Kolumne

hundertprozent subjektiv

KW 24
Donnerstag, 16.06.2005

Die pöbelnde Forensau


Die Welt der Spiele ist ein uriger Nährboden für Organismen aller Art. Kein Wunder, denn der Lebensraum des Zockers bietet viele fruchtbare Böden: Handhelds, Konsolen und Rechner diverser Zeitalter liegen in allen Körnungen und Schichten unter einer dicken Decke aus Softwarelaub. Darunter gärt ein bunter Kosmos voller Egos und Überraschungen, ein Eldorado für Sprachwissenschaftler und Therapeuten, für Ludologen und Zoologen. Irgendwann geht die Saat auf und bringt neue Sprösslinge hervor.

Habt ihr dieses Schnaufen gehört? Seltsam.

Wer sich in den dichten Spiele-Dschungel wagt, sollte jedenfalls vorbereitet sein, denn es kann gefährlich werden. Vor allem auf den viel besuchten Foren-Schneisen, die tagtäglich von Tausenden Beiträgen zugepflastert werden. Nimmt man sich einen Moment Zeit und wandert vorsichtig durch diese vernetzte Diskussionsbotanik, offenbart sich ein unerschöpfliches Reservoir an Typen, Ticks und Tollheiten.

Da! Hört ihr's jetzt? Da war doch ein deutliches Grunzen, oder? Komisch…kann man denn hier noch nicht mal in Ruhe seine Kolumne schreiben? Weiter im Text:

Aus einem zarten Pflänzchen kindlicher GameBoy-Faszination könnte im Laufe der Jahre z.B. ein hungriges Spaßmonster der Gattung Spielefresser wachsen, das seine Fühler gierig in alle Richtungen ausstreckt - die sind harmlos, so lange man keine Beziehung mit ihnen eingeht. Oder ein PR-Manager - die sind auch harmlos, so lange man nicht mit ihnen über Wertungen debattiert. Oder eine Forensau - die sind immer gefährlich, so lange man über die Tastatur kommuniziert.

Pfui deibel, was ist das denn? Es riecht ja hier wie auf'm Bahnhofsklo! Moment, ich schließe schnell die Fenster. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja - die Typen:

Ja, die Evolution des zockenden Menschen hat zu bizarren Spezialisierungen geführt. Falls ihr die heiligen Foren der Spielewelt besucht, solltet ihr die Kaspersk'sche Einteilung in drei Aggressionsstufen kennen. Mikki Kasperk ist ein eben erfundener Soziologe aus Finnland, der vor allem in der analytischen Klischeeforschung erfolgreich publiziert.

Nicht zu fassen. Müffelt es bei euch auch noch so komisch? Entschuldigung, wir waren bei den Stufeneinteilungen nach Kasperk...

Hier seine Ergebnisse:

Aggro I: Meist friedlich.

Chronisch blinde Entwickler. Schwarz sehende Analysten. Dukes wartende Jünger. Akut inkompetente Verkäufer. Falsch wertende Tester. Alles zockende Spielefresser. Demo geile Sauger. Mario fixierte Würfler. Sony anhimmelnde Seher. Microsoft ergebene Diener. Kalt gewinnende Progamer.

Aggro II: Selten friedlich.

Rosa bebrillte Fans. Mac spielende Freaks. Konsolen hassende PCler. Bug suchende Käufer. Genre kennende Polemiker. Manisch nörgelnde Leser. Gewalt fixierte Journalisten. Dreist mogelnde Cheater. Wertungen diskutierende PR-Manager. Taxiraser zockende Tester. Hilflos verlierende Noobs.

Aggro III: Nie friedlich.

Hirnlos pöbelnde Forensäue.

Schon wieder! Dieses brachiale Schmatzen, das kaum noch von einem feucht flatternden Furzen zu unterscheiden ist! Ist ja ekelhaft. Mal abwarten... Okay, es ist wieder weg. Zurück zu Kasperk.

