 1 und 2.

Und dann vergleicht.
Pro
  • Atemberaubendes, unverbrauchtes Szenario
  • Sehr kluge Auseinandersetzung mit Kapitalismus, Liberalismus, Freiem Markt, Ethik in Wissenschaft, Medizin und Kunst sowie dem Verhältnis von Mensch und Natur
  • Sehr atmosphärische Präsentation und hohe gestalterische Sorgfalt bis in kleinste Weltdetails
  • Little Sisters und Big Daddys als extrem bemerkenswerte, komplexe und vielschichtige Figurenkonstellation
  • Ernsthafte, "erwachsene" Spielwelt mit glaubhaften Konflikten
  • Spielcharaktere, die einem tatsächlich im Gedächtnis bleiben
  • Wirklich gut geschriebe, überraschende Turns in der Handlung
  • Herausragende Sprecher sowohl in der englischen wie deutschen Fassung
  • lange Spielzeit von ca. 20 Stunden
  • Freies Speichern
  • Ausschaltbare Spielhilfen
  • Im Spiel anpassbarer Schwierigkeitsgrad
  • Hohe Varianz bei der Problemlösung zwischen Schießen, Hacken, "Magie" und Stealth
  • Kein künstlich aufgesetzter Multiplayer
Kontra
  • Unreal Engine 2.0 mit den üblichen Design-Schwächen
  • extrem schwammige, unpräzise und "stumpfe" Steuerung der Waffen
  • Spielschwierigkeit auch auf "schwer" nie eine Herausforderung
  • verschenkter RPG-Aspekt (keine Notwendigkeit zur Entscheidung für einen Entwicklungsweg)
  • auch bei der Entscheidung für den schwereren, guten Weg (Verschonung der Little Sister) zu keinem Zeitpunkt Mangel an Adam/XP = Grundkonflikt der Spielwelt findet sich nicht im Gameplay wieder
  • Gegnervarianz zu gering
  • Überangebot an letztendlich unnützen und aufgesetzt wirkenden Plasmiden und Waffen (im Grunde genügt die Beschränkung auf Elektroschock, Schraubenschlüssel und Granatwerfer)
  • Missverhältnis zwischen Levelgröße und Menge der hackbaren Automaten
  • Unterwasserwelt bleibt merkwürdig blass (Bumpmap-Panoramen hinter der Glasscheibe, Wasser ist keine Gefahr)
  • einige Story-Längen
  • Rapture als Setting merkwürdig unnahbar und nur ausschnitthaft erlebbar
  • Online-Aktivierung zwingend erforderlich
 

BioShock

BioShock
mr archer
mr archer 24.11.2011 PC 
84%
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