Sex im Spiel?
„Sex sells“ heißt es ja so gerne in Marketingkreisen, wenn es um neue Kampagnen, Cover oder Slogans geht. Die Spielewelt protzt zwar auch ab und an mit Babes und Busen, aber alles Ernsthafte unter der Gürtellinie scheint immer noch tabu zu sein. Es wird getötet, gevierteilt, überfahren und erschlagen. Aber wo wird, sehr verehrte Damen und Herren Entwickler, virtuell kopuliert?
Das, was bisher auf dem Markt ist, ist einfach lächerlich und verrät den billig inszenierten Männerblick: Egal ob es sich um die lasziv dahin kriechende Lara Croft, den sonnigen Beach Volley-Voyerismus oder Sex-Imperatorin Lula handelt. Babes gibt es zuhauf, aber echten Sex?
Bei den SIMS würde sich ja ein Add-On anbieten, aber hier verbietet amerikanische Prüderie die Fleischbeschau. Die einzige gute Liebesszene in einem Spiel gibt`s wohl neben der prickelnden Einführung im Action-Adventure Nomad Soul nur in Gothic 2: Hier kann man sich im Hafenviertel vergnügen und wird tatsächlich mit einer erotischen Zwischensequenz belohnt.
Nicht, dass die Spielewelt auf rhythmische Pornogymnastik gewartet hätte, die schon zu C64-Zeiten ganze Competion Pro-Geschwader im Dauergerüttel bersten ließ. Oder dass wir gar ein neues Adult-Genre à la Orlowski & Co bräuchten.
Nein, nein, es geht eher um Sex im besten spielerischen Sinne: als stilistisches, erzählerisches und natürlich auch optisches Mittel. Vielleicht als Höhepunkt einer Beziehungsgeschichte, vielleicht als roter Faden in einem Thriller, vielleicht auch als hungriger Fetisch des Protagonisten, der klug gefüttert werden will?
Meinetwegen Softcore, meinetwegen Hardcore, aber eingebunden in ein gutes Adventure, Rollen- oder Actionspiel. Der Trieb als Motor für eine ganze Story würde sicher nicht schlechter abschneiden als das ganze Militärspezialagententerroristen-Einerlei. Schließlich gab es auf dem Amiga schon einige Ansätze. Und „Leisure Suit Larry“ hat gezeigt, dass man das Thema auch humoristisch einsetzen kann.
Was da an Innovation möglich wäre! Ganz neue Charaktereigenschaften, ganze neue Animationsstufen, ganz neue Energieleisten. Auch optisch würden Bump Mapping, Vertex Shader und Partikeldichte sicher für einen höchst plastischen Ernstfall sorgen.
Ein Blick nach Japan zeigt übrigens, dass die Asiaten Sex schon längst auch virtuell genießen: Über die Qualität mancher Dating-Simulation und den Reiz von Tentakelpenetration lässt sich zwar streiten, aber immerhin wird das Thema dort nicht tabuisiert, sondern ist längst auch als Spielziel etabliert.
Ist der Westen zu prüde? Haben die Entwickler keine Ideen? Oder wollt Ihr einfach keinen Sex im Spiel?
Jörg Luibl4P|Textchef