Mit dieser Klassifizierung hat sich Kasperk natürlich den Unmut der stilistisch angewiderten Kollegen zugezogen, die ihm eine geschmacklose Verquickung von Merkmalen in primitiver Sprache vorwerfen. Daher möchte ich an dieser Stelle ein Zitat von Kasperk anführen, indem er Aggro III erläutert:

"Die aggressivste Variante des Homo ludens ist die hirnlos pöbelnde Forensau. Wie ein Ungetüm stampft sie schmatzend durch Diskussionen und wühlt wild schnaufend den Boden auf, um Argumente aufzufressen oder sanft sprießende Dispute schon im Keim zu ersticken. Dabei verlässt die Forensau selbst den Boden streitbarer Polemik und sondert ungehemmt so viele Fäkalien ab, dass Zeichensetzung, Orthografie und vor allem Stil in einem braun blubbernden Bombardement untergehen. In diesem Brei suhlt sie sich dann, um ihren Nachwuchs anzulocken. Irgendwann stinkt es dann an Orten ihrer Verwüstung wie in einem Schweinestall."

Ich hab sie kommen hören. Ich hab sie gerochen. Sie war die ganze Zeit im Anmarsch. Verdammt - jetzt ist mir kotzübel. Wie soll man so arbeiten? Es geht nicht mehr. Ich breche die Kolumne ab. Admin? Bitte mach mal ordentlich sauber…


Jörg Luibl
4P|Chefredakteur


 

Kommentare

Korun schrieb am
Troll aber bitte trotzdem nicht bei den Tests so massiv herum ;)
Manchmal fragt man sich schon, ob manche deiner Tests, die ziemlich unfair sind und mehr Polemik als brauchbare Beschreibungen beinhalten sonderlich förderlich sind.
Solche Tests sind zwar unterhaltsam, aber Tests, die von Typ "Aggro II" kommen, die beschwören den Typ "Aggro III" nahezu herauf. Und egal wie schlecht ein Spiel auch sein mag, man muss es nicht sooo schlecht reden, wie du es in der Vergangenheit hin und wieder getan hast und damit dann "Aggro III" mit Material und Munition versorgst ;)
Es gibt da so eine Simpsonsfolge, in der Homer Resturantkritiker wird, die solltest du dir evt. mal anschauen. Besonders die Rolle von Lisa ist da sehr wichtig ;)
Jörg Luibl schrieb am
Ganz wichtig: Eine einzelne Kritik, egal von welchem Magazin, entscheidet nie über den Konkurs eines Herstellers oder das Scheitern eines Spiels.
Und wir sind als deutsche Presse ohnehin am Ende der Wertungskette aktiv - 4Players ist ja nicht mal Metacritic-gelistet und kann niemandem weh tun. :wink:
PandaLin schrieb am
Wenn man durchs 4Players surft,bemerkt man recht bald das sie herr Jörg die Nase voll von hundsgemeine Forensau haben.
Ich finde das mehr als nur Verständlich.
Mein Tipp: nehmen sie es etwas lockerer. Niemand auf dieser Welt bekommt 100%. 100% ist nur eine Illusion! Es wird immer leute geben die nicht ihre Meinung sind und sich beschweren. Sogar der Herr Gott schafft es nicht alle zu überzeugen nett und freundlich zu sein.
?Mach es wie die Sonnenuhr: zähl die heitern Stunden nur!?
Beachten sie nicht nur die Trolle und die beleidiger.
Sie haben eine menge treue Fans die sie in Forum verteidigen.
Seufz :( Ich würde gern mit ihnen tauschen. Als Polizeibeamter bekommt man irgendwie nur noch kritiken XP
Doch sollen sie als Kritiker nicht vergessen,dass sie eine Verantwortung für das was sie schreiben tragen. Eine schlechte Kritik kann schon mal über Erfolg oder Konkurs entscheiden.
LG LIN
Jörg Luibl schrieb am
Manche Dinge kehren immer wieder: Warum soll man einen neuen Artikel zum ewig gleichen Gezeter schreiben? Es geht eher darum aufzuzeigen, dass sich diese Aufreger wie in einer historischen Spirale mit immer gleichen Auslösern wiederholen. Und täglich grüßt das Murmeltier...
danibua schrieb am
Finde ich auch echt arm das plötzlich die alten Kolumnen als Reaktion auf den (wirklich verpfuschten) Dead Island Test kommen.
schrieb am